Скачать книгу

versuchte zu lachen, aber es gelang nur schwach. »Da war dieser Duft nach Grün in der Luft, der das Wort ›fragrance‹ aus der Todesanzeige in mein Bewusstsein lockte, nehme ich an.« Sie räusperte sich: »Also – erstens ist da diese Todesanzeige, die ein seltsames Eigenleben entfaltet hat.« Sie erzählte ihm davon, immer noch ein wenig widerstrebend.

       »Und zweitens liegt etwas in der Persönlichkeit von Lady Gaynesford, das mich bannt, ohne dass ich es erklären könnte.«

       Sie hielt inne.

       »Ich glaube, als ich meine alte Lady vor ihrer vergilbten Pflanze stehen sah, verbanden sich Punkt eins und zwei zu dem spontanen Eindruck, dass in der Absurdität einer großen Blattpflanze, die von jetzt auf gleich ihre grüne Farbe verliert, etwas aufschreit, dass zu dem ruhigen Hauswesen von Greystone Manor in wahrnehmbarer Spannung steht. Was ich dann tat, passierte, ohne dass ich recht eigentlich nachdachte.«

       »Wie unvorsichtig das war, erkennt man leicht daran, dass wir durch die eine Antwort nun eine Fülle neuer Fragen haben – die sich immerhin konkret formulieren lassen. Das ist ein Fortschritt zu dem vagen Gefühl des Unbehagens, dass die Todesanzeige erzeugt hat. Soweit müsstest du ganz zufrieden sein,« sinnierte Leonard.

       »›Zufrieden‹ ist ein seltsames Wort in diesem Zusammenhang,« widersprach Olivia, »das Problem ist, wie man Lady Gaynesford schützen kann!«

       »Das ist im Augenblick ein echtes Problem!« bekannte Richard. »Wir haben in der Verbindung von unserer Analyse und deiner Aussage den Anfangsverdacht auf eine Straftat. Um es juristisch auszudrücken, wir haben den Anfangsverdacht auf einen versuchten Mord mit dem Mordmerkmal der Hinterlist.«

       »Klingt in meinen Ohren ein wenig pompös. Und was sind die Konsequenzen?«

       Richard nickte nachdenklich: »Ja, vielleicht… Nachdem ich jetzt klarer sehe, gebe ich das morgen in aller Frühe an die zuständige Polizeidienststelle in Buckinghamshire weiter; aber man muss kein Hellseher sein, um abzuschätzen, dass es sich den ein oder anderen Tag hinziehen kann, bis der Kollege vor Ort sich der Sache annimmt. Tatsächlich geschehene Verbrechen haben nun mal Vorrang und die Personaldecke der Kriminalpolizei ist beklagenswert dünn.«

       »Verstehe. Bis dein Kollege auftaucht, müsste ich das Wasser auswechseln…«

       »Du kannst Lady Gaynesford anrufen, vom Gift in ihrer Blumenerde erzählen und von deiner Schlussfolgerung, dass ihr jemand nach dem Leben trachtet. Das ist eine echte und einfache Möglichkeit. Wie, glaubst du, wird sie reagieren?«

       »Es wäre das Ende meiner Beziehung zu ihr.«

       »Sehr wahrscheinlich. Die Menschen gehen selten den einfachsten Weg.«

       »Das wäre allerdings auch die Folge, wenn die Polizei mit ihrem Verdacht auftaucht.«

       »Vermutlich, aber wissen kann man es nicht. Die Gefahr erscheint dann so wirklich, dass auch andere Reaktionen möglich sind. Aber, wie gesagt, das Auftauchen meines Kollegen wird meiner Erfahrung nach ein paar Tage dauern. Ich werde versuchen, die Sache dringlich darzustellen, selbstverständlich! Aber erst einmal könntest du in den Apfelbaum sozusagen, um das Wasser auszutauschen und Informationen zu sammeln und ich werde abwechslungshalber unten warten.«

       »Das ist kein Spiel mehr, Richard!«

       »Nein, natürlich nicht. Trotzdem wäre es das Beste, du würdest das Ganze sportlich angehen. Allzu viel emotionales Engagement trübt den klaren Blick.«

       »Hör auf!«

       »Zwei Fragen scheinen mir zwingend,« schaltete Leonard sich ruhig und bestimmt ein. »Die eine ist die nach der Verantwortung. Du bist durch die Verkettung einiger Zufälle einem möglichen Mordanschlag auf die Spur gekommen. Aber verpflichtet dich das, der Sache selbst weiter nachzugehen? Die zweite lautet: Hast du überhaupt realistische Möglichkeiten, etwas Sinnvolles zum Schutz von Lady Gaynesford zu tun? Der Gast, der sich allabendlich ins Schlafzimmer der Hausherrin schleicht… Du kannst dich kaum wirkungsvoller selbst in Verdacht bringen.«

       Eine Weile herrschte Schweigen. Olivia sah Leonard ernst an. Schließlich antwortete sie nachdenklich: »Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass uns die gelben Blätter des Baumfarnes von einem Mordversuch erzählen. Wir kennen das Opfer und ich fühle mich ihm persönlich sehr nahe, auch wenn ich es erst äußerst kurz kenne. Die Polizei erklärt sich für hilfsbereit, aber überarbeitet. Damit bleibe ich die einzige, die umgehend handeln kann, wie immer das konkret aussehen mag. Siehst du das bis hierher auch so?«

       Leonard nickte zögernd. »Vielleicht, wenn auch sehr ungern. Denn wo ein Opfer ist, ist auch ein Täter und wir müssen unterstellen, dass er weitere Versuche unternimmt. Wenn du nun Lady Gaynesford zu schützen versuchst, musst du ihm unweigerlich in die Quere kommen und damit beginnt die Affäre auch für dich gefährlich zu werden – als Opfer oder als Täter, wenn der eigentliche Täter es geschickt anstellt. Ich wiederhole mich gerade, aber es mir sehr ernst.«

       »Vielleicht kann ich mich ausreichend tarnen. Immerhin habe ich den Auftrag für ›Arts and Artists‹.«

       »Dieser Auftrag ist Gold wert,« behauptete Richard sofort, »weil er deine Rückkehr nach Greystone Manor fast so selbstverständlich erscheinen lässt, wie das regelmäßige Auftauchen des Postboten. Du müsstest zu erreichen versuchen, umgehend einige Tage dort zu wohnen. So haben wir eine Chance, trotz Personalmangel schneller zu sein. In dieser Zeit wäre meine Bitte an dich, alle Personen, die sich auf dem Gelände bewegen, aufzulisten, am besten auch den Milchmann und die Putzfrau. Schau ihnen bei ihrer Arbeit zu und stelle die Möglichkeiten fest, die sich daraus für ihre Bewegungsfreiheit auf dem Grund und im Haus ergeben. Finde so viel wie möglich über die Beziehungen aller Personen untereinander heraus. Wenn handfeste Fakten auftauchen, rutscht der Fall auf der Prioritätenliste nach vorn. Normalerweise bleiben Täter am Ball, wenn sie erst einmal entschlossen sind. Die Aussichten, dass wir sie oder ihn auf diese Weise in den Blick bekommen, stehen recht gut.«

       »Und noch eins,« sprach Richard nach kurzem Innehalten weiter, »Täter halten erfahrungsgemäß an der einmal gewählten Mordmethode fest. Und natürlich wollen sie nicht entdeckt werden. Nach den sparsamen Fakten zu urteilen, hofft unsere Frau oder unser Mann, Lady Gaynesfords Ableben als natürliches Ereignis erscheinen zu lassen. Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Es erscheint mir äußerst unwahrscheinlich, dass sich das Gift im allgemeinen Essen oder den allgemein ausgeschenkten Getränken befindet, weil es dann mehr Menschen treffen könnte und der Mordfall offenkundig würde. Also bist du so lange leidlich sicher, Olivia, als du nur isst, was alle essen, und nur trinkst, was aus einem Gefäß allen Anwesenden eingeschenkt wird. Darüber hinaus solltest du dich an Leitungswasser und selbstmitgebrachte Schokolade oder ähnliches als eiserne Reserve halten.«

       Richards sachlicher Zuspruch vergrößerte vor Olivias Augen eher das Bewusstsein für die Gefahr, die die merkwürdige Situation im Hause der Lady Gaynesford mit sich bringen würde, als dass er sie beruhigte. Mit einem physisch spürbaren Druck auf Schultern und Nacken stand sie auf und ging zur Terrassentür hinüber. Den Mond konnte sie nicht sehen, wohl aber goss sein fahles Licht einen grauen Schleier über ihren Garten und die Schatten der Buchsbaumhecken lagen schwarz in der Nacht. Sie sah den über den Himmel rasenden Wolkenfetzen zu, deren scheinbar absolute Freiheit sie schon als Kind gemocht hatte. So stand sie eine lange Weile, manchmal drangen die Stimmen von Leonard oder Richard an ihr Ohr, aber sie achtete nicht darauf. Schließlich straffte sich ihre Gestalt und schien es den fliegenden Wolken gleichzutun, indem sie sich in einem fast schwerelosen Wirbel anderthalbmal um sich selbst drehte. Ihr weiter Rock brachte die großen Zimmerpflanzen zum Rauschen. Leise schalkhaft deutete sie eine Verbeugung vor den Freunden an: »Bringt mich zur Stell’, und gibt es so das Glück, so spiel ich eine Roll’ in ihrem Stück.«

       Sie setzte sich wieder zu den anderen, trotz der späten Stunde tatendurstig und heiter. »Ich werde es machen. Morgen rufe ich in Greystone Manor an und wenn Lady Gaynesford noch lebt,« sie holte kurz Luft, »werde ich spätestens am Nachmittag dort sein – aber, Richard, ich lasse mich auf dieses seltsame Abenteuer nicht ein, um einen Mörder zu finden, sondern um irgendeine Person X daran zu hindern, einer zu werden; das ausersehene Opfer zu retten, ist der todernste Sinn. Dadurch, dass ich den ganzen Tag im Haus sein werde, bedeute ich eine neue Schwierigkeit für die betreffende Person,

Скачать книгу