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noch das geringste Problem. Er seufzte.

      Es klopfte an der Tür.

      „Herein“, rief er unwillig.

      Joe steckte den Kopf durch die Tür.

      „Darf ich?“

      Flynn brummte und lehnte sich im Bürosessel zurück.

      Erschrocken schaute sie ihn an.

      „Was ist los, Flynn, du bist ja ganz bleich. Hast du eine schlechte Nachricht bekommen?“

      Er seufzte erneut und zuckte mit den Achseln.

      „Wenn es nur eine wäre ...“

      „Oh“, sagte Joe und ließ sich ihm gegenüber auf dem Stuhl nieder.

      „Willst du darüber reden?“

      Er zögerte. Irgendwann würde er es ihnen ja doch sagen müssen. Irgendwann ...

      „Versprich mir, dass du es für dich behältst, Joe. Niemand soll es erfahren. Besonders Tess nicht!“

      Joe nickte beklommen.

      „Ich verspreche es“, sagte sie und schaute ihn erwartungsvoll und zugleich ängstlich an.

      „Erinnerst du dich an die Überschwemmung?“

      „Im letzten Jahr? Klar, warum? Jetzt ist doch alles wieder aufgebaut -“

      „Sicher, aber ich musste einen Kredit aufnehmen, bis die Versicherung zahlt.“

      „Ach so“, sagte Joe. Es hörte sich fast erleichtert an. „Aber lange kann es doch jetzt nicht mehr dauern, bis die Versicherung zahlt, oder?“

      Er blickte ihr direkt in die Augen.

      „Sie wird nicht zahlen -“

      „Was“, brauste Joe auf und schnellte nach vorne, „erzähl keinen Unfug. Ich habe den Experten doch gesehen. Der hat doch lange genug hier überall herumgeschnüffelt, oder?“

      „Ja, und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Wer sucht, der findet ...“

      Verständnislos sah Joe ihn an und eine ihrer dunklen Brauen schnellte in die Höhe.

      „Laut dem Experten waren die Behausungen, wie er sie nannte, zu labil gebaut. Aus diesem Grund lehnt die Versicherung es ab, mich zu entschädigen.“ Vor dem Unwetter hatten sie nur wenige Bungalows und Mobilheime, sondern fast ausschließlich verbesserte Strohhütten, die nicht versichert gewesen waren.

      Jetzt war es Joe, die bleich wurde.

      „Das heißt, dass du den Kredit jetzt auf dem Hals hast!“, schlussfolgerte sie, dann blieb sie stumm sitzen und dachte nach.

      Flynn räusperte sich und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Jetzt, da es ausgesprochen war, gewann es an Wahrheitsgehalt. Es wurde real, grausam real!

      „Und du hast keine Möglichkeit, die Entscheidung vor Gericht anzufechten?“

      „Schon. Aber zum einen würde es Jahre dauern und so lange haben wir nicht mehr, und zum anderen sind die Erfolgsaussichten sehr gering, denn die Versicherung kann sich gute Anwälte leisten und die Verträge sind so ausgeklügelt, dass der Versicherte keine Chance hat.“ Joe sackte in sich zusammen. „Du verstehst also, dass die Situation aussichtslos ist. Normalerweise gewinnen wir in einer Saison gerade genug, um das Unternehmen am Leben zu halten. Der Kredit wird uns aber ruinieren.“

      „Und wenn du einen zweiten Kredit aufnimmst? Oder ein Regelinsolvenzverfahren beantragst?“

      Flynn nickte.

      „Ja, das werde ich wohl tun müssen. Es wird aber der Anfang vom Ende sein, Joe. Ich werde entlassen müssen, was heißt, dass ich bestimmte Dienste nicht mehr anbiete, was wiederum heißt, dass weniger in die Kasse kommt, ... soll ich weiterreden?“

      Joe schüttelte den Kopf.

      „Ein Teufelskreis!“

      „Ja, genau, ein Teufelskreis.“

      Stille legte sich über den Raum, als ob die Zeit stehengeblieben wäre.

      Plötzlich schob Joe den Stuhl zurück und sprang energisch auf. „Das werden wie ja sehen“, rief sie inbrünstig und ging zur Tür.

      „Joe, was machst du?“ Erschrocken blickte er das Mädchen an. Er kannte sie seit Kindertagen und wusste, dass sie nicht unbedingt immer die besten Ideen hatte, „mach keinen Unsinn, okay?“

      „Nein, keine Sorge Flynn. Fasse Mut und schmeiß den Laden, wie es sich gehört. Wir haben unser letztes Wort noch nicht gesprochen, das verspreche ich dir!“

      Mit diesen Worten verließ sie den Raum.

      „Joe!“, rief Flynn, und das Mädchen steckte erneut den Kopf durch die Tür.

      „Kein Wort zu -“

      „Keines!“ sagte sie und strich sich mit Daumen und Zeigefinger über den Mund, eine Geste, die den Verschluss ihres Mundes darstellen sollte. Dann war sie verschwunden.

      Flynn lächelte. Tatsächlich fasste er neuen Mut. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung? Mit der Faust schlug er auf den Tisch und stand auf. War er zu einem Jammerlappen geworden? Ließ er sich so schnell unterkriegen? Verdammt, nein! Er würde kämpfen. Für sein Erbe, für seine Mitarbeiter, für das einzige in seinem Leben, das ihm jemals gelungen war.

      *

      Kapitel 7 – Lia - Begegnung

      Die freie Zeit wollte Lia nutzen, um Einkäufe zu tätigen und vor allem, um das Zimmer, das sie mit Joe teilte zu putzen. In so einem Wust würde sie es nicht lange aushalten. Tess hatte ihr gezeigt, wo sie Putzutensilien finden könnte, nämlich bei der Gouvernante, eine kleine gedrungene Frau um die fünfzig, die ein sehr liebes Gesicht hatte. Ein bisschen sah sie der Wahrsagerin vom Markt ähnlich.

      „Hallo, Kleine“, begrüßte die Frau sie mit einem starken Akzent. Also doch, dachte Lia, es war der gleiche, den die Verkäuferin gehabt hatte.

      „Du frische Laken wollen?“

      „Ja, bitte, Frau -“

      „Sagen Pesha, ja?“

      Lia nickte freundlich. „Ich möchte auch das Zimmer mal putzen.“

      Pesha nickte und holte mit geübten Hangriffen einen Stapel Leinenbettzeug und Putzutensilien hervor.

      „Du Neue aus Deutschland!“ Lia bejahte. Neuigkeiten sprachen sich hier wohl schnell herum.

      „Du mit kleine Pest zusammen?“, raunte die Frau und beugte sich zu Lia vor.

      Lia lächelte verlegen. Durfte sie sich der Gouvernante anvertrauen? Doch instinktiv sah sie davon ab, denn sie war sich sicher, dass Putzfrauen unter sich viel tratschten.

      „Mit Joe, ja“, sagte Lia stattdessen und räusperte sich.

      „Du nicht erste und nicht letzte sein. Ekelt alle raus. Doch du müssen bleiben, ja? Nicht gefallen lassen.“

      „Och“, wich Lia aus, „ich gehe meinen Weg, sie geht den ihren. Das ist schon in Ordnung...“

      „Ja, das gut. Denn kleine Pest ist gefährlich für junges Ding. Macht schlechte Sachen. Nicht gut -“ Die Fürsorge der Frau schien unverstellt, was Lia berührte. Viel Aufrichtigkeit war ihr seit ihrer Ankunft noch nicht entgegengebracht worden.

      „Ja, keine Sorge.“

      Die Gouvernante brummte zufrieden, legte ihr die frische Wäsche über den linken Arm und hielt ihr einen Eimer, einen Besen und einen Schrubber entgegen. Im Eimer befanden sich Reinigungsmittel und Lappen.

      „Danke“, sagte Lia und wollte sich abwenden. Pesha legte ihre Hand auf Lias Arm.

      „Gutes Mädchen!

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