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sein glühender Blick, besonders die Grübchen, die sich zeigten, wenn er einmal lächelte, was viel zu selten vorkam.

      Ein Seufzen entrann sich meinen Lippen. Mein Herz sehnte sich nach ihm, jede Faser meines Körpers schrie nach seiner Nähe, nach seinen Berührungen. Ich vermisste ihn. Ich vermisste ihn so sehr, dass es mich innerlich beinahe schon zu zerreißen drohte.

      Ich erschrak, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich sah auf, direkt in Poppys warme braune Augen. Sie schauten mitfühlend auf mich herab.

      »Drea, er hat nicht verdient, dass du auch nur noch einen einzigen Gedanken an ihn verschwendest«, sie strich behutsam über meine Schulter. Krampfhaft versuchte ich die Tränen zu unterdrücken, dir mir bei ihren Worten in die Augen stiegen. Ich brachte ein schwaches Nicken zustande und wandte mich sofort wieder den Schneeflocken hinter dem Fenster zu. Mir graute es vor der nächsten Stunde. Englisch. Bei ihm.

      Mein Magen krampfte sich zusammen, wenn ich daran dachte, ihm so nahe zu sein und gleichzeitig auch wieder so weit entfernt. Seine Anwesenheit zu spüren, ihn jedoch nicht berühren zu können. Seine Stimme zu hören, ohne ihn ansehen zu können. Es war die reinste Folter. Eine Qual für mein Herz und meine Seele.

      Im nächsten Moment ertönte der Gong. Ich nahm einen tiefen Atemzug und versuchte das letzte bisschen Kraft in mir zu sammeln, das mir noch geblieben war. Auch wenn ich innerlich verzweifelte und am liebsten geweint und geschrien hätte, so versuchte ich nach außen hin doch souverän und unbekümmert zu wirken. Wenngleich mir das nicht so recht gelingen wollte. Das Leben ging weiter, aber ich lebte nicht wirklich. Ich fühlte mich viel mehr wie eine Maschine, eine Maschine, die irgendwie funktionieren musste.

      Ich stopfte meine Sachen in die Tasche und trat gemeinsam mit Poppy den Weg zum Englischsaal an. Da Timmy einen anderen Kurs besuchte, verabschiedete er sich von uns. Auch er hatte bemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmte, doch man musste mir wohl ansehen, dass ich schlicht und ergreifend nicht darüber sprechen wollte. Also beließ er es dabei. Vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass er zurzeit mit seinen eigenen Problemen beschäftigt war.

      Vor zwei Monaten hatte er mir gestanden, in Poppy verliebt zu sein. Doch anstatt ihr seine Gefühle zu offenbaren, hatte er sich in Schweigen gehüllt. Und nun war Poppy anderweitig vergeben. Sie und mein Bruder Lukas waren mittlerweile ein Paar. Das war auch der Grund für ihre überschwängliche Laune in der letzten Zeit. Man bekam Poppy gar nicht mehr von ihrem hohen Ross herunter. Sie hatte dauerhaft dieses Hundert-Watt-Grinsen im Gesicht. Es war sogar so schlimm, dass sie selbst in der Schule irgendwelche Melodien vor sich hin pfiff und fröhlich von einer Stunde in die nächste tänzelte. Und das hatte wirklich etwas zu heißen, denn Poppy hasste Schule über alles.

      Ich persönlich freute mich zwar für ihr Glück, andererseits war es allerdings nur wieder ein weiteres Indiz dafür, dass das Schicksal es nicht gut mit mir meinte. Jeder um mich herum fand sein Glück, während mir ein Rückschlag nach dem anderen widerfuhr.

      Ich nahm einen tiefen Atemzug und folgte Poppy zum Englischsaal. Seit zwei Monaten war es das gleiche Spiel. Ich setzte einen Fuß vor den anderen. Einen vor den anderen. Immer weiter. Immer weiter. Ich konzentrierte mich ganz auf meine Füße, versuchte meinen sich beschleunigten Herzschlag zu beruhigen, der immer wilder pochte, je näher wir dem Saal kamen. Bis wir schließlich ankamen.

      Und dann plötzlich setzte mein Herz für einen kurzen Augenblick aus. Ich spürte seine Anwesenheit, spürte seine Nähe, seine Wärme, konnte ihn in Gedanken sehen, obwohl ich gar nicht aufblickte. Jeder einzelne meiner Muskeln spannte sich an, während meine Finger krampfhaft die Bücher in meiner Hand umklammerten.

      Ich hielt den Atem an und trat durch die offene Tür hinter Poppy in den Saal ein. Im Augenwinkel erkannte ich das Schimmern seines goldenen Haares, ich roch sogar seinen Duft und obgleich ich es zu vermeiden versuchte, sog ich ihn tief durch die Nase ein. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter und ging mit gesenktem Kopf am Lehrerpult vorbei, direkt zum Mittelgang, von wo aus ich nach hinten auf meinen Platz trottete.

      Für einen kurzen Moment glaubte ich seinen Blick in meinem Rücken zu spüren. Ein warmes Prickeln kitzelte in meinem Nacken und ich musste gegen den Drang ankämpfen, mich umzudrehen, um ihn anzusehen. Ich wusste ein einziger Blick in seine Augen und ich wäre verloren gewesen. Der Kummer hätte mich übermannt und das letzte bisschen Kraft, das sich noch in meinem Innern befand, würde zerstört.

      Langsam legte sich der Lärmpegel. Die Gespräche der Schüler stellten sich allmählich ein und die Aufmerksamkeit aller richtete sich auf Logan.

      »Guten Morgen. Ich hoffe ihr hattet ein schönes Wochenende«, der Klang seiner Stimme überrollte mich wie eine Flutwelle. Obwohl ich sie beinahe täglich zu hören bekam, blieb der Stich in meinem Innern, den sie verursachte, immer gleich. Krampfhaft versuchte ich mich irgendwie abzulenken, um nur nicht dem melodischen Klang seiner Stimme zu folgen. Allerdings gelang mir das nicht so, wie ich es mir vorstellte. Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich seinen Worten zu lauschen begann. Logan hatte einfach dieses Talent, Menschen mit Worten zu fesseln.

      »Und da Weihnachten immer näher rückt, habe ich mir überlegt, um den Zusammenhalt unseres Kurs noch etwas zu stärken, zu wichteln.«

      Sofort horchte ich auf. Wichteln? Ernsthaft? Ich konnte mir gerade noch im letzten Moment ein Stöhnen verkneifen. Poppy dagegen ließ ihrem Missfallen über diesen Vorschlag freien Lauf.

      »Schöne Scheiße!« Wie immer war ihr Mundwerk schneller als ihre Gedanken. Alle Köpfe flogen zu uns herum.

      »Miss Whitehill, Sie scheinen nicht sehr angetan von dieser Idee?«, ertönte Logans Stimme aus Richtung des Pultes. Ich musste nicht hinsehen, um zu wissen, wie sich seine Brauen zu einem schmalen Strich zusammenzogen und sich ein genervter Ausdruck über sein Gesicht legte.

      Poppy dagegen ließ sich wie immer von nichts aus der Ruhe bringen. Völlig entspannt lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück.

      »Mr Black«, begann sie lachend zu sprechen.

      »Wir sind nicht mehr in der fünften Klasse. Ich bitte Sie, das ist Schwachsinn.«

      »Na wenn das so ist, dann stimmen wir doch ab. Wer das Wichteln befürwortet, hebt bitte die Hand«, entgegnete Logan siegessicher. Ich ließ meinen Blick über die Schüler wandern und wäre am liebsten in meinem Stuhl zusammengesunken. Mehr als die Hälfte meldete sich. Ich war absolut kein Fan von diesem Wichteln. Wenn man Pech hatte, zog man den Namen eines Mitschülers aus dem Lostopf, mit dem man so gut wie gar nichts am Hut hatte. Und ausgerechnet dieser Person musste man dann auch noch ein Weihnachtsgeschenk machen.

      »Was Idioten«, murmelte Poppy kopfschüttelnd neben mir und ich konnte ihr nur beipflichten.

      »Sehr gut, die Mehrheit ist dafür«, stellte Logan fest. Am Rande sah ich, wie er um das Lehrerpult herum ging und eine kleine Schachtel aus seiner Schublade hervorholte.

      »Schreibt bitte alle euren Name auf einen kleinen Zettel und werft ihn in diese Box. Anschließend gehe ich herum und jeder darf einen Namen ziehen.«

      Poppy neben mir gab leise Würgegeräusche von sich und zum ersten Mal an diesem Tag konnte ich mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Gerade als ich meinen Namen auf ein kleines Stück Papier schreiben wollte, ergriff jemand das Wort.

      »Aber Mr Black. Ich finde, Sie sollten, wenn wir schon wichteln, unbedingt mitmachen!«, Madison Lively. Erste Reihe. Dies war der Moment, in dem das kleine Lächeln auf meinen Lippen sogleich wieder erstarb. Logan sollte mitwichteln? Unter gar keinen Umständen! Was, wenn ich seinen Namen zog und ihm etwas schenken musste? Das wäre mein Untergang.

      »Ich denke nicht Madison, dass …«, setzte er zum Reden an, doch einige der Schüler unterbrachen ihn und stimmten Madisons Vorschlag völlig begeistert zu.

      In diesem Augenblick hätte ich alles dafür gegeben, um Logans Reaktion zu sehen, hätte ihm am liebsten in die Augen gesehen, um herauszufinden, was er gerade dachte. Wieder spürte ich dieses Kribbeln im Bauch und war mir absolut sicher, dass er gerade zu mir sah. Doch ich blickte nicht auf. Ich konnte es nicht.

      »Na

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