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er einfach mal früher aufstehen? Nur, wenn das dann an einem Tag war, an dem sie gar nicht da war? Dann wäre er unnötig früh aufgestanden. Und das war die Sache nun wirklich nicht wert.

      Er hörte sie auch nie nach Hause kommen. Er arbeitete oft sehr lang, war danach häufig mit Freunden unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie kam, ohne dass er selbst zu Hause war, war ziemlich groß.

      Langsam drehte er sich wieder auf den Rücken und starrte die Decke erneut an. Es wurde heller im Zimmer, und ein Blick zum Fenster zeigte ihm, dass er seine Abdunkelung nicht wieder richtig zugezogen hatte. Er ärgerte sich, wollte aber nicht extra aufstehen, und so schloss er doch wieder die Augen.

      Würde er sie jemals kennenlernen? Wollte er sie überhaupt kennenlernen? Warum eigentlich? Er brauchte sie nicht. Er hatte seine Freunde. Und seine hübsche Kollegin aus dem dritten Stock. Aber immer wieder war da dieser Rollkoffer. Und immer wieder waren da diese eleganten Klickgeräusche dieser Absätze. Sein Herz schlug abermals schneller. Nein, er musste diese Nachbarin wenigstens einmal getroffen haben, um … Ja, um was denn? Er musste innerlich lachen. Nur so würde er sein Seelenheil wiederfinden, denn sonst konnte er gar nicht anders, als über sie nachzudenken. Und vielleicht bot sich da zu Weihnachten etwas an. Vielleicht sollte er kleine Geschenke für die Nachbarn besorgen? Ein wenig Gebäck mit einem kleinen Gruß zu Weihnachten? Eine Nachbarin hatte das in dem Haus gemacht, in dem er früher gewohnt hatte, und er hatte sich immer darüber gefreut. Und dort hatten sich dann alle Nachbarn immer bedankt, hatten bei der Spenderin geklingelt.

      Ja, das war eine gute Idee. So war er unabhängig von ihren Zeiten, wann auch immer sie kam und ging. Und wenn er Glück hätte, dann würde sie den Kontakt zu ihm suchen, um sich bei ihm zu bedanken. Und dann müsste er ihr nicht mehr in seiner eigenen Wohnung hinterherschleichen. Und er wäre erlöst, weil er sie dann gesehen hätte.

      Er seufzte noch einmal und schlief umgehend wieder ein.

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      Nicki lag im Bett und wälzte sich hin und her. Er konnte nicht schlafen. Wie sollte er auch, da in dieser Nacht der Nikolaus kommen sollte. Und den wollte er auf keinen Fall verpassen!

      Er würde natürlich in seinem Zimmer bleiben, damit der Nikolaus ihn nicht bemerkte. Aber durch das Schlüsselloch könnte er ja gucken. Wenn er sich weit genug nach links stellte, konnte er gerade eben die Eingangstür erkennen. Das hatte er ausprobiert. Er wollte ja nichts dem Zufall überlassen. Den Vorhang, der den hinteren Flurteil, an dem sein Zimmer lag, vom vorderen Eingangsflur abtrennte, hatte er extra ein wenig zur Seite geschoben. Der war zwar auch vorher schon offen gewesen, hatte ihm aber ein klein wenig die Sicht versperrt.

      Doch wann würde der Nikolaus kommen? Er lag doch schon so lange im Bett. Mama und Papa waren auch schon schlafen gegangen. Draußen erhellte nur noch das kleine Nachtlicht im Bad die Wohnung. Nicki seufzte. Das hatte er vorhin erst wieder überprüft. Und immer noch war vom Nikolaus nichts zu hören.

      Wenn er wirklich so große und schwere Stiefel anhatte, wie man immer auf Bildern sehen konnte, müsste man ihn doch eigentlich gut hören können. Hätte er auch seinen Stab dabei? Und die Mitra auf? Nicki überlegte. Eigentlich wäre das doch unpraktisch, so viel mit sich rumzuschleppen. Und dass die Bischofsmütze wirklich wärmte, bezweifelte er auch. Vielleicht dürfte er für den nächtlichen Einsatz ja auch eine normale Mütze anziehen. Dann wäre ihm zumindest nicht ganz so kalt.Und worin transportierte er überhaupt die Geschenke? Musste er einen schweren Sack schleppen, so wie der Weihnachtsmann? Ein Rollkoffer wäre doch eigentlich viel praktischer. Aber auch lauter. Vielleicht doch nicht so praktisch.

      Nicki überlegte. Vielleicht sollte er im nächsten Jahr dem Nikolaus einen Brief schreiben. Dann wäre er ja in der Schule. Mama und Papa würden ihm bestimmt dabei helfen. Dann würde er dem Nikolaus vorschlagen, auf den Stab zu verzichten und eine Mütze aufzusetzen. Der Nikolaus könnte auch seine große Bommelmütze haben. Die rutschte ihm ohnehin immer über die Augen. Nicki grinste und stellte sich vor, wie der Nikolaus mit seiner bunten Mütze von Haus zu Haus ziehen würde.

      Da hörte er ein Rumpeln. Etwas rutschte weg und landete unsanft auf dem Boden. Nicki schreckte hoch und rieb sich die Augen. Was war das? Der Nikolaus? Sollte er etwa kurz geschlafen haben?

      Nicki schlug die Decke zurück und rutschte aus dem Bett. Leise schlich er zur Tür, beugte sich vor und blickte durchs Schlüsselloch. Im Flur war alles dunkel. Aber war da im Wohnzimmer nicht ein kleiner Lichtkegel? Und schimpfte da nicht jemand leise vor sich hin? Nicki lauschte. Nein. Derjenige schimpfte nicht. Da hatte jemand Schmerzen!

      Nicki überlegte. Was sollte er machen? Hingehen? Dann würde er den Nikolaus vielleicht für immer verscheuchen. Hatte er nicht gehört, dass der Nikolaus nur zu denjenigen kommen würde, die ihm nicht auflauerten? Aber wenn er nun wirklich Hilfe bräuchte? Nicki zögerte. Was sollte er tun?

      Nein, er konnte nicht an sich denken, er musste helfen. Papa sagte ja auch immer: „Geteilter Schmerz ist halber Schmerz.“ Deshalb musste er nachschauen. Nicki nahm sich seinen Kuschelhasen vom Bett, klemmte ihn unter seinen linken Arm, drückte die Türklinke hinunter und schlich in den Flur. Im Durchgang zum Wohnzimmer lag ein großes Etwas auf dem Boden, das sich vor und zurück bewegte. Es war fast schon ein Berg. Doch dieser Berg redete. Leise, mit dunkler Stimme.

      „So etwas Dummes, habe ich schon wieder nicht aufgepasst. Das kommt davon, wenn man keine Ersatzakkus mitnimmt. Ich bin ja auch selber schuld. Mit meiner guten Lampe wäre mir das nicht passiert. Ah, ich glaube, es wird dick. Und Schnee gibt es auch nicht. Womit soll ich denn jetzt kühlen?“

      Nicki räusperte sich. „Entschuldigung!“

      Der Berg drehte sich um. Nicki sah, dass es ein Mann war. Alt, aber doch auch nicht so alt. Der Teil des Gesichts, der nicht von einem Bart verdeckt war, hatte viele freundliche Falten. Und auf dem Kopf trug er eine dicke Bommelmütze. In der Hand hielt er ein Windlicht, in dem eine Kerze flackerte.

      „Ah, der Nicki“, brummte der Mann, lächelte aber freundlich. „Solltest du nicht eigentlich im Bett liegen und schlafen?“

      „Ja, schon … Aber ich wollte doch zu gern mal den Nikolaus sehen …“

      „Dass der in deinem Wohnzimmer auf dem Boden hockt, hattest du wahrscheinlich nicht gedacht, oder?“

      Nicki schüttelte den Kopf und wagte sich etwas dichter heran. „Bist du wirklich der Nikolaus? Der wirkliche, echte Nikolaus?“

      Der nächtliche Besucher nickte.

      „Boah!“ Nicki kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mit offenem Mund stand er im Durchgang zum Wohnzimmer. Doch dann fiel ihm ein, dass der Mann ja auf dem Boden saß. „Aber was ist denn los? Ich habe ein Rumpeln gehört. Bist du hingefallen?“

      „Ja, ich weiß auch nicht …“, erzählte der Nikolaus. „Plötzlich ist mein Fuß weggerutscht, und ich habe mich auf dem Boden wiedergefunden. Mit diesem Licht kann man aber auch nichts erkennen …“ Er hielt das Windlicht in die Höhe. „Es ist mir ein Rätsel, wie das früher funktioniert hat. Aber da waren meine Augen ja auch noch besser, und ich hatte mich noch nicht an das viel hellere elektrische Licht gewöhnt …“

      Nicki sah auf den Durchgang und verzog das Gesicht. „Meine Autos!“

      „Wie bitte?“, wunderte sich der Nikolaus.

      „Ich hatte gestern meine Autos in einer Schlange dort abgestellt. Sie haben auch auf den Nikolaus gewartet. Und in einer Schlange, weil ja nicht alle gleichzeitig zum Stiefel können. Da müssen sie ja warten. Und da bist du wahrscheinlich drauf ausgerutscht.“

      Der Nikolaus nickte. „Das könnte sein. Ich hoffe, ich habe dein Auto jetzt nicht zerstört.“

      „Ach nein, das geht schon“, winkte Nicki ab. „Mein Papa tritt da auch ständig drauf. Und Mama meinte noch, ich soll das wegräumen, damit du nicht drauf ausrutschst. Aber dazu hatte ich keine Lust.“ Nicki drückte den Hasen an sich. „Es tut mir leid! Kommst du trotzdem

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