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Weg eilte ich zu den Toiletten. Und wieder einmal hatte Logan es geschafft, mich mit seiner bloßen Anwesenheit zum Weinen zu bringen.

      Der restliche Tag verlief ereignislos. Ständig begegnete ich Logan auf den Schulfluren. Entweder wollte mir das Schicksal tatsächlich eins auswischen oder aber seine Anwesenheit fiel mir nur deshalb so sehr auf, weil ich unterbewusst Ausschau nach ihm hielt. Gedanklich versuchte ich mir zu verbieten an seine eisblauen Augen und das wunderschöne Lächeln zu denken, was allerdings einem schier unmöglichen Unterfangen gleichkam.

      Als der Schultag endlich ein Ende fand, schlenderte ich gedankenverloren mit Poppy über den Parkplatz. Sie schnatterte ununterbrochen über Lukas und erzählte mir Dinge, die ich über meinen eigenen Bruder lieber nicht wissen wollte. Also schaltete ich meine Ohren irgendwann auf Durchzug und hing meinen eigenen Grübeleien nach.

      »Was sagst du dazu?«, am Rande vernahm ich Poppys Stimme, während sie mich erwartungsvoll ansah. Offenbar hatte sie mir eine Frage gestellt.

      »Tut mir leid, was hast du gesagt?«, ertappt zog ich meine Brauen hoch und presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Poppy dagegen rollte nur genervt mit den Augen.

      »Du hast mir wieder nicht zugehört oder?«

      »Sorry«, erwiderte ich schuldbewusst. »Weißt du, es gibt Dinge über meinen Bruder, die ich lieber nicht wissen möchte.«

      »Ich weiß, Drea«, Poppy seufzte resigniert.

      »Trotzdem brauche ich deinen Rat! Ich meine, Lukas und ich sind noch nicht über diese Grenze hinaus, wenn du weißt was ich meine«, sie wackelte verschwörerisch mit den Brauen. »Aber diesen Freitag ist es so weit, das fühle ich! Und es soll perfekt werden! Also brauche ich eben ein paar Tipps von dir. Du bist seine Schwester, du musst mir sagen worauf er bei Frauen steht! Dessous, Vorspiel, Sexstellungen oder vielleicht …«

      »Gott Poppy!«, empört blieb ich stehen und rümpfte angewidert die Nase. »Hör auf damit! Woher soll ich das bitte wissen? Ich bin zwar seine Schwester, aber ich spioniere ganz sicher nicht sein Sexleben aus. Igitt.«

      Allein der Gedanken daran, mir meinen Bruder bei gewissen Dingen vorzustellen, bereitete mir Unbehagen.

      »Ach komm schon, Drea, das ein oder andere weißt du bestimmt, denk nach!«, drängte sie quengelnd und sah mich mit ihrem berühmten Hundeblick an, dem man nichts ausschlagen konnte. Doch es schüttelte mich, allein schon auf diese Art und Weise über Lukas nachzudenken.

      »Poppy, es gibt auch für mich Grenzen. Und genau hier ziehe ich meine. Punkt.«

      »Ach Drea, bitte! Verrat mir nur eine kleine Kleinigkeit.«

      Gequält schloss ich die Augen und seufzte laut.

      »Na schön! Wenn du dann endlich Ruhe gibst«, ich warf ihr einen bösen Blick zu. »Lass mich kurz nachdenken«, in Gedanken ging ich Szenarien durch, in denen Lukas sich mit seinen Freunden unterhalten hatte. Da fiel mir plötzlich etwas ein. David war einmal zu Besuch gewesen und die beiden hatten sich über ihre Eroberungen unterhalten, als ich plötzlich in die Küche geplatzt war.

      »Er hat mal erwähnt, dass er es mag, wenn Frauen den ersten Schritt machen und ich zitiere, die Zügel in die Hand nehmen.«

      Ich hatte nichts dagegen, dass mein Bruder wie jeder andere Mensch ein Sexualleben führte. Allerdings wollte ich darüber nicht bis ins kleinste Detail informiert sein.

      »Du bist die Beste!« Poppy grinste breit wie ein Honigkuchenpferd und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

      »Ja und wegen dir bekomme ich Kopfschmerzen«, klagte ich. Poppy dagegen lachte lediglich laut auf und verabschiedete sich mit einer Umarmung von mir.

      »Wir sehen uns!«, sie hatte sich bereits einige Meter von mir entfernt, als ich meine Hände an den Mund hielt und ihr noch einmal etwas hinterherrief.

      »Brauche ich Ohrstöpsel am Freitag?«

      »Besser wär’s!«, sie drehte sich lauthals lachend um und hüpfte hopsend auf ihr Auto zu. Dieses Mädchen war verrückt, durch und durch verrückt. Kopfschüttelnd wandte ich mich ab und lief zu meinem eigenen Wagen.

      Dad, Lukas und ich hatten ihn erst letzte Woche gekauft, da ich mich aufgrund eines Unfalls von meinem geliebten Ford hatte verabschieden müssen.

      Nun war ich allerdings stolze Besitzerin eines schmucken, kleinen Audis. Bei der Auswahl allerdings hatte ich nicht viel Mitspracherecht gehabt. Nachdem die beiden in eine hitzige Diskussion verfallen waren, in der Mercedes und Audi miteinander konkurrierten, einigten sie sich schlussendlich auf meinen jetzigen Wagen. Ich selbst hätte mich schon mit einem kleinen, kompakten Gebrauchtwagen zufriedengegeben, aber sobald es um Autos ging, kannten mein Dad und Lukas kein Halten mehr.

      An meinem Wagen angekommen, schleuderte ich meine Schultasche auf den Beifahrersitz und ließ mich in das weiche Leder sinken. Ich lehnte den Kopf zurück und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Es war alles zu viel gewesen, ER war zu viel gewesen, alles an ihm war zu viel für mein wundes Herz. Jedes Mal wenn mir seine Augen in den Sinn kamen, erinnerte ich mich daran wie liebevoll sie mich einst angeblickt hatten. Wenn ich an seine Lippen dachte, konnte ich sogar noch fühlen, wie sie die meine berührten. Seine sanften Hände, deren Berührungen eine Spur von Gänsehaut auf meinem Körper hinterließen.

      Ich kämpfte gegen die Tränen an. Durchhalten, ich musste durchhalten. Weiter machen, irgendwie weiter machen. Irgendwann würde es besser werden. Hoffentlich.

      Mit einem tiefen Seufzer startete ich den Motor und fuhr los.

      Als ich zuhause ankam, stand Lukas‘ Auto bereits in der Auffahrt. Seit dem Vorfall zwischen Adam, Logan und mir war unser Verhältnis trotz der Aussprache recht angespannt. Dies lag größtenteils daran, dass Lukas meine Entscheidung nicht guthieß, Dad vorerst bezüglich der jüngsten Ereignisse im Ungewissen zu lassen. Hinzu kam die Tatsache, dass ich mich nach wie vor, was Logan betraf, in Schweigen hüllte. Doch ich konnte nicht anders. Allein schon über ihn zu reden, setzte mir enorm zu und ich wusste nicht, ob Lukas die Verbindung, die zwischen mir und Logan bestand, jemals verstehen würde.

      Mit einem lauten Knall schloss ich die Fahrertür meines Wagens und trottete die Auffahrt hinauf zur Haustür. Ich ließ die Tür ins Schloss fallen und streifte zuerst meine Sneaker ab, die völlig durchnässt vom Schnee waren. Ich musste mir dringlichst ein paar warme Boots zulegen. Die Kälte fraß sich nämlich durch meine Schuhe mit dem Resultat völlig verfrorener Zehen.

      Ich hörte ein Fluchen und folgte dem Geräusch zur Küche. Was ich sah, überraschte mich. Lukas stand vorm Herd und klapperte mit den Töpfen. Er wirkte ziemlich hilflos und völlig fehl am Platz, wie ein Elefant im Porzellanladen.

      »Luke, was machst du da?«, amüsiert hob ich die Brauen und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. Er warf mir einen gestressten Blick über die Schulter zu.

      »Hey«, grüßte er und versuchte gleichzeitig die kochende, rote Flüssigkeit im Kochtopf vor sich nicht aus den Augen zu lassen. »Ich habe früher Schluss gemacht auf der Arbeit und dachte ich mache mich hier in der Küche mal nützlich.« Genau in diesem Moment blubberte es aus dem Topf und einige Spritzer der Tomatensoße landeten direkt auf Lukas‘ weißem Hemd.

      »Verdammt«, fluchte er, während er den Topf eilig von der Herdplatte nahm. Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen und trat näher. Was das Kochen anbelangte, hatte Lukas zwei linke Hände.

      »Geh dich umziehen, ich kümmere mich um das Essen.«

      ∞

      Zehn Minuten später saßen Luke und ich zusammen am Tisch und nahmen schweigend unser Abendessen zu uns. Dad machte wie immer Überstunden in der Firma. Mia war nach dem Kindergarten wieder mit zu ihrer Freundin Lucy und aß dort zu Abend.

      Allerdings musste ich sie nach dem Essen abholen, da Dad noch in der Firma zu tun hatte und Lukas mit seinen Jungs verabredet war. Insgeheim fragte ich mich, ob Logan auch mit von

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