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lachte: „Ich habe auch Hunger!“

      12

      Für das Polizeikommissariat 21 war der Fall mit dem unbekannten U-Bahn-Toten nach der Weitergabe an die Kriminalpolizei eigentlich abgeschlossen, aber Clara ließ der brutale Tod des alten Mannes nach dieser seltsamen „Entführung“ keine Ruhe.

      „Irgendjemand müsste den angeblichen Sohn doch beschreiben können oder beobachtet haben, wo er mit dem alten Herrn hingegangen ist“, äußerte sie sich bei einer Team-Besprechung über die Alltagsfälle.

      Sofort wurde der Revierleiter hellhörig. „Haltet euch da raus, das ist jetzt Aufgabe des K2. Wir haben unsere Schuldigkeit getan!“

      Aber Clara bekam unerwartete Schützenhilfe von Frederike Melters, einer jungen, sehr engagierten Kollegin. „Würde von Heesen Senior mit jedem Unbekannten mitgehen? Ich dachte demente Menschen hassen Veränderung und fremde Leute. Spricht das nicht eher für einen Verwandten oder Bekannten, der ihn abgeholt hat?“

      Tom mischte sich ein: „Wer sagt denn, dass das von Heesen Senior war? Das kennt man doch: Der Vater oder die Mutter sind tot, aber die Familie kassiert fleißig weiter Bezüge und bei einer Kontrolle sucht man sich einen Obdachlosen oder Schauspieler, der pleite ist, der die Rolle des Verstorbenen mimt. Das im Altersheim war gar nicht der Vater von Gunther von Heesen, der ist schon lange irgendwo verscharrt, aber so konnte man ihn jetzt offiziell verschwinden lassen!“ Beifall heischend schaute Tom in die Runde. Ein paar Kollegen nickten, die meisten schüttelten den Kopf über diese haarsträubende Hypothese.

      Bernd Holzer, Polizeihauptkommissar, fragte: „Und wer ist dann der Tote?“

      „Irgendein armes Schwein, das sich einen Hunderter und ein paar Tage in einem warmen Quartier verdienen wollte! Vielleicht wollte er plötzlich mehr oder wusste zu viel und musste verschwinden!“ Tom sah sich triumphierend um.

      „Dann müsste es ja eine Vermisstenanzeige geben!“

      „Nicht bei einem, der auf der Straße lebt und umherzieht.“

      „Schluss jetzt! Darüber kann sich die Kripo den Kopf zerbrechen, wir haben anderes zu tun! In drei Wochen ist das Vergleichsschießen der Hamburger Polizei, da brauche ich noch zwei Freiwillige, die sich für das Mannschaftsschießen melden. Hannes und Clara sind schon auf der Liste. Bernd, wie wär's mit dir?“

      „Nee, lass mal! Soll jetzt mal der Nachwuchs an den Start gehen!“

      „Ihr werdet auch zwei Stunden pro Woche für zusätzliches Schießtraining freigestellt.“

      „Dann meld ich mich, wenn sonst keiner den Mumm hat, gegen die anderen Reviere anzutreten!“, meldete sich Tom forsch zu Wort.

      Clara zog ein Gesicht: „Eigentlich wollten wir nicht den letzten Platz machen!“

      „Das war nicht nett von dir!“, beschwerte sich ihr junger Kollege. Die anderen lachten.

      Der Chef ergriff wieder das Wort: „Überlegt es euch! So, schönen Feierabend für die Nachtschicht, der Rest an die Arbeit! Wanki, wo ist der Dienstplanentwurf für den nächsten Monat?“ Herbert Wankmüller verließ rasch den Raum, während die Kollegen sich nach Hause oder an die Schreibtische begaben. Als Revierleiter Jost Kleves an der Empfangstheke vorbeikam und erneut nachhaken wollte, führte Herbert ein hitziges Scheingespräch am Telefon, bis der Vorgesetzte mit einem missbilligenden Gesicht in sein Büro verschwand.

      Freddy, wie man Frederike im PK 21 meist nannte, lachte Herbert zu: „Du glaubst doch nicht, dass Jost dir das Telefonat gerade abgenommen hat!“

      Wanki grinste verschmitzt: „Nö, aber jetzt hab ich noch ‘ne Stunde, bis er wieder nachfragt. Bis dahin bin ich vielleicht durch, wenn ich nicht dauernd gestört werde.“

      Clara wandte sich an Tom: „Komm, wir fahren Streife!“

      Freddy stichelte: „Nicht zufällig rund um die HafenCity?“

      „Was schadet’s? Ihr könntet auf euren Runden auch mal bei den Nichtsesshaften nachfragen, ob sie jemanden vermissen. Das sind wir ihnen schuldig, dass man einen von ihnen nicht einfach so verschwinden lässt und keinen kümmert’s!“

      „Wo sie recht hat, hat sie recht!“, stimmte Wankmüller zu.

      Freddy drehte sich zu Bernd: „Warum willst du nicht für uns schießen? Dann müssten wir nur noch dich überreden, Michaela, und hätten ein Spitzen-Team!“

      „Meld dich doch selbst! Übst jetzt noch drei Wochen, dann profitiere ich auch davon!“, konterte Bernd.

      „Hä?“

      „Eine Partnerin, auf deren Treffsicherheit ich mich im Notfall verlassen kann! Das sollte eigentlich der Zweck dieser Wettkämpfe sein, den Ehrgeiz etwas zu wecken und euch Jungspunde mehr zum Training zu bringen!“

      „Ja, Papa!“ Freddy zog einen Schmollmund.

      Michaela mischte sich ein: „Wie wär’s, wenn wir eine Damenmannschaft melden: Clara, Frederike, Silvia und ich?“

      Wanki, der über dem Dienstplan brütete, kommentierte: „Dann seid ihr außer Konkurrenz und bekommt automatisch einen ersten Platz, geniale Idee!“

      „Und wir heben den Ruf des PK 21“, ergänzte Michaela, „mit vier starken Frauen!“

      Freddy bremste: „Ich habe noch nicht zugesagt!“

      „Ach komm, Freddy! Ich trainiere euch!“, bot Bernd an.

      „Ich überleg’s mir! – Aber nur wegen der Freistellungen!“, schob Frederike nach.

      Wenn sie gerade keinen Einsatz fuhr, sah Clara Schütt bis zwei Wochen zurück in die Meldungen der Vermisstenstelle, aber von den vielen Abgängigen in Hamburg kam keiner in Frage, von Heesen Senior zu doubeln, der ein langer, dürrer Hanseat war nach dem Foto, das die Polizistin beim Suchaufruf gesehen hatte. Natürlich konnte die Person in der Residenz auch von überall sein, vielleicht sogar nach dem Aufenthalt wieder in sein Leben zurückgekehrt sein. Vielleicht hatten das Verschwinden des alten Herrn und der Tote in der U-Bahn auch gar nichts miteinander zu tun und eine andere Person, vielleicht ein Illegaler, fand den Tod auf den U-Bahn-Gleisen.

      13

      Nach der Mittagspause fanden die Kommissare einen Ausdruck vom Labor in ihrer Ablage, der bestätigte, dass es sich bei dem U-Bahn-Toten um einen Verwandten ersten Grades zur Speichelprobe von Gunther von Heesen handelte. Der Vermisstenfall von Heesen war damit jetzt endgültig ihr Kriminalfall, um zu klären, ob es Fremdverschulden war.

      Am späten Nachmittag überbrachten die beiden Kriminalbeamten die traurige Nachricht dem Ehepaar von Heesen. Mirja von Heesen sank in sich zusammen: „Das kann doch nicht sein!“ Sie zog ein Papiertaschentuch aus der Packung vor sich auf dem Couchtisch und wischte sich immer wieder über die Augen. Die Ermittler beobachteten beide von Heesens, aber entdeckten keine ungewöhnlichen Reaktionen. Gunther von Heesen war stehen geblieben, aber er sah so geschockt und hilflos aus, dass er ein wirklich guter Schauspieler sein müsste, um diese Mischung so perfekt vorzuspielen.

      Es herrschte kurzes Schweigen, dann hörten die Beamten wie im Selbstgespräch halblaut: „Wie ist Vater denn dort hingekommen? Wer war der Mann, der ihn aus der Residenz abgeholt hat? Warum?“

      Das waren genau die Fragen, die die Kriminalpolizei klären wollte.

      14

      Clara und Tom fuhren zum St. Anna-Stift. Die Polizeibeamtin ließ sich nicht leicht von ihren Vorhaben abbringen. Zuerst näherten sich die beiden Beamten der korpulenten älteren Dame am Empfang und wiesen sich aus.

      Gleich anschließend stellte Clara ihre Fragen wie ein Maschinengewehr: „Waren Sie auch hier, als Herr von Heesen gebracht wurde? Können Sie sich erinnern, wer ihn begleitete? Mann oder Frau? Welchen Eindruck machte der Senior? Haben Sie ihn während seines Aufenthalts hier mal vorbeikommen sehen oder gesprochen? Hatten Sie auch Dienst, als

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