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ihr Vergnügen, sich zu Musik zu bewegen, nur hatte sie in den letzten Jahren kaum Gelegenheit zum Tanzen gehabt. Sie schien unter den Leuten ihres Alters eine Ausnahme zu sein. But when she was dancing she was able to …“

      Ella starrte auf den Bildschirm. Was war das denn? Sie hatte das Kapitel ganz normal auf Deutsch angefangen, und plötzlich auf Englisch weitergeschrieben, und zwar den ganzen Rest bis zum Ende des Kapitels. Das war ihr nicht bewusst gewesen. Sie kannte zwar diese Phasen, in denen ihr ein Teil einer Geschichte nur auf Englisch, nicht auf Deutsch einfiel. Das schrieb sie dann handschriftlich auf und übersetzte es anschließend beim Tippen.

      Aber dass sie, ohne es zu bemerken, ganze Passagen auf Englisch schrieb, war ihr bisher noch nicht passiert. Sie las den Text und stellte fest, dass er ihr gefiel. Irgendwie klang das Ganze besser als auf Deutsch, eleganter eben. Sie druckte den Teil aus und übersetzte ihn auf Deutsch. Dann speicherte sie, ohne darüber nachzudenken, den englischen Teil in einer Extradatei ab und nannte das Ganze ‚Scottish Romance‘.

      Nachts, als Klaus neben ihr laut schnarchte und sie wieder einmal nicht einschlafen konnte, erwischte sie sich bei dem Gedanken, dass sie wahnsinnige Lust darauf hatte, mal wieder einen Text auf Englisch zu übersetzen. Sie hatte bis zwei Jahre zuvor, als sie wegen einer längeren Zahnbehandlung und kurz danach wegen ihrer OP am rechten Sprunggelenk monatelang krankheitsbedingt ausgefallen war, Texte für Firmen und für einen Professor an der Uni übersetzt.

      Sie war immer nur als freie Übersetzerin tätig gewesen und musste sich somit nicht darum sorgen, dass sie nicht arbeiten gehen konnte. In dieser Zeit der Bewegungseinschränkung hatte sie viel geschrieben und dabei festgestellt, dass es das war, was sie wirklich tun wollte. Wenn sie eine Idee hatte, setzte sie sich hin und schrieb einfach drauf los. Und es floss nur so aus ihr heraus, ohne dass sie sich groß anstrengen musste.

      Klaus hatte sich nicht beschwert, dass sie nichts mehr verdiente. Sie hatte sowieso nicht ganztags gearbeitet und somit zumindest durch ihre Übersetzertätigkeit wenig zu ihrem Lebensunterhalt beigetragen. Diese Arbeit hatte ihre Urlaube und ihre Kleidung abgedeckt. Aber sie hatte von ihrem vor Jahren verstorbenen Onkel, der keine Kinder gehabt hatte, seine gesamten Ersparnisse geerbt, und so konnte sie jeden Monat Klaus‘ Gehalt aufstocken, so dass sie sich finanziell so gut wie alles leisten konnten, was sie wollten.

      Allerdings fand ihr Mann es affig und völlig bescheuert, dass sie Romane schrieb, wo es doch tausende und abertausende davon gab. Und nicht etwa Krimis oder Science Fiction, das hätte er noch irgendwie verstanden. Nein, ausgerechnet Liebesromane schrieb sie, dieses kitschige Gesülze, das er sowieso nicht ausstehen konnte.

      Er hatte in seinem Leben noch kein einziges Buch gelesen, außer einigen Comicheften in seiner Jugend, und er verstand überhaupt nicht, warum dieses vermaledeite Schreiben für Ella so wichtig war. Dass es für sie inzwischen wie ein innerer Zwang war, dem sie nicht widerstehen konnte und dies auch nicht wollte, konnte er absolut nicht nachvollziehen.

      Für Ella war Schreiben noch besser als Übersetzen, das sie geliebt hatte. Jetzt stellte sie fest, dass sie es vermisste. Sie drehte sich von einer Seite auf die andere, und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie Sarahs Geschichte im Kopf weiterentwickelt hatte – und zwar wieder auf Englisch. Nach einer Stunde wach herumliegen gab sie es auf, zog ein Paar Socken und eine Jacke an und ging zu ihrem Schreibtisch. Dort holte sie Schmierblätter und schrieb auf, was ihr im Kopf herumspukte. Nach gut einer Stunde hatte sie fast das komplette nächste Kapitel geschrieben. Auf Englisch. Jetzt endlich müde, sank sie ins Bett und schlief sofort ein.

      ~

      Am nächsten Tag fuhr sie ihre Mutter in die Seniorentagesstätte, wo der Leiter ihr einen Antrag auf Pflegestufe mitgab. „Versuchen Sie es einfach. Wahrscheinlich wird die Krankenkasse ihn zunächst ablehnen, aber beim zweiten Versuch könnte es klappen. Schließlich ist Ihre Mutter bewegungsmäßig stark eingeschränkt, sie kann ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen und sie hat beginnende Demenz.“

      Ella fuhr heim und füllte in einem äußerst seltenen Anfall von Pflichtbewusstsein den Antrag gleich aus. Dann brachte sie ihn zur Post. Sie ging den knappen Kilometer sogar zu Fuß, somit hatte sie wenigstens ein bisschen Bewegung. Und dabei entwickelte sie das nächste Romankapitel. Bevor sie es jedoch aufschrieb, zwang sie sich, eine Inhaltsangabe zu verfassen und sie nach mehreren Verbesserungen an ihre Literaturagentin zu mailen. Anstatt danach an ihrem Roman weiterzuarbeiten, übersetzte sie die Inhaltsangabe einfach so aus Lust an der Freud auf Englisch und schickte sie als Mailanhang zu Catriona.

      Am übernächsten Morgen, als sie ihre Mails durchlas, sah sie Catrionas Antwort. Sie war total begeistert. „Das wird eine super schöne Story, und ich kann sie wieder mal nicht lesen. Was für ein Jammer!“

      Beim Badputzen kam Ella der Gedanke, dass sie Catriona die Freude machen und das erste Kapitel übersetzen könnte. Schließlich hatte sie für den aktuellen Roman noch keinen Verlagsvertrag unterschrieben, sie stand also nicht unter Zeitzwang und würde es sich somit leisten können, das Schreiben für eine Weile zu unterbrechen, um zu übersetzen.

      Zwei Tage später existierte das erste Kapitel auf Englisch. Sie überarbeitete es gründlich, fand zu ihrem Ärger etliche Grammatikfehler, die sie gleich ausbesserte, mochte aber ansonsten, was sie übersetzt hatte. Es klang einfach gut, zumindest für ihre Ohren. Dann schickte sie diesen Teil an Catriona. Sie war gespannt, was ihre Freundin dazu sagen würde.

      Kapitel 9

      Sarah saß am Schreibtisch. Sie war seit gut zwei Wochen in Dingwall. Mit Erin war sie am ersten Samstag in Inverness und am Loch Ness gewesen. Sonntags hatten sie einen Flohmarkt in Tain besucht. Dort hatte sie eine Tunika mit Folklorestickerei für wenig Geld erstanden, die sie zum Sommerfest des Trust zu ihrer guten schwarzen Hose anziehen wollte. Passende Ohrringe aus kleinen Bernsteinen hatte sie dabei; sie stammten aus der Schmuckschatulle ihrer Tante.

      Am letzten Wochenende war Erin mit ihr an die Westküste nach Ullapool gefahren, wo sie an dem langen Strand entlangspazierten. Auf dem Rückweg fuhren sie an der Küste entlang über Durness und Brora. Sarah war begeistert von der herrlichen Landschaft.

      Inzwischen war es Freitag. Als Erin ihr erzählt hatte, dass jede Frau zum Sommerfest des Trust etwas zum Essen mitbringen würde, fragte Sarah, ob sie einen deutschen Kartoffelsalat zubereiten solle. Der Vorschlag wurde freudig angenommen. Am nächsten Tag würde das Fest nachmittags um vier anfangen.

      Sie hatte bereits die Kartoffeln abgekocht und sich jetzt wieder ihrer Übersetzung des Immobilienkatalogs zugewandt. Seit Montag saß sie daran. Die Übersetzung an sich war fertig, aber sie wollte sie noch einmal überarbeiten, weil sich oft Flüchtigkeitsfehler in einen Text einschlichen, die sie erst nach mehrmaligem Lesen entdeckte.

      Von den drei Romanen, die sie sich gekauft hatte, hatte sie bisher nur einen gelesen. Sie hatte auch noch keinen Ausflug alleine unternommen, weil sie diesen Übersetzungsauftrag zuerst fertigstellen und an den Kunden schicken wollte.

      Eine Arbeit, die anstand und zu einem bestimmten Termin beendet sein musste, machte sie immer nervös. Sie war noch nicht so versiert im Übersetzen, dass sie Routine darin hatte. Und sie musste sich in jeden Text zuerst einlesen. Der Stil, die Wortwahl, das Nichtgesagte, all dies musste bei der Übersetzung mitschwingen.

      Als sie fertig war, beugte sie sich nach hinten und streckte die Arme hoch. Ihre Schultern waren verspannt. ‚Vielleicht sollte ich ein bisschen rausgehen‘, dachte sie. Es hatte seit Sonntagnachmittag ununterbrochen geregnet, ein leichter Landregen, der irgendwie alles durchdrang. Aber seit einer Stunde hatte es aufgehört.

      Kurz entschlossen schickte sie die Mail mit der Übersetzung und die dazugehörige Rechnung an den Kunden, dann fuhr sie ihren Laptop herunter. Sie hatte es geschafft!

      Es war früher Nachmittag und sie musste raus. Wer weiß, dachte sie, was da ab morgen auf mich zukommt, falls ich diesen Großauftrag vom Trust bekomme. Sie war sich sicher, dass sie keine Probleme haben würde, die Broschüren zu übersetzen. Und sie freute sich darauf, dadurch mehr über Schottlands Geschichte und Kultur zu erfahren.

      Die Frage war nur: Bis wann sollte sie die Übersetzungen fertig haben? Bei fünfzehn

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