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gab den Blick auf die Knochen des immer noch stehenden Kadavers frei. In dem Moment, als die letzten Überreste auseinander zu brechen drohten, blickte das Einhorn auf und Koperian tief in die Augen. Der Elf erschrak bis ins Mark: Die Augen dieses Tieres glichen dem des Rehes, welches ihnen im Wald begegnet war. Eine Stimme drang in Koperians Geist ein und wiederholte erst flüsternd, dann schreiend und kreischend die Worte:

      „Es manoha es gestehnet! Es manoha es gestehnet! Es manoha es gestehnet!..."

      Schweißgebadet erwachte der Elf. Benommen sah er sich um und erblickte Indo, der gerade versuchte ihm etwas heiße Suppe einzuflößen. Koperian verschluckte sich.

      „Was ist geschehen?" keuchte er, als er wieder Luft bekam.

      „Drei Tage lang hast du gelegen

      und in Fieberwahn geredet“, erklärte Indo.

      „Doch jetzt sind deine Wunden zu

      und du hast vom Fieber ruh.“

      Die kleine Feenprinzessin flog auf die Brust von Koperian und sah ihm mitleidig ins Gesicht:

      „Guten Tag Koperian. Wie fühlst Du dich?"

      „Wie viel zu heiß gebadet", erklärte der Elf mit einem schwachen Lächeln.

      Der Druide schlief noch den ganzen Tag und die nächste Nacht. Diesmal war es ein heilender und erholsamer Schlaf.

      Am nächsten Morgen berieten die drei Gefährten, was zu tun sei. Koperian reinigte an diesem Tag seine zerrissene Kleidung und besserte sie mit neuen Lederstücken aus. Leder hatte er dafür genügend im Lager. Indo suchte Fackeln und Lampen zusammen. Sie wollten zwar keinen Ausflug mehr unternehmen, der bis in die Nacht dauern konnte, aber der kleine Gambur wollte sicher gehen, dass sie genug Licht für den Notfall dabei hatten. Endlich waren sie soweit. Koperian, Indo und die kleine Fee brachen auf, um die Einhörner zu suchen.

      Seinen beunruhigenden Fiebertraum behielt der Druide für sich.

      2.) Hoob der Einsiedler

      Mit den ersten Sonnenstrahlen verließen sie die Höhle.

      Der Wald hatte sich seit ihrem nächtlichen Abenteuer nicht viel verändert. Koperian schlug seinen gewohnten Pfad ein, der wie frisch geschnitten und neu angelegt aussah. Der Druide nahm sich vor, auf der Suche nach den Einhörnern seinen Weg nur selten zu verlassen und nicht weit in den Wald hinein zu gehen, um nicht wieder in den Hinterhalt der unbekannten Macht zu geraten.

      Schweigend marschierten die Freunde ein kurzes Stück in Richtung des Tezeena-Sees. Dann bogen sie nach Westen und der Elf führte sie mitten in das Dickicht des Waldes hinein. Koperian arbeitete sich langsam mit seiner Machete voran, während sich Sambtwah und Indo leise über alte Lieder unterhielten, die sie früher zu einer besseren Zeit zusammen gesungen hatten. Ab und zu stimmten sie gemeinsam Melodien an, doch eine entspannte Atmosphäre wollte sich nicht einstellen. Keinem war wohl in seiner Haut. Irgendwann gebot der Elf seinen Gefährten Schweigen und setzte Indo ab.

      „Ich werde jetzt ein Stück voranmarschieren und schauen, ob ich die Einhörner erspähe. Sie stehen häufig in der nächsten kleinen Lichtung um zu fressen“, erklärte er und ließ, ohne eine Rückantwort abzuwarten, Indo und Sambtwah zurück.

      Leise steckte der Elf seine Machete weg und schlich vorsichtig durch das Unterholz. Kurz darauf erreichte er die kleine Lichtung, die wegen ihres steinigen Bodens das Wachstum größerer Pflanzen unmöglich machte. Vorsichtig hob er seine Hände, schloss die Augen und stand eine Weile still. Er konzentrierte sich auf eine alte magische Formel, die ihn völlig an seine Umgebung anpassen sollte.

      Langsam schob er sich vor. Kein Lebewesen war zu erspähen und Koperian stand enttäuscht auf. Vorsichtig trat er einen Schritt auf die Lichtung.

      - Wo konnten die Ishahilen wohl sein? -

      Plötzlich spürte er einen sanften Stoß im Rücken; hastig drehte er sich um. Die Spitze eines Hornes stach leicht in seine Brust. Er stand einem stattlichen, älter wirkenden weißen Hengst, einem Einhorn mit feuerroten Augen gegenüber.

      „Sei gegrüßt Koperian, Elf des Waldes", erklang eine sehr weiche und melodische Stimme.

      Der Elf war sprachlos.

      - Noch nie hatte er mit einem Einhorn geredet! -

      Für Koperian war diese Begegnung eine hohe Ehre. Der Druide hatte bis jetzt daran gezweifelt, dass Sambtwahs Mission durch Erfolg gekrönt sein würde. Schnell riss er sich zusammen und trat rückwärts auf die Lichtung, um der Bedrohung durch das spitze Horn zu entgehen. Das Einhorn folgte ihm.

      „Sei gegrüßt edler Ishahil", erwiderte Koperian stockend.

      „Mein Name ist Zordan“, antwortete das Einhorn und fuhr nach einer kleinen Pause fort: „Du hast Begleiter dabei?“

      „Ja. Bei mir befinden sich die vierte Prinzessin der Feen von Flawoor und Indo, ein kleiner Gambur", erklärte Koperian leise.

      „Richte der Prinzessin von Flawoor aus, dass ihre Mission erfolgreich war und wir uns bei ihrem Feenvolk melden werden“, sagte das Einhorn, trat einen Schritt auf Koperian zu und sah ihm tief in die Augen.

      „In diesen schlechten Zeiten müssen sich Gleichgesinnte zusammenschließen, Elf von Saraganthiél." Bei diesen Worten Zordans zuckte der Druide unmerklich zusammen. „Doch die Zeit ist unser Feind. Der Wald stirbt schnell und die böse Kraft nimmt uns allen unsere Macht.“

      „Ich hatte so einen seltsamen Traum", erzählte Koperian wie unter Hypnose. Er konnte seine Augen nicht von Zordan abwenden.

      „Ich weiß. Rede nicht von Träumen, solange sie nicht Wirklichkeit sind, Koperian. Rede nicht von diesen Träumen. Die Hüter des Waldes werden sich, soweit sie dazu fähig sind, verbünden. Doch das reicht nicht aus", begann das Ishahil nach einer kleinen Pause wieder. „Wir wissen nicht, womit wir es zu tun haben. Wir versuchen die dunkle Macht der Nacht zu bannen, doch unser Schutz reicht nicht aus. Das Dunkel schmälert unseren Blick für das Ganze. Sie greift uns und unsere Magie an. Wir altern sehr schnell, während Nilaja unsere Tochter nicht erwachsen werden kann. Wir wissen nicht, wie lange wir noch standhalten können bevor uns der Wahnsinn und das Grauen der Nacht einholt. Eine mächtige Hand greift nach uns.“ Zordan machte eine betretene Pause.

      - Also waren auch die Ishahilen nicht stark genug gegen die Macht der Nächte anzugehen. Auch diese starken und mystischen Wesen erkrankten wie der Wald und niemand wusste, warum. - Der Druide erschrak.

      „Koperian, wir brauchen einen Vermittler, der zu den Menschen geht.

      Du bist der Druide von Tasmanorb“, Zordan machte eine kurze Pause:

      „Ein Ishahil hat noch niemals um etwas gebeten.“

      Koperians Augen weiteten sich vor Überraschung.

      „Aber die Zeit erfordert es", fuhr der stolze Hengst fort. „Wir brauchen einen Vertreter des Waldes, der aus der Dunkelheit, die den Wald umgibt blicken kann. Wir brauchen ein Auge nach draußen und wir brauchen deine Hilfe.“

      Der Elf schluckte. Seine Kehle war wie zugeschnürt.

      „Gehe zu den Menschen und finde heraus, was vor sich geht. Finde die Quelle und den Ort des Übels. Gehe und hilf deinem Wald, auf deine Weise, Druide.“

      „Aber was kann ich denn tun?“ fragte der Elf erregt. „Ich kenne mich in der Welt nicht aus und verstehe die Menschen nicht. Ein Druide wirkt in seinem Element, dem Wald! Wieso glaubst du, dass ausgerechnet ich außerhalb von Tasmanorb hilfreich sein kann?“

      „Es ist so, wie es ist, Druide", erwiderte das Einhorn, „unter den Hütern kannst nur du den Wald ohne Folgen für diesen verlassen. Die Zeit lässt keine anderen Möglichkeiten zu. Also bleibst nur DU.“

      Wieder machte das Einhorn eine Pause, um seinen Worten besondere Bedeutung zu geben.

      „Um im Wald wirken zu können

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