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ein, von dem Erin später sagte, dass dieser Schluck gar nicht so klein gewesen sei.

      „Slaintè mhat!“ Es klang wie ‚Slänschi-ma‘.Sie hoben alle ihre Gläser und Sarah roch erst einmal an der dunkelbraunen Flüssigkeit. „Mm, das riecht lecker. Irgendwie nach Mandeln und Zimt.“ Sie sah verunsichert zu Erin und dann zu Duncan Clair, weil sie diese Geschmacksnoten in einem Whisky nicht erwartet hätte.

      Er klatschte in die Hände. „Bravo! Das haben Sie sehr gut erkannt. Ich sehe schon, Sie haben ein Näschen für unseren Whisky!“ Er lächelte erfreut.

      Sarah nahm einen kleinen Schluck und war überrascht, wie samtig der Single Malt ihre Kehle hinunterlief. Sie hatte gedacht, er würde brennen.

      Als sie das sagte, lachte er. „Tja, das liegt daran, dass ich Ihnen ein gutes Tröpfchen eingeschenkt habe. Er durfte sich achtzehn Jahre lang in unseren Fässern entwickeln, und jetzt ist er weich wie ein Kinderpopo!“

      Er trank sein Glas aus und hielt den beiden Frauen die Flasche hin. Aber sie wehrten ab, Erin, weil sie noch Auto fahren musste; Sarah, weil die wenigen Schlucke sie schon ziemlich betütelt hatten. „Er ist sehr lecker, aber ich bin es nicht gewohnt, so viel Alkohol zu trinken.“

      Als Duncan Clair hörte, dass Sarah Englischübersetzerin war, fing er an zu strahlen. „Wären Sie eventuell bereit, für unseren Trust einiges zu übersetzen?“ Sarah nickte zögerlich. Da sagte er: „Wir haben bei unserer letzten Sitzung nämlich beschlossen, dass es sinnvoll wäre, wenigstens ein paar der wichtigsten Broschüren auf Deutsch und Spanisch übersetzen zu lassen. Viele Touristen aus diesen beiden Ländern besuchen unser schönes Land jeden Sommer, und die meisten von ihnen können nicht genug Englisch, um die Erklärungen unserer Stadt- und Schlossführer zu verstehen. Das ist schade, denn hätten sie die Möglichkeit, die wichtigsten Informationen in ihrer Sprache zu bekommen, würden sie die eine oder andere Tour doch buchen, die sie jetzt wegen der Verständigungsprobleme auslassen. Dadurch fehlt uns einiges an Eintrittsgeldern. Und mit Ihnen könnten wir zumindest Deutsch abdecken.“

      Sarah räusperte sich. „Nun, ich bin zwar nur Übersetzerin für Englisch und Französisch, aber mein Vater war Spanier und ich bin zweisprachig aufgewachsen. Deshalb spreche und schreibe ich Spanisch fließend.“

      Duncan Clair starrte sie zunächst an, dann klopfte er sich auf die Schenkel. „Mädchen, Sie schickt ja der Himmel! Das ist großartig! Erin, das hast du gut gemacht, deine Freundin hierherzubringen.“ Er strahlte beide Frauen an.

      „Um wie viele Seiten würde es sich dabei denn handeln?“ fragte Sarah vorsichtig nach.

      „Nun, das kann ich so aus dem Stegreif nicht sagen, aber es wäre schon einiges. Es sind nur die Hauptbroschüren der wichtigsten Sehenswürdigkeiten, aber – naja, ich schätze, zwei- bis dreihundert Seiten sind das schon. Für Deutsch; für Spanisch etwa die Hälfte.“

      Sarah fragte sich, ob der Trust überhaupt das nötige Kleingeld hatte, um sie bezahlen zu können, als er hinzufügte: „Wissen Sie was, begleiten Sie doch Erin am übernächsten Samstag zu unserem Sommerfest des National Trust. Ich lade Sie hiermit herzlich ein! Bis dahin habe ich mich auch erkundigt, welches Volumen dieser Auftrag umfassen würde und bis wann wir das gerne hätten. Und vor allem“ – und hier grinste er – „ob wir überhaupt das Geld haben, um Ihre Dienste bezahlen zu können.“

      Kapitel 8

      Ella bearbeitete ihre E-Mails. Sie kümmerte sich an drei Tagen die Woche darum. Ihr war bewusst, dass andere Autoren dies täglich machten. Viele waren auch in den sozialen Medien unterwegs, aber Ella hatte keine Lust, sich in diesen Portalen zu präsentieren. Manche Autoren schworen darauf, dass sie durch die Präsenz dort wesentlich mehr Chancen hatten, ihre Romane bekannt zu machen, als wenn sie nicht dort vertreten gewesen wären. Aber Ella gehörte einer Generation an, die weder den Willen hatte, ständig über sich zu plaudern noch das Bedürfnis verspürte, irgendwelche Dinge aus ihrem Leben völlig anonymen Menschen anzuvertrauen, die sie nicht einmal kannte und vor allem nicht einschätzen konnte.

      Außerdem würde dies wertvolle Zeit kosten, denn würde sie sich bei einem dieser Portale anmelden, müsste sie mehrmals pro Woche nicht nur etwas Neues über ihre Romane ins Netz stellen, sondern auch noch die Tweets oder Blogs von anderen lesen und kommentieren. Das war ihr zu zeitaufwändig und es interessierte sie nicht im Mindesten.

      Sie löschte ihre Spammails und sah in ihren Posteingangsordner. Eine Mail ihrer Literaturagentin war da; sie bat Ella um eine Inhaltsangabe ihres aktuellen Romans. Da ein mittelgroßer Verlag ihren dritten angenommen hatte, müsse man das Eisen für den vierten Roman schmieden, solange es heiß sei, schrieb sie.

      Ella war sich noch nicht sicher, wie die gesamte Geschichte aussehen würde, aber sie nahm sich vor, darüber nachzudenken und am nächsten Tag eine Inhaltsbeschreibung aufzusetzen.

      Nach drei kurzen Mails von Bekannten öffnete sie die Nachfrage einer Autorenkollegin, ob sie kurz in ihr aktuelles Kapitel reinschauen könne, irgendwie habe sie das Gefühl, sie habe einen logischen Fehler darin, könne ihn aber nicht finden.

      Ella kannte dieses Phänomen. Man wusste genau, dass irgendetwas an dem, was man geschrieben hatte, nicht richtig war, aber man konnte einfach nicht den Finger darauf legen. Sie las das relativ kurze und spannende Kapitel durch, fand die Unstimmigkeit und schrieb der Kollegin zurück.

      Dann riss sie sich vom Computer los, ging einkaufen und zur Bank. Als sie sich einen zweiten Kaffee gemacht hatte, sah sie, dass inzwischen eine Mail von ihrer schottischen Freundin, Catriona, gekommen war. Die beiden schrieben sich in unregelmäßigen Abständen, seit sie sich vor Jahren in einem Urlaub auf Gran Canaria getroffen und sich auf Anhieb super verstanden hatten. Seitdem war Ella einmal in Edinburgh gewesen und hatte Catriona für drei Tage besucht. Den Gegenbesuch in Heidelberg hatte die Schottin im letzten Jahr angetreten.

      Sie arbeitete als Näherin in einem Geschäft, das die diversen Tartanmuster zu Decken, Kilts und anderen Kleidungsstücken verarbeitete und sie dann verkaufte. Nebenher spielte sie am Wochenende in einer kleinen Band Gitarre und sang Lieder, zum Teil auf Englisch, aber auch auf Gälisch, das sie ein bisschen sprechen konnte.

      Einen ständigen Partner hatte sie nicht; sie war seit fünf Jahren geschieden und suchte sich zwischendurch immer mal wieder „einen Kerl fürs leibliche Wohl“, wie sie sagte. „Aber heiraten werde ich nicht mehr. Ich brauche keinen schlecht gelaunten Typen, der seine Abende abwechselnd in der Kneipe und vor der Glotze verbringt und von mir lediglich erwartet, dass ich ihn haushaltsmäßig versorge. Und auf das bisschen schalen Sex ab und zu kann ich auch verzichten. Da bleib ich lieber allein und suche mir ab und zu einen, mit dem ich Spaß haben kann.“

      Ella beneidete Catriona zum Teil, weil sie unabhängig war und tun und lassen konnte, was sie wollte. Da sie in ihrer Ehe mit Klaus seit einiger Zeit alles andere als glücklich war, fand sie den Gedanken reizvoll, sich nur um sich selbst kümmern zu können.

      Andererseits hätte sie nicht den Mut gehabt, sich mit einem Mann, den sie nicht kannte, im Urlaub, für ein Wochenende oder auch nur für eine Nacht auf Sex einzulassen. Sie brauchte Gefühle, das körperliche Verlangen allein reichte ihr nicht.

      Wenn Catriona nicht nähte, sang oder in ihre Yogaklasse ging, lag sie auf ihrer bequemen Couch und las. Am liebsten Liebesgeschichten. „Es ist aber auch zu dumm“, hatte sie ihr im Jahr zuvor bei ihrem Besuch gesagt, „dass du auf Deutsch schreibst. Ich bin mir sicher, deine Romane würden mir gefallen, nach dem, was du mir so von ihnen erzählst.“

      Jetzt fragte sie in ihrer Mail an, woran Ella denn gerade arbeite. Und sie schrieb zurück: von Sarah, Erin und Jamie.

      Prompt kam Catrionas Antwort: „Sarah wird aber nicht auf diesen Jamie hereinfallen, oder?“

      Ella musste lachen. Sie hatte bereits das nächste Kapitel geschrieben. „Nein, wird sie nicht.“

      Nach ihrer Mittagspause, in der sie eine Idee gehabt hatte, wie sie weiterschreiben könnte, setzte sie sich an ihren Laptop und hieb fröhlich in die Tasten. Später machte sie sich einen Kaffee, setzte sich hin und ging zum Anfang des Kapitels zurück, um

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