Скачать книгу

ergänzte Flop.

      Die Flip-Flops setzten ihren Welpenblick auf und bettelten. „Bitte, bitte, bitte!“

      „Na gut.“ Der Wanderschuh drehte sich zu seinen neugierigen Nachbarn. „Morgen ist Nikolaustag. Und am Abend vorher putzt jeder aus der Familie seine Stiefel oder anderen großen Schuhe und stellt sie für den Nikolaus hin. Der kommt nämlich noch in dieser Nacht und füllt uns mit Geschenken. Das ist so Tradition. Immer am Nikolaustag finden die Kinder dann morgens kleine Überraschungen in ihren Schuhen. Manchmal auch die Erwachsenen der Familie.“ Nachdenklich betrachtete er die Flip-Flops neben sich. „Warum ihr aber heute mit dabei seid, ist mir noch nicht ganz klar.“

      „Oh, da kann ich helfen!“, meldete sich der hohe Stiefel vom Rand. „Ich stand schon ganz zu Beginn hier und habe alles mitbekommen.“

      „Ja, bitte, erzähle es uns!“ Flip nickte überschwänglich. Selbst Flop hatte sich inzwischen aufgerichtet und lauschte mit großen Augen.

      „Wie gesagt, meine Schwester und ich, wir waren als Erste fertig.“ Fast zärtlich sah der Stiefel zu seinem Zwilling hinüber. „Franzi hat uns direkt geputzt, nachdem sie mit den Hausaufgaben fertig war. Ganz sorgfältig hat sie es gemacht. Zuerst hat sie den groben Schmutz entfernt, hat uns dann mit Schuhcreme eingerieben und uns sogar poliert. Ach, das war toll. Eine richtig schöne Massage. So intensiv gibt es die leider nur einmal im Jahr. Also, wenn ihr mich fragt, könnte häufiger Nikolaustag sein.“ Der Stiefel lachte. „Aber das interessiert euch ja gar nicht. Dazu seid ihr noch zu jung. In meinem Alter zählen nicht mehr aufregende Ereignisse. Entspannung und Wellness sind da viel interessanter.“

      „Hmmm, vielleicht ist mein Zwilling dann gar nicht mein Zwilling, sondern ist eigentlich viel älter?“ Flip kicherte und zeigte auf seinen Bruder. „Für Flop zählen jetzt schon mehr Erholung und Schlaf.“

      „Ich genieße halt mein Leben“, konterte der andere Flip-Flop. „Könntest du auch mal.“

      „Nicht streiten, meine Lieben!“, besänftige der Stiefel. „Jeder ist so, wie er ist. Und das ist auch gut so.“ Er klimperte mit dem Reißverschluss. „Aber was wollte ich denn eigentlich erzählen? Ach ja, warum ihr da seid. Eigentlich stellt ja jeder nur ein paar Schuhe oder Stiefel hin. Milo hat auch mit seinen Winterstiefeln angefangen. Doch dann ist ihm plötzlich eingefallen, dass ein Junge in einer Geschichte auch mal mehrere Schuhe für den Nikolaus aufgestellt hat. Das Buch hat er am Wochenende erst von Oma und Opa geschenkt bekommen, als er bei ihnen war. Und was macht er? Er kramt das Buch aus dem Köfferchen raus, in dem seine Sachen immer noch eingepackt waren, schlägt es auf und sieht sich das Bild zur Geschichte an. Und dann holt er ein Paar nach dem anderen, das er dort sieht. Seine Hausschuhe, die Klettschuhe und eben auch euch, liebe Flip-Flops. Und da er keine eigenen Flip-Flops hat, hat er seine große Schwester gefragt, ob er ihre Schuhe ausleihen dürfte.“

      „Vielleicht auch erst, nachdem wir schon hier standen“, stellte Flip klar.

      „Ist doch egal.“ Flop zuckte mit den Riemen. „Hauptsache, er hat überhaupt gefragt. Außerdem, eigentlich ist es doch ganz cool hier.“

      „Ja, finde ich auch“, stimmte Flip zu. „Eine Geschichten-erzähl-Nacht sollte es häufiger geben. Und irgendwie sind wir ja sogar mittendrin in der Geschichte.“

      „Und sie ist ja noch gar nicht zu Ende.“ Flop sah zu den großen Schuhen. „Wenn ich es richtig verstanden habe, passiert ja noch etwas, oder?“

      „In der Tat." Der Wanderschuh stellte sich aufrecht hin und sagte mit bedeutsamer Stimme: „Jetzt warten wir auf den Nikolaus.“

      „Den Nikolaus? Das ist der, der die Geschenke bringt?“ Flip konnte vor Aufregung nicht mehr stillstehen.

      Die Stiefelfrau lächelte und nickte. „Ja, das ist richtig.“

      „Und wie sieht er aus?“, erkundigte sich Flop.

      „Das, meine Lieben, dürfen wir nicht verraten.“ Der Stiefel neigte entschuldigend den Kopf. „Das ist ein Geheimnis.“

      „Genau“, bestätigte der Wanderschuh. „Wir haben von Schuhen gehört, die es verraten haben. Und im nächsten Jahr waren sie dann nicht mehr mit dabei. Sie waren zu klein geworden oder kaputt gegangen. Was auch immer. Auf jeden Fall haben sie den Nikolaus danach nie mehr gesehen.“

      „Und das soll uns nicht passieren!“ Der Stiefel richtete sich zu voller Größe auf und grinste. „Schließlich will ich meine jährliche Massage auf keinen Fall aufs Spiel setzen. Außerdem werdet ihr ihn ja auch bald live erleben. Dann könnt ihr euch selbst ein Bild von ihm machen.“ Er dachte kurz nach und ergänzte dann. „Und wenn ich euch einen Tipp geben darf? Versucht bis dahin noch ein bisschen zu schlafen. Dann vergeht die Zeit schneller.“

      „Und ihr könnt den Stress morgen besser verkraften“, grummelte der Wanderschuh. „Sag ich ja. Denn Stress ist es. Der Nikolaus ist schön gemütlich. Das darf ich sagen. Der ist nicht anstrengend. Aber morgen, wenn die Kinder aufstehen, stürzen sie sich auf uns und reißen aus uns die Sachen heraus, die der Nikolaus so liebevoll in uns verteilt hat. Sie schütteln uns, halten uns kopfüber, kitzeln uns bei dem Versuch, auch noch die letzten kleinen Süßigkeiten vorn aus dem Zehenbereich herauszubekommen. Und dann landen wir achtlos in der Ecke.“

      „Das klingt aufregend!“ Flip sah begeistert zu seinem Bruder hinüber. „Toll, dass wir dieses Jahr mit dabei sein dürfen!“

      „Und ich träume jetzt noch ein bisschen vom Nikolaus. Und von Geschenken. Und wie er die in und bei uns versteckt.“ Flop gähnte. „Das wird toll!“

      Die Flip-Flops kuschelten die Köpfe aneinander und träumten. Vom Nikolaus, der Ketten aus Süßigkeiten um ihre Riemchen wickelte, mit denen sie dann durch die Wohnung gingen. Flip, Flop, Flip, Flop, Flip, Flop …

Image

      Er hatte tief geschlafen. Gestern war der 1. Advent gewesen, und er hatte Freunde besucht. Spät war es geworden, ehe er nach Hause gekommen war, und er war sofort in sein Bett gefallen, ohne noch etwas von seiner Umwelt mitzubekommen. Doch dann hörte er es, dieses zutiefst vertraute Geräusch, dieses Reiben von Gummirollen auf den Steinfliesen vor seiner Wohnungstür.

      Das Geräusch war nicht laut. Überhaupt nicht. Aber er nahm es wahr, fühlte es. Beinahe glaubte er, er würde die winzigen Vibrationen spüren, die sich ergaben, wenn ein Gegenstand auf dem Treppenabsatz bewegt wurde. Und da war er auch wieder, dieser leise kratzende Ton, der sich wiederholte, bis das Reiben endete und durch ein leises, sehr schnelles rhythmisches Klicken ersetzt wurde, das sich rasch entfernte.

      Ihm war diese Geräuschabfolge nur zu vertraut, und bald würde er durch das angekippte Fenster hören, wie sich die Haustür öffnete und schloss, und er würde anschließend sowohl das Klicken als auch das Reiben der Gummirollen auf dem Pflaster des Bürgersteigs vernehmen, bis es in der Ferne verhallte.

      Trotz seiner Müdigkeit war er nun hellwach, und er ärgerte sich, dass er nicht zur Wohnungstür gerannt war. Vielleicht hätte er ja diesmal …? Oder sollte er aufstehen und aus dem Fenster schauen? Möglicherweise würde sie heute unter seinem Fenster vorbeigehen und nicht in Richtung des U-Bahnhofs auf der Querstraße, die er nicht einsehen konnte. Vielleicht würde er sie dann endlich einmal …

      Das Klicken aus dem Treppenhaus war kaum noch zu vernehmen. Er wusste, dass sie nun im Erdgeschoss war, gleich die Haustür öffnen würde. Schnell schwang er seine Beine aus dem Bett, stürzte zum Fenster, schob die Abdunkelung zur Seite. Obwohl es immer noch früh und die Wintersonne noch nicht sichtbar war, blendete ihn das Licht von draußen, und er kniff seine Augen zusammen. Die Haustür wurde aufgedrückt, fiel wieder ins Schloss.

      Verdammt, dachte er, warum kann ich nichts sehen? Er wischte sich über die Augen. Es wäre doch wirklich ärgerlich, würde sie heute unter seinem Fenster entlang gehen, und er würde nicht hinschauen können, weil seine Augen zu empfindlich

Скачать книгу