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Krankenschwester zu Brian gesagt und zum ersten Mal in seinem Leben bereute er, dass es ihm an Gottesvertrauen fehlte.

      „Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt einen Angehörigen gesehen habe, der Tag und Nacht am Bett einer Komapatientin gewacht hat“, sagte Schwester Claire betrübt zu ihrer Kollegin, als sie im Beobachtungsraum standen und durch die Glasfront Brian Farley am Bett seiner Schwester sitzen sahen. „Noch dazu mit solch einem Job. Ich hörte, er sei die rechte Hand des Filialleiters von Farleys in L.A. und anscheinend gefällt es einigen Leuten nicht, dass er hier ist.“

      Schwester Betty zuckte mit den Schultern. „Der PR wegen wird er es nicht tun. Seit sie bei uns ist, hat sich kein Fotograf blicken lassen.“

      „Ich glaube, dafür hat er gesorgt...“

      Während die Krankenschwestern gegenüber Matthew und Isabelle zumeist reserviert auftraten, waren sie zu Brian und Rachel äußerst freundlich. Die beiden Schwestern, die sich um Joan kümmerten, hatten ihnen angeboten, sich jederzeit Kaffee oder Tee aus dem Schwesternzimmer zu nehmen.

      Auch nach einer Woche hatte sich Joans Zustand nicht verändert. Ihre Werte hatten sich laut Dr. Cooper zwar stabilisiert, doch sie war noch immer nicht aus dem Koma erwacht. Wie der Arzt verlauten ließ, bestand weiterhin Grund zur Hoffnung, da Joan eine Woche nach dem Unfall noch immer lebte. Das Koma war eine Schutzmaßnahme des Körpers, um zu genesen. Je nach schwere der Verletzungen konnte ein Mensch über Wochen, Monate oder gar Jahre im Koma liegen. Niemand konnte voraussagen, wie lange dieser Zustand bei Joan andauern würde.

      Brian, der sich in der Vergangenheit schwer in Geduld geübt hatte, saß stundenlang am Bett seiner Schwester und dachte über das Leben nach. Er hielt Joans Hand und redete mit ihr, ungeachtet dessen, ob sich eine der Schwestern im Raum befand oder sie allein waren.

      „Manchmal würde ich gern die Zeit zurückdrehen. Wir hatten früher soviel Spaß miteinander.“ Brian seufzte leise und stützte die Ellenbogen auf dem Bett ab. Den Kopf lehnte er müde dagegen. Er schwieg einige Minuten und lauschte dem leisen Piepsen, das von einem der Geräte herführte. Ansonsten war es im Zimmer still. „Erinnerst du dich...“, begann er schließlich leise. „...wie wir Mom und Dad als Kinder zu Weihnachten erschreckt haben, als über Nacht plötzlich die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum verschwunden waren? Sie dachten, es wären Einbrecher gewesen, dabei hatten wir die Geschenke versteckt.“ In Erinnerung an jenes Weihnachtsfest aus seiner Kindheit musste Brian lächeln. „Sie haben nie wieder die Geschenke einen Tag vor Weihnachten unter den Baum gelegt.“ Er griff nach dem kleinen Behältnis mit Wasser auf dem Nachtschrank und tupfte Joan mit dem nassen Wattebausch die trockenen Lippen feucht.

      „Mr. Farley, wollen Sie nicht nach Hause fahren? Es ist bereits nach Mitternacht“, sagte Schwester Claire bei ihrem nächsten Kontrollgang zu Brian.

      „Nein... Ich möchte sie die Nächte über nicht alleine lassen“, antwortete Brian wie jeden Abend der vergangenen sieben Tage.

      Voller Verständnis sah Claire ihn an. „Ich weiß, ich kann Sie nicht zum Gehen überreden. Aber dann lassen Sie mich wenigstens eines sagen“, bat sie ihn. „Ich finde es toll, dass Sie sich so um Ihre Schwester kümmern.“

      „Wir sind Seelenverwandte. Sobald einer von uns leidet, leidet der andere mit ihm.“ Man sah ihm seinen Kummer in den traurigen Augen an. Die Sorge um seine Schwester beschäftigte ihn rund um die Uhr, sodass er nachts nur wenige Stunden Schlaf fand.

      „Es gibt nicht viele Angehörige wie Sie...“

      Vorsichtig hob er Joans Hand, in der eine Kanüle steckte, und führte sie dicht an seinen Mund hinauf. Liebevoll küsste er ihre Finger. „Das ist das Mindeste, was ich für sie tun kann. Bei ihr sitzen und mit ihr sprechen...“

      „Es ist mehr, als die meisten Menschen in Ihrer Situation tun würden. Viele kehren in ihr eigenes Leben zurück und erinnern sich erst sehr viel später wieder an den Angehörigen“, sagte sie betrübt.

      „Das ist nicht meine Art“, erwiderte Brian traurig. Niemals könnte er seine Schwester im Krankenhaus allein zurücklassen, um sein altes Leben fortzuführen. Es wäre, als würde er sie im Stich lassen, als würde er nicht mehr an ihre Genesung glauben. Er konnte sie nicht einfach so aus seinem Leben streichen, sie und ihren Zustand ignorieren und dann plötzlich wieder auftauchen, wenn sie zu sich gekommen war. Eines stand für ihn fest: Egal, wie lange Joan im Koma liegen mochte, niemand, absolut niemand würde ihn von seinen täglichen Besuchen bei ihr abhalten können.

      Dennoch war ihm bewusst, dass es nicht so weiterging. Seit einer Woche saß er Tag und Nacht an Joans Bett und hatte das Krankenhaus nur verlassen, um heimzufahren, zu duschen und sich frische Kleidung anzuziehen. Außer Joan gab es für ihn nichts. Rachel beschwerte sich wegen seiner knapp bemessenen Zeit nie bei ihm, aber Brian spürte, dass sie seine nächtlichen Aufenthalte im Krankenhaus nicht mehr gern sah. Sie wollte ihn eine zeitlang für sich allein haben, selbst wenn es nur eine Stunde am Tag war.

      Neben der Vernachlässigung seiner Freundin, musste Brian sich dazu zwingen an seine Verpflichtungen bei Farleys zu denken. Er konnte seinem Vorgesetzten nicht ewig mit seiner Rückkehr ins Geschäft hinhalten. Auch wenn ihm eines Tages zur Hälfte das Modehaus Farleys gehören würde, so war er wie jeder andere Mitarbeiter angestellt und konnte seinen Job verlieren.

      Während Brian darüber nachdachte, wie er seine zeitaufreibende Arbeit, Rachel und die Besuche bei seiner Schwester unter einen Hut bekommen sollte, legte er den Kopf auf seinen verschränkten Armen auf die Bettdecke. In seiner Grübelei versunken, schloss er die Augen und schlief bald darauf ein.

      Am Morgen darauf brach auf der Intensivstation das gewohnte Treiben aus. Inmitten des Trubels schlief Brian mit dem Oberkörper auf dem Bett. In der Nacht hatte Schwester Claire ihn schlafend vorgefunden und ihm eine Decke über den Körper gehangen.

      Bei ihrem routinemäßigen Rundgang betrat Schwester Betty Joans Zimmer und wechselte leise die Infusion aus, als plötzlich lautes Piepsen den Raum erfüllte. Augenblicklich schrak Brian aus seinem Schlaf hoch und sah mit angstvoller Miene zu Joan hinüber.

      „Es ist alles in Ordnung, Mr. Farley“, beruhigte die Schwester ihn sofort. „Ich habe nur die Infusion gewechselt. Tut mir leid, dass ich Sie dadurch geweckt habe.“

      Müde fuhr Brian sich mit den Händen übers Gesicht. „Wie geht es ihr?“, fragte er, als die Schwester die Geräte überprüfte.

      „Unverändert.“ Sie beobachtete, wie Brian sich über Joans Gesicht beugte und ihr zur morgendlichen Begrüßung einen sanften Kuss auf die Stirn gab. „Ihre Verletzungen brauchen Zeit, um zu heilen. Haben Sie Geduld mit Ihrer Schwester.“

      „Geduld war bisher nicht seine Stärke“, sagte Rachel lächelnd, die soeben ins Zimmer getreten war. „Hallo Liebling“, begrüßte sie Brian mit einem zärtlichen Kuss auf den Mund, während Schwester Betty sich aus dem Zimmer zurückzog.

      „Schatz, hallo. Was machst du denn so früh hier?“, fragte er verwundert.

      „Mein Termin wurde abgesagt. Ich dachte, du freust dich vielleicht.“

      „Das tue ich, entschuldige.“ Er lächelte und stand von dem Stuhl auf. „Setz dich und sag Joan hallo.“

      „Brian... ich kann das nicht“, sagte sie zögernd.

      „Was meinst du?“

      „Ich bin nicht wie du. Ich kann mich nicht stundenlang an ihr Bett setzen und zu ihr sprechen. Trotz alledem was die Ärzte gesagt haben, ich glaube nicht, dass sie uns hören kann.“

      „Du hältst meine Gespräche also für sinnlos?“, fragte er verletzt.

      „Liebling, nein... So habe ich das nicht gemeint.“ Sie stockte, wählte ihre Worte mit Bedacht. „Wenn du davon überzeugt bist, dass deine Stimme sie zu uns zurück bringen kann, dann sprich mit ihr. Bereue es nicht später.“

      „Hältst du mich für verrückt, weil ich ihr immerzu etwas erzähle?“, fragte Brian ernst.

      „Im

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