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immer aufgeregt und nervös. Zum dritten Graf Dragomir von Moarte.

      „Es ist schön, dass Sie kommen konnten, hochverehrter Graf“, freute sich Elli und nahm ihm seinen dunklen Umhang ab.

      „Aberrr das ist doch selbstverrrständlich, gnädiges Frrräulein.“ Niemand konnte ein „r“ derartig beeindruckend rollen wie Graf Dragomir. „Leiderrr warrr es mirrr nicht möglich, frrrüher zu errrscheinen. Sie wissen schon ...“ Der Graf griff nach Ellis Hand und beugte sich über sie zu einem formvollendeten Handkuss.

      „Natürlich“, nickte Elli. „Wir wissen Bescheid.“

      „Oh, es duftet herrrvorrrrrragend.“ Der Graf schaute sich um. „Ich hoffe, dass die Plätzchen keinen Knoblauch enthalten?“

      „Aber nicht doch Herr Graf. Wie würde ich das einem meiner liebsten und ältesten Freunde antun?“

      Dragomir von Moarte lächelte ihr zu, und seine beiden spitzen Vampir-Eckzähne kamen zum Vorschein. Inzwischen hatte Freddy Flatter versucht, eines der Plätzchen zu kosten und war von Lieutenant Bones vertrieben worden.

      „Lecker, lecker, lecker“, hechelte die kleine Fledermaus. „Es riecht so lecker! Ein Plätzchen, bitte ein Plätzchen.“

      Tinchen Tano war zu Madame Arachnia geflogen und bekam ein Plätzchen, von dem sie ein Stück abbiss. Ihre großen Eulenaugen wurden noch größer: „Dath itht thoooo lecker!“ Für einen Augenblick sah es so aus, als würde sie den Rest sofort aufessen, aber dann nahm sie ein Stückchen und flog zu Freddy Flatter, der vor dem Skelett geflohen war und nun aufgeregt am Dachsparren über dem Schrank hing. Tinchen Tano gab ihrem Freund einen Bissen, und er war begeistert.

      „Die Plätzchen müssen noch ein bisschen abkühlen“, freute sich Elli, „aber es ist genug für alle da. Und auch für die Kinder morgen.“ Sie war so glücklich. Und sie war ihren Freunden dankbar, dass sie ihr geholfen hatten. Es waren die besten Freunde, die sie sich wünschen konnte.

Ein Bild, das Kerze enthält. Automatisch generierte Beschreibung

      Was war denn das für ein Geräusch? Genervt drehte sich Thomas auf die andere Seite und wagte einen Blick durch die leicht geöffneten Lider. Anscheinend war noch Nacht. Durch den schweren Vorhang vor dem Fenster fiel kein Licht. Regnete es? War das das Geräusch, das ihn geweckt hatte? Doch jetzt war alles still. Wer sollte ihn auch stören? Er lebte allein, schon lange, eigentlich fast sein gesamtes Leben als Erwachsener. Und das war auch gut so. Niemand störte ihn in seinen Gedanken. Er konnte sie sogar laut aussprechen. Keine Unterbrechungen, keine Rücksichtnahme, keine Kompromisse.

      Sollte er einfach weiterschlafen? Oder lieber noch etwas arbeiten, wenn er schon einmal wach war? Wie spät war es eigentlich? Um die Uhrzeit erkennen zu können, müsste er sich wieder umdrehen. Stöhnend rollte er sich herum, gähnte, öffnete die Augen und erstarrte. Direkt vor seinem Bett hockte ein Wesen und trommelte mit den Fingerspitzen auf den Koffer, auf dem es saß.

      „Na endlich! Das hat ja gedauert!“, beschwerte sich das Wesen.

      Thomas rieb sich die Augen und schüttelte den Kopf.

      „Du kannst dich ruhig trauen“, amüsierte sich das Wesen. „Ich bin da, leibhaftig und real. Auch wenn du morgen vielleicht denkst, du hättest von mir geträumt.“

      „Das gibt es doch nicht“, sagte Thomas zu sich selbst. „Ich habe einfach in letzter Zeit zu wenig geschlafen. Ist ja auch kein Wunder, ne, bei dem, was ich alles zu tun habe. Ich bin Geschäftsführer. Ich bin ein sehr guter Geschäftsführer. Wenn ich nicht gewesen wäre, würde es die Firma schon lang nicht mehr geben. Angebote gab es viele. Wir wären geschluckt worden, weg, verschwunden, ne. Ein unbedeutender Teil eines großen Unternehmens. Niemand würde uns mehr kennen. Aber ich, ne, ich habe das verhindert. Und jetzt sind wir diejenigen, die schlucken. Ja, genau, wir die anderen, ne. Und wenn ich dann mal weiterdenke, ne, nehmen wir mal nur die nächsten zehn Jahre, dann sehe ich uns auf dem Weltmarkt. In zwei Jahren, ne, da wird es in Deutschland keine Firma mehr geben, die für uns noch eine Konkurrenz darstellen würde. Und dann denke ich mal weiter, ne, dann sind wir so aufgestellt, dass die herrschenden Prinzipien von …“

      „Merkst du gar nicht, dass das, was du da lang und breit erzählst, außer dir keinen interessiert?“, unterbrach das Wesen den Redeschwall. „Mich nicht, ansonsten aber auch niemanden. Die anderen sind nur zu höflich, um dich zu unterbrechen.“

      Verwirrt stoppte Thomas seinen Monolog. Für einen Moment war er sprach- und gedankenlos. Was sollte das bedeuten? Und was war das überhaupt für ein nächtlicher Besucher? Er war wach. Ein Traum konnte es nicht sein. Zum ersten Mal schaute er sich das Wesen genauer an.

      Es war deutlich kleiner als er. Von der Größe eher wie ein Grundschulkind, zierlich und gleichzeitig stämmig. War es alt oder jung? Er konnte es nicht sagen. Noch nicht einmal, ob er einen Mann oder eine Frau vor sich hatte.

      Das Wesen kicherte. „Wieso denken eigentlich alle das Gleiche, wenn sie mich sehen?“

      „Was ...“

      „Ja, ich kann hören, was du denkst. Gerade ist dein Gedankenfluss ein bisschen ins Stocken geraten, vor allem, wenn man deinen üblichen Maßstab zugrunde legt. Du möchtest also wissen, wer ich bin und warum ich dich denken hören kann. Oder um es in deinen Worten zu sagen: Das Wesen scheint komplex zu sein in seinen Eigenschaften, gerade wenn ich das Aussehen und das Alter betrachte, ne, dann muss ich feststellen, dass ich nicht genau eingrenzen kann, welches Geschlecht, und da denke ich erst einmal nur an die beiden althergebrachten Geschlechter und nicht an das, was andere jetzt noch meinen, was es geben müsste, ne. Äh, also da kennt man sich ja gar nicht mehr aus, ne. Aber selbst wenn ich das einmal außen vorlasse, dann kann ich trotzdem nicht mit Sicherheit sagen, was ich da so vor mir sehe, wobei ich auch in Zweifel ziehen muss, ob das, was ich denke zu sehen, auch wirklich real vorhanden ist, ne. Wenn ich da mal bedenke, dass ja durchaus auch angesichts der Uhrzeit und der Tatsache, dass ich gerade geschlafen habe, dass da ... Träume will ich jetzt gar nicht erwähnen. Ich träume nicht, jedenfalls glaube ich, dass das, was gemeinhin für Träume gehalten werden, nichts weiter als Wunschbilder des Gehirns sind, wobei das die Frage aufwirft, was mein Gehirn, wenn ich jetzt mal davon ausgehe, ne, dass das hier jetzt auch ein Wunschbild ist, denn etwas anderes kann es ja nicht sein. Ein Einbrecher würde sich nicht so verhalten. Das wäre absolut untypisch, wenn man bedenkt, ne, dass ein Ziel des Einbrechens, wenn ich mich jetzt mal versuche, mich in die Gedanken eines Einbrechers hineinzuversetzen, ne. Das ist ja so weit von mir entfernt. Ist Spekulation, ne, aber ich denke, ich kann es ganz gut erfassen. Dann will ich ja nicht gesehen werden, ne. Ich gehe also an ein unbeobachtetes Fenster, ne, also, so ein Zimmer an der Ecke, vielleicht noch verdeckt durch einen Busch. Und dann setze ich das Schneidegerät an und in 20 Sekunden bin ich drin. Dann drei Griffe zu Schubladen, ein Schrank in der Küche und dann bin ich weg, ne.“

      Thomas hielt sich die Ohren zu und schüttelte wild den Kopf. „Aufhören! Was hat das denn damit zu tun, wer du bist?“

      „Tja, das denken sich deine Mitmenschen auch häufiger“, grinste das Wesen. „Aber ich kann dich beruhigen. Ich bin kein Einbrecher. Und dass ich deine Gedanken hören kann, ist für mich auch ganz normal. Ich bin nämlich ein Engel. Um genau zu sein: Ein Engel für besondere Aufgaben. Ich bin zuständig für die besonders schweren Fälle. Insofern bin ich genau der Richtige für dich. Und noch etwas: Es ist übrigens ziemlich unhöflich, ständig zu denken, wenn jemand anders redet.“

      „Aber …“

      „Ich merke, dir hat es die Sprache verschlagen. Sehr gut. Dann hoffen wir mal, dass du mir dann auch zuhörst, was ich zu sagen habe. Und was ich dir zeigen möchte. Bist du bereit?“

      Thomas fuhr sich hektisch durch die Haare, räusperte sich, richtete sich auf und stopfte sich das Kissen hinter den Rücken.

      „Ich vermute mal, du bist bereit“, schlussfolgerte der Engel. „Okay, um die Form zu wahren: Ich bin Nathanael.

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