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Du verrückt!“ fuhr Alfred ihn an. „Ihr habt immer noch nichts kapiert. Erstens: Es steht überhaupt nicht fest, daß der Türke uns gesehen hat. Zweitens: Wir haben Masken getragen, also kann er uns auch nicht erkannt haben. Drittens: Ihr könnt sicher sein, daß er im Krankenhaus unter Polizeischutz steht. Was glaubt Ihr, was jetzt in Deutschland los sein wird! Alle Politiker werden auftreten und den Anschlag verurteilen. Auch die, die im Stillen nichts dagegen haben, daß es ein paar Kanacken weniger gibt, können es sich nicht leisten, das zu sagen, was sie denken. Es wird Demonstrationen von Zeckenzüchtern geben und viele Bürger werden mitmarschieren, um zu zeigen, daß sie gegen Ausländerhaß sind, obwohl sie unsere Aktion in Wahrheit gutheißen. Nun wird es sich zeigen, auf wen wir uns verlassen können. Auch die Polizei wird stark ermitteln, weil der ganzen Welt so schnell wie möglich die Täter präsentiert werden sollen.“ Die Anderen schwiegen betreten. Vielen von ihnen wurde erst jetzt klar, was sie in der letzten Nacht getan hatten. Natürlich schweißte jenes Erlebnis die Truppe noch mehr zusammen. Schließlich kannten bislang in ganz Deutschland nur neun Leute die Täter. Das waren sie! Alfred schaltete den Fernseher ein. Es wurden Bilder von den toten Türken und vom ausgebrannten Haus gezeigt, vor dem sich etliche hundert Menschen versammelt hatten, um zu beten, Kerzen anzuzünden oder Blumen niederzulegen. „Schleimige Spießer!“ entfuhr es Berthold. Daraufhin wurde ein Interview mit einem Polizeikommissar gezeigt. „Wir kennen die Brandursache noch nicht. Allerdings steht fest, daß das Feuer nicht durch einen technischen Defekt entstanden ist“, gab jener bekannt. „Was heißt das?“ wollte Hans wissen. „Daß die Bullen wie immer keinen blassen Schimmer haben!“ spottete Helmut. Gelächter kam auf. „Könnte es sein, daß das Feuer von Rechtsradikalen gelegt wurde?“ fragte der Reporter. „Für so eine Aussage ist es noch zu früh“, wich der Kommissar aus. Nach dem Interview wurde eine Rede des Bundeskanzlers ausgestrahlt. „Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger“, begann er. „Letzte Nacht ist etwas Schreckliches geschehen. Elf türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger haben bei einem Brand ihr Leben verloren. Da feststeht, daß kein technischer Defekt für das Feuer verantwortlich war, wissen wir, daß es Täter gibt. Auch wenn das Motiv bislang unklar ist, fordere ich die Täter auf: Stellen Sie sich! Mit so einer Schuld kann niemand leben! Liebe türkische Freunde, mein herzlichstes Beileid. Ich versichere Ihnen, daß wir nicht ruhen werden, bis die Täter hinter Schloß und Riegel gebracht worden sind.“ „Sprach’s und legte sich zum Schlafen“, lästerte Karl. Schallendes Gelächter brach aus. Alle fühlten sich befreit, da sie wußten, daß man ihnen nicht auf die Schliche gekommen war. „Wir werden in den nächsten Wochen unsere Treffen hier abhalten, um nicht in der Öffentlichkeit aufzufallen“, entschied Alfred. „Wolfgang, laß die Strumpfmasken verschwinden!“ Wolfgang steckte sie in eine Tüte, verließ die Wohnung und brachte die Tüte auf eine Müllkippe, wo man sie sicherlich nie finden würde. Als er wieder in Alfreds Wohnung zurückkehrte, waren die Anderen alle verschwunden.

      „Hey Leute! Wo seid Ihr?“ rief Wolfgang laut. Auf einmal entdeckte er auf dem Tisch einen Zettel. Darauf stand: „Sind im Führerbunker! Vernichte den Zettel!“ Wolfgang wunderte sich. Der „Führerbunker“ befand sich in einem verwahrlosten Gebiet mitten in Frankfurt. Dort hatten sie einst jene Höhle entdeckt und zu ihrem Geheimversteck ernannt. Gerade als sich Wolfgang auf sein Fahrrad setzen wollte, hielt neben ihm ein Polizeiauto an. „Einen Augenblick, Junge. Weißt Du, wo wir Alfred Herres finden?“ erkundigte sich ein Polizeibeamter. „Keine Ahnung“, log Wolfgang, um dann neugierig nachzufragen: „Was wollen Sie denn von ihm?“ „Das dürfen wir Dir wiederum nicht sagen“, gestand der Polizist lächelnd und stieg in den Wagen. Wolfgang beschloß daraufhin, zunächst nicht zum „Führerbunker“ zu fahren, weil es ja sein konnte, daß er beobachtet wurde. Deshalb kurvte er eine halbe Stunde lang in der Stadt herum, bis er sich ganz sicher war, daß er nicht verfolgt wurde. Dann fuhr er zum „Führerbunker“. Seine Kumpels warteten bereits auf ihn. „Wo warst Du denn so lange?“ wollte Steffi wissen. „Ich habe die Bullen abschütteln müssen“, verteidigte sich Wolfgang. „Wieso das denn?“ rief Ernst erregt. „Als ich den Zettel fand und hierher fahren wollte, traf ich auf der Straße einen Polizisten, der wissen wollte wo Alfred ist. Ich sagte ihm, daß ich es nicht weiß und fragte ihn, was er von Alfred wolle. Darauf erzählte er mir, daß er das nicht sagen dürfe. Da ich sichergehen wollte, daß man mir nicht nachspionierte, bin ich erst in der Stadt herumgefahren, bis ich wußte, daß mir niemand folgt.“ „Auf Dich kann man sich halt verlassen“, lobte Alfred und gab ihm eine Dose Bier. „Warum seid Ihr eigentlich hierher abgehaun?“ fragte Wolfgang. „Weil ich von einem guten Kumpel informiert worden bin, daß die Polizei mich sucht“, ließ Alfred verlauten. „Du wirst aber nicht jeden Tag vor der Polizei davonlaufen können“, erwähnte Hans, dem ein wenig mulmig zumute war. „Das weiß ich auch. Ich wollte nur noch sichergehen, daß unser Alibi funktioniert“, erläuterte Alfred. „Also, spielen wir es nochmal durch. Ich bin der Polizeibeamte.“ Er stellte sich vor seine Gruppe auf. „Wo wart Ihr gestern abend?“ Anke stand auf. „Ich war mit meinem Freund Alfred im Bett. Mehr werden Sie ja nicht wissen wollen?“ „Ich schon. Aber die Vorschriften erlauben es nicht“, lenkte „Polizist“ Alfred ein. „Und was ist mit Dir?“ Er schaute Ernst an. Jener sprang auf. „Ich habe mit Hans, Berthold und Steffi Karten gespielt“, erzählte er. „Wo?“ wollte der „Beamte“ wissen. „In Alfreds Wohnung.“ „Bleiben noch drei“, deutete „Polizist“ Alfred ein wenig enttäuscht an. „Wir haben in Alfreds Flur Fußball gespielt“, machte Wolfgang deutlich. „Habt Ihr etwa so was wie eine Wohngemeinschaft?“ erkundigte sich Alfred mit tiefer Stimme. Die Anderen riefen: „Genau!“ und lachten. Das Alibi stand. Man hatte keine Unbeteiligten mit hineingezogen, so daß man nicht fürchten brauchte, verraten zu werden. Außerdem konnten genug Leute bestätigen, daß die Neun fast immer zusammen waren, so daß das Alibi nicht so schwach und komisch war, wie es sich zunächst anhörte. Alfred war zufrieden. Vor allem mit sich. Dadurch, daß alle einen Molotow-Cocktail in das Haus geworfen hatten, würde niemand von ihnen auspacken, weil sich ja keine/r selbst belasten wollte. So würde ihnen niemals irgend jemand nachweisen können, daß sie die Brandstifter waren. Allerdings gefiel es ihm überhaupt nicht, daß ihn die Polizei bereits suchte. Jedoch wußte er nicht, daß es sich dabei nur um blinden Aktionismus handelte.

      Im Frankfurter Polizeipräsidium war Einiges los. Die Telefone klingelten rund um die Uhr. Unzählige Journalisten, Politiker, aber auch einfache Bürger, wollten wissen, ob die Ermittlungen schon etwas ergeben hätten. Das nervte die Polizeibeamten dermaßen, daß sie etwas auf ihren Anrufbeantworter sprachen. So hörten alle, die im Polizeipräsidium anriefen, folgende Worte: „Hier spricht der Anrufbeantworter des Frankfurter Polizeipräsidiums. Wir können zum momentanen Stand der Ermittlungen nichts sagen. Auf Wiederhören.“ Man hatte eine Sonderkommission gegründet, deren Aufgabe von nun an einzig und allein darin bestand, die Brandstifter zu finden. Zu ihr gehörten auch die Polizeibeamten Harald Lose und Ludwig Wasold. Jene hatten soeben ihrem Vorgesetzten Bericht abzustatten. „Wir haben uns ein wenig in der rechten Szene umgehört. Man merkt zwar, daß niemand etwas gegen diese Morde hat, jedoch scheint man die Täter auch nicht zu kennen. Nur ein gewisser Alfred Herres war nicht zu Hause.“ Auf einmal kam ein Polizeibeamter herein, der sich mit der Brandursache beschäftigt hatte und von einigen Experten unterstützt worden war. „Molotow-Cocktails. Neun Stück!“ meldete er. Erstaunen machte sich breit. „Warum gerade neun Stück?“ fragte sich Kommissar Gerd Wagner. „Entweder waren es neun Täter, oder man will uns auf eine falsche Fährte locken“, meinte Lose dazu. „Also Lose. Neun Täter. Ich bitte Sie“, entgegnete Wagner. „Das wäre ja etwas absolut Neues.“ „Also werden wir nochmal zu diesem Herres fahren und abends mal so eine rechte Kneipe anschauen“, teilte Wasold seinem Chef mit. „Tun Sie das, meine Herren“, verabschiedete sie derselbe. Wagner wußte, daß er der Öffentlichkeit so schnell wie möglich die Täter bringen mußte. Sonst war es um seinen Job geschehen. Darum überlegte er: „Ein brennendes türkisches Haus. Heißt das, daß nur Deutsche die Täter sein können? Wäre es nicht möglich, daß Kurden, oder sogar Türken den Brand verursacht haben? Molotow-Cocktails kann schließlich jeder bauen.“ Daraufhin schickte er ein paar Beamte los, die sich umhören sollten, ob es Streit unter den Türken oder mit Kurden gegeben hatte. Wenig später erhielt er die Nachricht, daß der überlebende türkische Mann wieder voll bei Bewußtsein war. Wagner setzte sich in seinen Wagen und fuhr zum Krankenhaus. „Wie

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