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sich während der Wartezeit um. Ein Mischmasch aus Möbelstilen, wahrscheinlich von verschiedenen Verwandten oder Freunden geerbt oder Second-Hand gekauft, aber praktisch eingerichtet und trotz dreier kleiner Kinder sehr ordentlich. Sie nutzte die Ruhe, um der Zentrale zu melden, dass sie Frau Matthies ins Krankenhaus fahren würden.

      „Verstanden, aber dann macht Schluss. Johann und Michaela übernehmen den Lokführer!“

      „Ja, ist ja gut! Peter 21-2, Ende!“ Clara ärgerte sich. Mal etwas Ungewöhnliches statt der üblichen Alltagseinsätze und dann sollte sie heimgehen!

      Die Jungen kamen in die Wohnung gelaufen. „Sabine kommt gleich!“, berichtete der Größere. „Können wir Papa auch besuchen?“

      „Natürlich, aber erst später. Er muss jetzt schlafen, damit er schnell wieder gesund wird“, behauptete die Polizeibeamtin.

      „Habt ihr denn schon was gefrühstückt?“, fragte eine fröhliche Stimme, die zu einer molligen Blondine in den Zwanzigern gehörte, die vom Flur ins Zimmer trat. „Tschuldigung. Sabine Bosch, ich wohne im Nachbarblock.“

      „Guten Morgen, Frau Bosch! Nett, dass Sie bei den Kindern bleiben. Müssen Sie nachher zur Arbeit oder haben Sie irgendwelche Termine?“

      „Nö, kein Problem! Ich warte einfach hier oder hinten auf dem Spielplatz, bis Kirsten zurück ist. Was ist denn passiert?“

      „Wir haben Herrn Matthies ohnmächtig aus dem Zug geholt. Er wird noch untersucht.“ Clara warf ihrem jungen Kollegen einen lobenden Blick zu, dass er ausnahmsweise nicht so offenherzig über die Umstände gequatscht hatte. Vielleicht trugen ihre Vorwürfe ja doch Früchte!

      Als Kirsten Matthies mit einer kleinen Reisetasche erschien, begann der Dreijährige unvermittelt zu weinen, aber er ließ sich widerstandslos von Sabine Bosch hochnehmen und in die Küche tragen. Rasch verließen die drei anderen Erwachsenen die Wohnung und stiegen die Treppen runter. Das Polizeiauto vor dem Mietblock hatte Neugierige an die Fenster und vor das Haus gelockt. Carla wollte üblen Gerüchten vorbeugen und bot Frau Matthies den Platz vorne an, setzte sich selbst hinter Tom auf die Rückbank. Tom, der sonst immer sehr gesprächig war und Carla oft sogar nervte mit seinen ständigen flotten Sprüchen, war heute Morgen fast stumm. Fast 50 Minuten hatten sie hier verbracht, jetzt noch ins Krankenhaus – Tom wollte endlich nach Hause und warf Carla einen vorwurfsvollen Blick im Rückspiegel zu, bevor er den Wagen startete.

      4

      An der Asklepios Klinik Altona angelangt, geleiteten sie Frau Matthies zur Notaufnahme, wo Tom die Ehefrau des Lokführers der Oberschwester Thea vorstellte.

      Die Polizistin klopfte inzwischen am Arztzimmer. „Hey, Susanne, wie geht es Herrn Matthies. Kann ich ihn kurz sprechen?“

      „Er ist wieder ansprechbar. Im Röntgenbild vom Schädel sah man nichts, auch sonst scheint er keine Verletzungen zu haben, vielleicht eine Commotio. Wir behalten ihn 24 Stunden hier.“

      „Kann er sich an den Zusammenstoß erinnern?“

      „Das frag ihn besser selbst. Ich habe nur überprüft, dass er zu Person, Raum und Zeit orientiert ist, dann hatte ich einen anderen Notfall.“

      „Danke, Suse! Wo liegt er?“

      „In der 3!“

      Als Clara die Tür zum Untersuchungsraum 3 öffnete, fand sie die Notfallliege leer vor. War er geflüchtet? „Wo ist Herr Matthies?“, erkundigte sie sich bei einer Ambulanzschwester.

      „Auf Station 2.“

      Im Gang stieß sie auf Tom, der sie ungeduldig fragte: „Können wir endlich? Du kannst ja von mir aus bis zu unserer Nachtschicht durchmachen, ich brauche meinen Schönheitsschlaf!“

      „Ist ja gut! - Wo ist Frau Matthies?“

      „Bei ihrem Mann!“

      „Ich wollte ihn ja nur fragen, ob er was gesehen hat.“

      „Er kann sich eh an nichts erinnern. Völliger Blackout vom Verlassen des Depots bis er hier wieder aufwachte.“

      Überrascht sah Clara ihren Partner an. „Das hat er dir erzählt?“

      „Nee, aber Thea! Du weißt doch: Thea sieht alles, hört alles, weiß alles!“

      Clara knuffte Tom freundlich. „Nur kein Neid!“

      10 vor 9 stellte Tom den blau-weißen VW-Kombi vor dem Polizeikommissariat ab und griff nach den leeren Kaffeebechern, um sich erneuten Ärger mit der Tagschicht wegen seines laxen Umgangs mit Müll zu ersparen. Er übergab den Wagenschlüssel seiner Partnerin und verschwand direkt in den Umkleideraum, während Clara sich am Pult des Einsatzleiters zurückmeldete.

      „Was Neues aus der Klinik?“, fragte der Beamte.

      „Der Lokführer scheint unverletzt, eventuell eine Gehirnerschütterung. Er hat laut Tom nichts gesehen, aber hakt da nochmals nach!“

      „Schönen Feierabend! Schlaf schneller!“, verabschiedete der Einsatzleiter Clara grinsend.

      Während Tom schon fesch angezogen zum Ausgang ging und ihr kurz zuwinkte, trat Clara zu Johann und Michaela. „Habt ihr schon was über das U-Bahn-Opfer?“

      „Frau Doktor Jansen meldet sich, wenn sie mehr weiß. Die gesammelten Zeugenaussagen und Aufzeichnungen der Überwachungskameras hat die Kripo. Wir sind da eigentlich raus!“

      „Ruhigen Dienst!“, verabschiedete sich Clara enttäuscht.

      5

      Die beiden Kriminalbeamten, Kriminaloberkommissarin Petra Kühn und Kriminalhauptkommissar Jürgen Schult, die morgens vor Ort gewesen waren, lasen die Protokolle, aber niemand schien eine Person an der Bahnsteigkante oder gar auf den Gleisen bemerkt zu haben. Auch auf den verschiedenen Kameras entdeckten sie keinen Menschen, der sich in den circa 10 Minuten vor dem Not-Stopp dem Unglücksort genähert hatte.

      Die erste Information kam telefonisch aus dem Labor der Pathologie: „XY! Es handelt sich bei eurem Bahn-Opfer um einen Mann, der zum Unfallzeitpunkt noch gelebt hat. Die weitere chemische Analyse dauert noch. Wir geben Bescheid!“

      Wie oder wo war der Mann auf die Gleise gelangt?

      Ein Anruf bei der Vermisstenstelle: „Schickt uns alle eingehenden Vermisstenanzeigen zu Männern seit … sagen wir gestern 18 Uhr! Danke!“

      Nach telefonischer Nachfrage, ob der Zugführer vernehmungsfähig sei, machten sich Kühn und Schult auf den Weg zur Altonaer Asklepios Klinik. Am Empfangstresen erkundigten sie sich nach der Zimmernummer von Jens Matthies und klopften wenige Minuten später auf Station 2 kurz an die Tür von Zimmer 217, bevor sie eintraten. „Kriminaloberkommissarin Petra Kühn und Kriminalhauptkommissar Jürgen Schult!“, stellte die Kriminalbeamtin sich und ihren Kollegen vor. Beide hielten für wenige Sekunden ihre Dienstausweise hoch. „Es tut uns leid mit dem Zwischenfall. Fühlen Sie sich in der Lage, uns ein paar Fragen zu beantworten?“

      „Es geht … schon besser, ich weiß wieder… wie ich Haltestelle HafenCity eingefahren bin, aber ich … habe nichts vorher bemerkt.“ Der Patient sprach hastig, verhaspelte sich.

      „Frau Matthies, können wir Ihren Mann bitte allein sprechen? Es dauert nicht lange.“

      Zögernd stand Kirsten Matthies auf und sah ihren im Bett liegenden Mann an: „Ich warte draußen.“ Kaum schloss sie die Tür hinter sich, als die beiden Beamten sich je einen Stuhl rechts und links vom Bett heranzogen und sich darauf niederließen.

      Nun ergriff Schütt die Initiative: „Erzählen Sie mal den Ablauf seit Sie im Depot angelangt sind. Was tun Sie, bevor Sie abfahren? Wer weist Ihnen die Bahn zu?“

      Während der Schilderung seiner üblichen Routine bei Dienstantritt wurde Matthies’ Stimme fester. Es wurde deutlich, dass alles wie immer ablief - bis zum Stopp HafenCity Universität. „Beim Einfahren in den Bahnsteigbereich habe ich gewohnheitsmäßig auf die Wartenden geschaut, da

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