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      Sie stellte die schmutzigen Teller, Tassen und Gläser in die Maschine. Aber sie hatte es ja bisher auch nicht geschafft, ihr Gewicht zu reduzieren. Vielleicht sollte sie es einmal mit der schon seit langem bekannten Faustregel ‚FdH‘ ausprobieren. Es erschien ihr noch am sinnvollsten, einfach kleinere Portionen zu essen, und vielleicht stellte sich dann eine allmähliche Gewichtsreduktion ein.

      Schließlich ging sie in ihr Arbeitszimmer. Sarahs Geschichte wartete darauf, weitererzählt zu werden. Und sie hatte einen schönen langen Abend vor sich.

      ~

      Am nächsten Tag klingelte um viertel nach neun das Telefon. Ella legte gerade Bettwäsche zusammen.

      „Wo bleibst du denn?“, fragte ihre Mutter ungeduldig.

      „Wieso? Ich komme wie immer heute Nachmittag.“

      „Und ich warte seit einer Viertelstunde darauf, dass du mich endlich abholst!“ Sie klang trotzig und verärgert.

      „Wohin willst du denn?“ Ella war ratlos. Hatte sie einen Termin vergessen?

      „Na, in dieses Haus Sonnenschein da.“

      „Hab noch eine Viertelstunde Geduld, ich bin gleich bei dir.“ Sie legte die Wäsche in den Schrank und fuhr zu ihrer Mutter. Dort stellte sich heraus, dass die alte Dame davon ausgegangen war, dass sie jetzt jeden Tag unter der Woche in die Seniorentagesstätte gehen sollte.

      „Aber Mama, du sollst nicht dorthin gehen. Du kannst, wenn du möchtest. Aber du musst es nicht gleich übertreiben. Ich dachte an ein bis zwei Tage die Woche.“

      Hannelore Schmitz schien zu überlegen, dann sagte sie: „Du hast ja eh nie Zeit für mich, da kann ich auch weggehen. Und außer dienstags, wenn meine Friseuse kommt und alle zwei Wochen Tanja zum Putzen, kann ich ja wohl dahin gehen.“

      Ella glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. „Das überrascht mich jetzt, Mama. Aber ich finde es toll, dass es dir dort gefällt.“

      „Naja, ‚gefällt‘ ist übertrieben, aber es ist immer noch besser als jeden Tag allein daheim herumzusitzen.“

      Allerdings musste Ella den Enthusiasmus ihrer Mutter etwas bremsen. „Du kannst nicht einfach von heute auf morgen dahin, so mitten im Monat. Aber am nächsten Mittwoch ist der erste April, ab da kannst du dann die Tagesstätte besuchen.“

      Man sah ihrer Mutter die Enttäuschung deutlich an. Um sie ein wenig zu trösten, ging Ella mittags mit ihr essen. Als sie danach nach Hause fuhr, konnte sie es immer noch nicht fassen: Ihre Mutter würde tatsächlich an vier Tagen die Woche betreut werden. Wenn sie es jetzt noch schaffte, Klaus dazu zu überreden, mittags in der Kantine essen zu gehen, müsste sie nur noch an drei Tagen pro Woche kochen. Das wäre eine enorme Arbeitserleichterung, nicht zu reden von der Zeit, die sie dadurch gewinnen würde.

      Abends beim Essen erzählte sie ihrem Mann von der wundersamen Verwandlung ihrer Mutter. Als sie ihm allerdings vorschlug, in die Kantine des benachbarten Kaufhauses essen zu gehen, brummte er missmutig: „Dort schmeckt das Essen beschissen, du kochst viel besser.“

      „Nun, abgesehen davon, dass ich mich darüber freue, dass dir mein Essen schmeckt: Wie willst du deinen Plan, abends nichts mehr zu essen, umsetzen, wenn ich immer koche?“

      Schließlich ließ er sich widerwillig auf einen Kompromiss ein: Montags und donnerstags würde sie nicht kochen, an den anderen Tagen würden sie abends nur Fleisch oder Fisch mit Salat essen, zumindest mittwochs und freitags, wenn sie nicht für ihre Mutter mitkochte. Die alte Dame mochte kein Fleisch, sie brauchte Kartoffeln oder Nudeln.

      Als sie anschließend die Pfanne und den großen Topf ausspülte, kam Ella sich vor, als habe sie einen wichtigen Sieg errungen. An einem der beiden kochfreien Tage wollte sie das tun, was sie sich schon seit ewigen Zeiten vorgenommen und nie durchgeführt hatte: Sie würde, nachdem sie ihre Mutter abgeliefert hatte, schwimmen gehen und anschließend auf ein spätes Frühstück ins Café, wo sie gemütlich würde schreiben können.

      Kapitel 7

      Donnerstags, an Sarahs erstem Urlaubstag in Schottland, gingen die beiden Frauen auf Entdeckungstour. Erin zeigte Sarah den Ort an sich, sie fuhr sie auch zu dem Rundturm, der als einziges Überbleibsel des früheren Schlosses von Dingwall an einer Straßenecke stand.

      „Man sagt, dass in diesem Schloss um 1005 herum der geschichtlich verbürgte MacBeth geboren wurde. Und es war jahrhundertelang das größte Schloss nördlich von Sterling. Aber dann fiel es 1476 an die englische Krone und verlor an Bedeutung. Es gab unzählige Besitzer über die Jahrhunderte. Im 19. Jahrhundert war es nur noch eine Ruine, weil etliche frühere Schlossherren es hatten verfallen lassen und dann Steine daraus entnahmen, um in Dingwall Häuser zu bauen. Seit 1476 gewann aber Tulloch Castle, das außerhalb von Dingwall steht, immer mehr an Bedeutung. Das zeige ich dir auch noch irgendwann.“

      Sie fuhren weiter bis zum Parkplatz des sogenannten Cromartie Denkmals. „Hier irgendwo wird der frühere ‚Thing-Platz‘ von Dingwall vermutet. Unser Ortsname kommt aus dem skandinavischen Wortschatz. Ein ‚Thing‘ war früher ein Versammlungsplatz.“

      Später bummelten sie durch die Straßen, vorbei an diversen Geschäften, darunter auch an einer Buchhandlung. Sarah blieb vor dem Schaufenster stehen.

      Erin grinste. „Dacht ich mir doch, dass dich das interessiert. Komm, lass uns reingehen. Ich stelle dir die Chefin vor, sie ist Sinèads beste Freundin und wird sich freuen, dich kennenzulernen.“

      Sie betraten die Buchhandlung und nachdem Erin ihre Freundin vorgestellt hatte, fing sie an, mit Ruth zu erzählen. Sarah nutzte die Gelegenheit, um sich bei den Bücherregalen umzusehen, in denen die Historischen Romane standen. Sie hatte bald so viele gefunden, die sie interessiert hätten, dass sie sich schon fragte, wie sie sie alle in ihrem Koffer unterbringen sollte, wenn sie heimflog.

      Schließlich entschied sie sich für drei, die sie alle so reizten, dass sie am liebsten mit dem Lesen von allen zugleich angefangen hätte.

      Als sie an der Kasse bezahlte, rundete Ruth den Preis etwas ab. „Ich freue mich immer, wenn jemand mit offensichtlicher Begeisterung meine Regale mustert.“

      Sarah lächelte. „Ehrlich gesagt, wenn ich all das mitgenommen hätte, was mich hier interessiert, bräuchte ich einen extra Koffer für den Heimflug.“

      Ruth lachte. „Das höre ich gern. Aber es gäbe da auch eine andere Möglichkeit. Du bist ja noch länger hier, soweit ich weiß. Und falls du dich für weitere Bücher entscheidest, kann ich sie dir an deine Adresse in Deutschland schicken. Das ist überhaupt kein Problem. Und weil du Erins Freundin bist, verlange ich dir kein Porto dafür.“

      „Oh…“ Sarah strahlte. „Das ist ein super Angebot. Darauf komme ich auf jeden Fall zurück.“

      Nach einem Fish’n-Chips-Lunch ging Erin mit ihr zur Tourist Info. „Wir halten uns nicht lange dort auf, sonst meinen die noch, ich sei zum Arbeiten da. Aber ich wollte dich vorstellen und dir zeigen, wo ich an zwei Tagen die Woche arbeite. Und vielleicht kannst du dir ja die eine oder andere Broschüre mitnehmen.“

      Auch hier wurde Sarah freundlich begrüßt und Erin sofort mit Fragen überschüttet. „Hör mal, heute Morgen war ein Spanier hier, der wollte …“ Erin signalisierte Sarah fünf Minuten, indem sie fünf Finger hochhob.

      Sarah besah sich die Auslagen. Es gab etliche Broschüren und Landkarten von Dingwall und der ganzen Black Isle, wie die Halbinsel nordwestlich von Inverness genannt wird. Sie nahm sich je eine mit, die konnte sie gut gebrauchen, wenn sie in den folgenden Wochen ohne Erin unterwegs war.

      Sie blätterte durch die Broschüre von Dingwall und erfuhr, dass die Kleinstadt etwa 5400 Einwohner hat, am Cromarty Firth liegt und es dort, als Außenstelle der ‚University of the Islands and Highlands‘ in Inverness, eine Uni für Theologie gibt.

      Bald kam Erin auf Sarah zu und sagte: „Lass uns hier verschwinden, sonst sind wir noch in einer Stunde da.“

      Sie zeigte Sarah den schönen

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