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sind, werden wir uns nochmals über die Notwendigkeit einer Operation beraten.“

      „Ich möchte, dass meine Schwester in ein Krankenhaus in L.A. verlegt wird, wo Ärzte sie behandeln, die derartige Operationen häufiger durchführen“, forderte Brian den Arzt auf.

      „Mr. Farley, ich verstehe durchaus Ihre Bedenken, aber eine Verlegung wäre zum jetzigen Zeitpunkt unverantwortlich. Auf dem Weg hierher hatte Ihre Schwester einen Herzstillstand und während der Operation hätten wir sie ebenfalls beinahe verloren. Ich betone nochmals, wie kritisch Ihr Zustand ist. Einen Transport nach L.A. würde sie vermutlich nicht überleben.“

      Als sie sich daraufhin von dem Arzt trennten und wenige Minuten später die Intensivstation betraten, wurden sie von einer Krankenschwester in einen separaten Raum geführt, wo sie in spezielle Kittel schlüpften. Brian versuchte sich vorzustellen, in welcher Verfassung sie Joan vorfinden würden, doch Joans Anblick stellte seine schlimmsten Vorstellungen weit in den Schatten. In einem Gewirr aus Verbänden, Schläuchen und Monitoren hätte er seine Schwester beinahe nicht wiedererkannt. Langsam, nicht ohne den Blick von Joan abzuwenden, ging Brian durch den Raum zu ihrem Bett und setzte sich auf den Hocker. Mit Tränen in den Augen betrachtete er seine jüngere Schwester, deren leichenblasses Gesicht aus dem dicken, weißen Verband heraussah. Eine lange Schürfwunde, die mittlerweile nicht mehr blutete, zierte die rechte Schläfe bis hinunter zur Wange, ihr gebrochenes Handgelenk war gestützt und in Verbände gehüllt worden. Die inneren Verletzungen waren von außen nicht ersichtlich, aber Brian wusste, dass sie einen erheblich Anteil an dem Zustand seiner Schwester beitrugen.

      Brians Blick glitt zu dem Beatmungsgerät hinüber, das Joans Lungen mit dem lebenswichtigen Sauerstoff versorgten. Sein Herz verengte sich vor Schmerz... und Selbstvorwürfen. Er hatte die Verantwortung für seine Schwester gehabt. Er hatte seinen Eltern versprochen, auf sie Acht zu geben und nun lag sie mit schweren Verletzungen im Krankenhaus und kämpfte um ihr Leben. Brian schloss die tränenverschleierten Augen und ließ den Kopf auf das Laken neben Joans Hand sinken.

      Rachel hatte sich bisher in den hinteren Teil des Zimmers zurückgezogen, doch als sie bemerkte, wie Brians Körper nach einem Moment kaum spürbar zuckte, trat sie zögernd hinter ihn und legte die Hand auf seine rechte Schulter.

      „Warum? Warum ausgerechnet sie?“, fragte er mit brüchiger Stimme.

      „Ich weiß es nicht“, sagte Rachel mit Tränen in den Augen leise. „Aber sie wird es schaffen. Sie ist sehr stark.“

      Brian nickte und legte seine Hand auf die ihre. Die Sorgen, die er sich Joans wegen machte, standen ihm nur allzu deutlich im Gesicht geschrieben. Er hatte furchtbare Angst, seine geliebte Schwester zu verlieren. Sein Ein und Alles - seine Seelenverwandte. Sie war ein Teil von ihm; eine Tatsache, die Rachel am Anfang ihrer Beziehung zu Brian nicht hatte akzeptieren wollen. Doch schon nach kurzer Zeit war ihr klargewesen, warum die beiden Geschwister ein so inniges Verhältnis zueinander hatten. Bereits in ihrer frühesten Kindheit hatten Brian und Joan sich einzig aufeinander und nicht auf ihre selbsternannten Freunde verlassen können, die zumeist nur aus zweierlei Gründen die Nähe der Geschwister suchten: der Ruhm und das Geld, in beides waren die Farleygeschwister hineingeboren worden. Während unzählige New Yorker Jungendliche sie darum beneideten, die einzigen Kinder - und damit Erben - von Matthew Farley, dem angesehenen Geschäftsmann und Gründer der Modekette Farleys, zu sein, sahen Brian und Joan ihr so genanntes Glück eher als unabwendbares Schicksal, dass sie ihr Leben lang begleiten würde.

      Matthew Farley hatte mit einer handvoll Menschen und einem bescheidenen Budget das Modehaus Farleys in New York eröffnet und war seitdem unzähligen Steinen ausgewichen, die ihm zwischen die Füße geworfen wurden. Nun, fast dreißig Jahre später, war Farleys eines der drei größten Modehäuser in Amerika. Mit Filialen in London, Paris, Rom und Madrid waren sie in Europa noch ein Name unter vielen; ein Zustand, den Matthew Farley beabsichtigte in den nächsten Jahren zu ändern.

      Bereits vor Brians Geburt gehörten Matthew und Isabelle Farley zur obersten Gesellschaft New Yorks. Die Anfangsjahre waren schwierig gewesen, da sie beide aus normalen Arbeiterfamilien stammten und sich erst in der High Society zurecht finden mussten, aber im Laufe der Zeit hatten sie sondiert, wer ihre wahren Freunde waren und wer nur hinter ihrem Geld her war. Nicht nur einmal hatte man versucht, Matthew geschäftlich auszuboten, doch er war noch heute mit dabei. Erst kürzlich wurde er von einer Journalisten eines angesehenen Magazins nach dem Grund dafür gefragt und er hatte geantwortet: "Niemand sollte den Ergeiz und das Durchhaltevermögen eines einfachen Arbeiters unterschätzen. Nur wer ein Unternehmen aufgebaut hat, die Höhen und Tiefen kennt, der weiß um die Existenz seines Lebenswerkes wirklich zu kämpfen."

      Isabelle Farley hielt sich bereits seit vielen Jahren offiziell aus den Geschäften ihres Mannes heraus, beriet ihn lediglich im Hintergrund. Sie war es, die für die Presse zuständig war und somit sorgte Isabelle dafür, dass sie sich von Zeit zu Zeit auf einer der allabendlichen Partys oder Komitees sehen ließen, obwohl sie sich zumeist zu Tode langweilten. Ihr Herz gehörte ausschließlich den Benefizveranstaltungen, die die Farleys sehr gern mit ihrem Namen und einer großzügigen Spende vertraten. Dies weckte allgemein den Anschein nach einem äußerst luxuriösen Leben, doch was die wenigsten Menschen wussten, war, dass die Familie selbst eher bescheiden wohnte. Zwar besaßen sie ein Penthause mit Dachterrasse in der Fifth Avenue, das über zwei Etagen bewohnbar war, und ein Wochenendhaus in Brooklyn Heights mit direktem Blick auf den East River, doch die Einrichtungen waren längst nicht so exquisit wie es sich die meisten Leute vorstellten. Seit Jahren versuchten die hartnäckigsten Fotografen beide Domizile von innen ablichten zu können, aber Isabelles lehnte jegliche Anfragen vehement ab. Die Familie führte zwei strikt getrennte Leben und ihr Privatleben ging niemanden etwas an.

      An diesem zurückgezogenen Leben, wie die Zeitungen es nannten, wollte die New Yorker Presse seit jeher teilnehmen. Vor ihrem Penthouse lauerten auch noch nach Jahren täglich Fotografen, deren Blitzlichtgewitter losging, sobald sich jemand von der Familie sehen ließ. Eine zeitlang hatte Matthew darauf bestanden, dass seine Kinder keinen Schritt ohne einen Bodyguard vor die Tür setzten, aber auch darüber gab es bald die wildesten Gerüchte. In den Klatschzeitungen erschienen die langweiligsten Bilder, dennoch erfanden die Journalisten erstaunliche Storys dazu. Unbekannterweise arbeiteten für Isabelle zwei Personen, die sich tagtäglich mit sämtlichen Zeitungen und deren Inhalt bezüglich der Familie Farley beschäftigten und wenn nötig die entsprechenden Leute zur Rechenschaft zogen. Sie waren es auch gewesen, die Isabelle vor einigen Jahren über Brians Drogenskandal unterrichtet hatten, noch ehe die Story gedruckt wurde. Es war lediglich ein getürktes Foto aufgetaucht, das Brian in einer Gruppe Junkies zeigte, und die Journalisten schrieben ihre Storys dazu, doch diese Geschichte war eine zuviel gewesen. Brian entschied sich gegen sein bisheriges Leben und beschloss sein Wirtschaftsstudium in L. A. weiterzuführen. Obwohl er seinen Eltern mit seinem Entschluss das Herz brach, mussten sie zugeben, dass sie ihren Sohn verstanden. Mit seinen zwanzig Jahren galt er als die männliche Partie New Yorks, gutaussehend und hinter seinem Namen verbürgten sich Milliarden.

      Erst in Los Angeles hatte Brian wirklich zu leben begonnen. Es schien, als wäre er aus einem Käfig entflohen. Auf der anderen Seite des Landes kannte ihn niemand, sodass er nicht länger befürchten musste, von Fotografen verfolgt zu werden. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er tun und lassen was er wollte und es gefiel ihm. Nachdem er mit Auszeichnung sein Wirtschaftsstudium beendet hatte, bekam er im Anschluss daran bei Farleys eine Stelle. Für Matthew war seit jeher klar, dass sein Sohn eines Tages sein Lebenswerk übernehmen würde und ob er dies von New York aus oder L. A. tat, war einerlei.

      Ein Jahr nach Brians Umzug an die Westküste lernte er Rachel Maldione bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Los Angeles kennen. Vom ersten Moment an war er von der geborenen Italienerin fasziniert, die sich mit soviel Wärme für andere Menschen einsetzte. An jenem Abend unterhielten sie sich lange und angeregt. In den darauffolgenden Wochen sahen sie sich fast täglich, sie lernten einander kennen und lieben. Diese Liebe verband sie nun seit mehr als drei Jahren.

      „Brian... Schatz?“, drang Rachels Stimme leise zu ihm durch, als er für einige Minuten seinen Erinnerungen nachgehangen hatte.

      „Entschuldige“, sagte er

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