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Ecken oder leicht zerknittertes Papier.

      Mila lächelte und flüsterte Bello zu: „Ich muss dir gleich unbedingt was erzählen. Das glaubst du nie!“

Ein Bild, das Kerze enthält. Automatisch generierte Beschreibung

      Sarah nahm sich einen kleinen Brocken aus der Schüssel und steckte ihn in den Mund. Hmmm … Gar nicht so übel. Aber etwas Besonderes war es auch nicht. Sollte sie noch etwas mehr Zimt nehmen? Nein, das hatte sie gestern schon probiert. Oder noch etwas mehr Kakao? Vielleicht war es auch schon zu viel? Sarah seufzte und vertiefte sich grübelnd wieder in ihr Rezept. Eigentlich müsste sie gar nicht mehr nachschauen, so oft hatte sie sich schon in den letzten Tagen daran versucht. Und jedes Mal war sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden gewesen. Dabei backte sie diese Plätzchen schon seit ihrer Kindheit.

      Für Sarah,

      zum 11. Geburtstag

      von Mama und Papa,

      stand als Widmung auf der ersten Seite. Und seitdem hatte sie die Kekse in jedem Jahr gebacken, mindestens zwölf Mal. Und bis zum letzten Jahr war sie auch immer damit zufrieden gewesen. Aber allein in dieser Adventszeit hatte sie schon genauso viele Versuche gestartet. Und keines dieser Ergebnisse kam an die Plätzchen aus dem Vorjahr heran. Dabei wäre es grad in dieses Mal so wichtig gewesen.

      Dieses war jetzt ihre letzte Chance, leckere Exemplare zu produzieren, denn morgen würde sie in den Zug steigen. Der Koffer war schon gepackt. Sie hatte gleich damit angefangen, als Alex die Nachricht geschickt hatte, die Nachricht, die sie nachts mit Herzklopfen aufwachen ließ. Die Nachricht, die dazu führte, dass sie tagsüber mit einem dümmlichen Lächeln aus dem Fenster starrte. Die gleiche Nachricht, die sie blind und taub machte, so dass ihre Kollegen sie schon in die Seite stießen, wenn Kunden Hilfe benötigten. Jedes Outfit war bewusst gewählt, gebügelt und ordentlich gefaltet im Koffer gelandet. Auf dem Stuhl neben dem Bett lagen ihr Lieblingsshirt und die neue Jeans für die Fahrt, dazu ihre edelste Unterwäsche. Nur eine Ecke des Koffers hatte sie freigelassen. Für ihre schönste Plätzchendose. Aber was ihr dafür noch fehlte, waren eben genau noch die Plätzchen. Dieser Versuch musste einfach gut werden.

      Toll, dass Du auch kommst. Auf Dich freue ich mich besonders. Und auf Deine Kekse … Dazu hatte Alex einen seiner berühmten Grinsesmileys gesetzt. Er schien eine geheime Quelle dafür zu kennen. Als sie alle noch nur mit Lachen und Weinen gearbeitet hatten, hatte er ganze Gemälde aus Zeichen gestaltet. Und jetzt schien er für jede Emotion ein Bildchen zu kennen. Bisher hatte sie es nur im Gruppenchat bewundern dürfen. Aber die letzte Nachricht war für sie gewesen, nur für sie allein. Ein zwinkerndes Gesicht mit roten Wangen und einem angedeuteten Kuss. Das konnte nur bedeuten, dass er den Abend vom letzten Jahr auch nicht vergessen hatte. Und ausgerechnet jetzt wollten die Kekse einfach nichts werden.

      „Das kann doch nicht wahr sein! Warum klappt das denn nicht?“

      Sarah schlug entnervt das Buch zu und steckte sich noch einen Brocken des Teiges in den Mund.

      „Weil deine Erinnerungen dir einen Streich spielen!“

      Wo kam denn das gerade her? Sarah sah sich erstaunt um. Sie kannte niemand mit einer so hellen Stimme. Außerdem war sie doch allein in der WG.

      „Du kannst mich nicht sehen.“ Die Stimme lachte. „Ich bin nämlich in dir.“

      „In mir? Was soll das denn heißen?“

      „Ganz einfach. Ich bin deine innere Stimme. Normalerweise kennst du mich nur, wenn du eine Idee hast. Oder wenn du nachdenkst. Dann klinge ich aber wie du. Also, wie ich. Denn ich bin ja du. Wir sind ja ich …“ Sarah hörte förmlich, wie die Stimme den Kopf schüttelte. „Du bringst mich ja völlig durcheinander.“

      „Tut mir leid“, entschuldigte sich Sarah automatisch.

      „Schon gut. Ich wäre auch verwirrt, wenn ich mich das erste Mal hören würde.“

      „Nein, es tut mir überhaupt nicht leid.“ Sarah stieß sich von der Arbeitsplatte ab und ging entschlossen durch die Küche. „Was rede ich denn da? Ich bin verrückt! Ich rede mit einer Stimme und entschuldige mich auch noch, dass ich die Stimme durcheinanderbringe. Was ist das denn für ein Quatsch?“

      „Du bist nicht verrückt!“

      „Nein, natürlich nicht, weil das ein blöder Scherz ist! Wer hat das inszeniert? Stefan? Oder Chrissy? Ihr hattet euren Spaß. Ich bin voll drauf reingefallen. Haha, sehr witzig! Aber jetzt kommt raus!“

      „Deine Mitbewohner haben damit nichts zu tun. Ich bin es wirklich.“ Die Stimme klang ein bisschen ungehalten. „Ich kann auch wie du klingen. So kennst du mich.“

      Sarah runzelte die Stirn.

      „Ja, so hast du mich schon oft gehört“, dachte die Stimme in Sarahs Kopf. Sie klang nun wie ihre eigene Stimme. „Wenn die Plätzchen doch nur endlich so schmecken würden wie im letzten Jahr! Das denkst du doch, oder?“

      „Das ist ja auch nicht schwer zu erraten! Schließlich wissen alle, dass ich seit fast zwei Wochen jeden Abend diese bescheuerten Kekse backe. Jeden Tag! Ich kann sie nicht mehr sehen. Und deshalb hat ja auch schon fast jeder in meinen Kursen oder im Copyshop meine Kekse gegessen.“

      „Aber nur ich weiß, warum du dir solche Mühe gibst.“ Die Gedanken kamen einfach so in ihren Kopf. „Denn ich war letztes Jahr auch mit dabei.“

      „Aaaaah! Das ist doch alles nicht wahr!“ Sarah blieb stehen, raufte sich die Haare und stützte sich auf der Arbeitsplatte ab. „Red wenigstens wieder mit deiner normalen Stimme. Das macht mich fertig, wenn du so klingst wie meine Gedanken. Wie soll ich dann wissen, was ich denke und was du sagst?“

      „Bitte, gern, wenn es dir so lieber ist“, hörte Sarah wieder die hohe Stimme. „Aber eigentlich ist es auch völlig egal. Denn ich bin du. Das wollte ich dir ja gerade schon erklären, aber du hast mich unterbrochen. Darf ich jetzt?“

      „Bitte, bitte, tu dir keinen Zwang an.“ Sarah wischte einen Krümel von der Arbeitsfläche. „Sag, was du zu sagen hast. Und dann lass mich bitte wieder in Ruhe!“

      „Den Wunsch kann ich dir leider nicht erfüllen. Denn wie ich schon sagte, ich bin ein Teil von dir. Ich bin deine innere Stimme. Ich bin bei dir, solange du denken kannst. Ich bin dein Denken und ich bin dein Gewissen. Und ich gestalte mit dir deine Erinnerung.“

      „Was meinst du damit, wir gestalten meine Erinnerung?“

      „Dazu komme ich noch später. Denn das ist ein wesentlicher Punkt. Erinnerung ist subjektiv. Aber wo war ich? Ach ja, dabei, dass ich ein Teil von dir bin. Ich bin immer da. Wir sind zur gleichen Zeit wach, wir schlafen zur gleichen Zeit. Wir essen zusammen und wir arbeiten zusammen. Wir machen zusammen Sport, wir leiden zusammen, wir freuen uns zusammen und wir lieben zusammen. Wir kommen zusammen auf die Welt und wir sterben zusammen. Wir sind eins. Und meistens sind wir auch einer Meinung. Wenn du unsicher bist, fragst du mich um Rat und hörst auf mich. Das ist gut, denn es ist wichtig, mit sich selbst im Reinen zu sein. Aber die letzten Tage, da weiß ich gar nicht, was ich mit dir machen soll.“

      „Die letzten Tage?“, unterbrach Sarah den Gedankengang ihrer inneren Stimme.

      „Du weißt genau, was ich meine. Die letzten fast zwei Wochen bist du nicht mehr du selbst gewesen. Genauer gesagt seit 13 Tagen, seit dem Moment, in dem du die Nachricht gelesen hast, die Alex dir geschrieben hat.“

      „Du weißt von der Nachricht?“ Sarah spürte, wie ihre Wangen warm wurden.

      Ihre Stimme seufzte. „Natürlich weiß ich von der Nachricht. Soll ich es noch einmal wiederholen? Wir sind zur gleichen Zeit wach, wir schlafen zur gleichen Zeit. Wir essen …“

      „Nein, schon gut! Ich glaube, ich habe es verstanden.“ Sarah schüttelte den Kopf. „Soweit man das überhaupt verstehen kann …“

      „Also,

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