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für die Türchen eines Adventskalenders gestalten.“

      „Ooooooh!“ Leonora stand auf. Sie redete immer mit Händen und Füßen. „Kann ich nicht auch so was machen? Das wäre was für mich. Das wäre viel cooler als das blöde Mathe hier. Ich hab keinen Bock auf Schule. Wann bin ich denn fertig für heute?“ Sie trank einen Schluck Wasser. Dann streckte sie ihrer Mutter den Zeigefinger hin. „Weißt du, warum ich mir hier ein Pflaster drangemacht habe?“

      „Nein.“ Abgelenkt schaute Carolin auf ihren Zeichenblock. Darauf waren bisher nur mehrere Kästchen zu sehen. Wie könnte sie sie wohl füllen?

      „Das habe ich draufgemacht, damit ich nicht mehr dran knabbern kann. Das soll mein einziger langer Fingernagel werden.“ Leonora griff nach dem Holzstück aus der Dominokiste, das vor ihr auf dem Sofa lag. Sie tippte mit dem umwickelten Finger darauf. „Klingt schön. Ganz anders als mit den anderen Fingern. Mama, hörst du das?“ Sie ging zu ihrer Mutter hinüber. „Hier, klingt viel heller, hörst du?“

      „Hmmm …“

      Leonora sah auf den Tisch. „Du könntest doch Engel malen. Einer könnte trommeln. Oder Blockflöte spielen.“ Sie drehte den Dominostein, den sie für ihre Matheaufgaben als Beispiel für einen Quader herausgeholt hatte, tippte darauf und tat so, als würde sie hineinblasen. „Das ist doch fast ‘ne Blockflöte, oder?“ Sie legte den Stein weg, ging zum Schrank und griff nach ihrer alten Plastikblockflöte. „Ist doch fast genauso.“ Sie spielte ein paar Töne. „Das geht aber schlecht mit dem Pflaster. Man trifft ja gar nicht …“ Prompt wanderte die Flöte neben den Quader auf den Tisch. „Was hattest du denn gedacht?“

      „Was?“ Carolin tauchte aus ihren Gedanken auf. „Ach so. Na ja … Engel sind irgendwie so normal. Ich würde gern irgendwas Witziges haben. Vielleicht ein Tier oder so. Und die Zahl muss auch immer noch dabei sein.“

      „Nimm doch einen Pinguin! Pinguine sind immer süß. Und es gibt immer weniger.“

      „Weil die Eisbären so viele auffuttern?“, vermutete Carolin und grinste.

      „Nein, Mama! Das geht überhaupt nicht! Aber das weißt du doch! Guck mal!“ Leonora holte sich den Ball vom Sofa, der bei ihrer Matheaufgabe die Kugel verkörpert hatte. „Guck mal: Da oben leben die Eisbären. Da, am Nordpol. Und da unten“, sie drehte ihren imaginären Globus, „da leben die Pinguine. Die KÖNNEN sich also gar nicht begegnen!“

      Carolin grinste.

      „… denn das ist der Südpol. Da sind die Pinguine. Und da oben am Nordpol sind die Eisbären. Und der Weihnachtsmann. Dann würden ja eigentlich Eisbären besser passen. Aber die sind nicht so süß. Außer die Kleinen. Kleine Eisbären sind auch süß. So wie die, die auf meinem Koffer sind. Aber wenn die groß werden … Grrrr …“

      „Deshalb machst du lieber weiter mit deinen Quadern, Kugeln und Würfeln, und ich versuche mal ein paar Pinguine.“

      „Muss das sein?“

      „Ich dachte, du findest die süß“, wunderte sich Carolin.

      „Nein, ich meinte Schule. Ich hab heute doch schon so viel gemacht!“

      „Du hast grad erst angefangen! Und dann kam mein Telefonat, und dabei hast du fast gar nichts mehr gemacht! Guck, mit Mathe bist du doch fast fertig. Nur noch die Körper aufmalen. Dann hast du es geschafft. Und bei Deutsch war es doch auch nur noch das Buchstabenpuzzle!“

      „Hmmmm …“ Grummelnd ging Leonora wieder zurück zu ihrem Arbeitsplatz am Couchtisch. In ihrem Zimmer konnte sie sich nicht motivieren. Daher hatte Carolin sie irgendwann ins Wohnzimmer geholt. Und Leonora hatte nichts dagegen gehabt. Bei Mama war es viel schöner. Und man hatte immer jemanden zum Quatschen, sehr zu Carolins Leidwesen, die Mühe hatte, sich zumindest zeitweise zu konzentrieren.

      Sie malte jetzt einen Pinguin, der ein Schild in der Hand hielt. Ja, das könnte gehen. Vielleicht noch mit Mütze und Schal? Oder doch lieber ein Rentier? Oder einen Weihnachtsmann mit Sack? Oder Schlitten? Alles nett. Aber irgendwie fehlte das gewisse Etwas.

      Da ploppte eine Nachricht auf. Carolin wechselte in den Chat. Der Projektleiter hatte geschrieben. „Kurze Korrektur: Der Entwickler braucht doch morgen schon ein erstes Beispiel für ein Layout. Er braucht was, womit er arbeiten kann. Schickst Du dann einen ersten Entwurf? Der muss auch noch nicht final sein.“

      Carolin lachte hektisch auf. Morgen! Wann sollte sie das denn machen? Ihr blieben eigentlich nur die Abende, um wirklich konzentriert arbeiten zu können. Am Vormittag war Schule angesagt, das hieß, sie musste Leonora dazu bringen, die Arbeitsblätter zu bearbeiten. Eigentlich war ihre Tochter gut in der Schule, sehr gut sogar. Wenn sie einmal anfing, ging es schnell. Das Problem war eher die fehlende Motivation, überhaupt erst einmal anzufangen ... Ihre große Tochter arbeitete allein in ihrem Zimmer und kam nur ab und zu mit einer Frage heraus. Sie erarbeitete sich fast alles eigenständig, auch neue Themen.

      Carolin starrte auf die Wand ihr gegenüber. Wie mochte es erst den Familien ergehen, deren Kinder ohnehin schon Probleme in der Schule hatten? Wie sollte das mit der eigenen Arbeit kombiniert werden können? Carolin raufte sich die Haare. Auch wenn sie es scheinbar gut getroffen hatte, löste es trotzdem nicht ihr Problem, bis morgen eine Idee nicht nur entwickelt, sondern dann auch noch umgesetzt haben zu müssen.

      Verzweifelt schmierte sie noch einen Pinguin auf das Blatt. Leonora kam zu ihr.

      „Was ist denn Mami? Hast du schon was?“

      „Na ja, nicht wirklich …“

      Leonora sah auf die Skizzen und kicherte. „Das da ist toll!“ Sie zeigte auf den letzten Entwurf. „Eine Erdnuss mit Weihnachtsmannmütze!“

      Carolin musste widerwillig lachen. Leonora hatte recht. Der Pinguin sah wirklich eher aus wie eine Weihnachtserdnuss. Aber … Sie überlegte. Ja, warum eigentlich nicht. Das könnte was werden. Weihnachtserdnüsse, Weihnachtsorangen, Weihnachtsäpfel, Weihnachtszapfen. Und immer mit der Zahl drauf oder dabei. „Ich glaube, das probiere ich mal!“

      „Die Pinguine?“ Leonora schmiegte sich an sie und zeigte auf die ersten Entwürfe.

      „Nein!“ Carolin grinste. „Weihnachtserdnüsse.“

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      „Papa, Papa, wir haben jetzt einen Adventskalender! Und wir durften helfen! Anna und Emil haben ihn getragen, und ich hab ihn aufgehängt! Das ist soooooo aufregend!“ Paul hüpfte vor seinem Vater auf und ab und zog ihn zu seinem Kita-Raum. „Komm mit, ich zeig`s dir!“

      Voller Stolz präsentierte er die bunten Päckchen. Sie hingen an einer Schnur, die über die gesamte Breite einer Wand gespannt war.

      „Und nächste Woche dürfen wir dann das erste Geschenk aufmachen!“

      „Das passt übrigens hervorragend“, merkte sein Vater an, als Paul später in seinen Schneeanzug schlüpfte. „Zu Hause wartet nämlich auch eine Überraschung auf dich!“

      „Echt?“ Paul zog den Reißverschluss zu, stand auf und nahm seine Stiefel in die Hand. „Was denn für eine?“

      Sein Vater lachte. „Dann wäre es ja keine Überraschung mehr. Hier, vergiss deinen Schal nicht!“

      Gemeinsam verabschiedeten sie sich von den Erziehern und gingen zur Tür. Paul zog die Stiefel an, sein Vater setzte ihm noch die Mütze auf den Kopf, und dann machten sie sich auf den Weg nach Hause.

      Paul hüpfte an der Hand seines Vaters und überlegte unentwegt, welche Überraschung es denn sein könnte.

      „Oma und Opa haben mir ein Paket geschickt mit gaaaaaaaanz vielen Süßigkeiten. Oder war der Nikolaus heute schon da? Nein, Mama hat Plätzchen gebacken, und ich darf verzieren? Oder bekomme ich heute schon ein Geschenk vom Adventskalender?“

      Sein Vater lächelte und schloss die Haustür

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