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Laterne anzuzünden. Es donnerte und blitzte und Indo zuckte jedesmal zusammen. Kein Tier war zu sehen oder zu hören. Ein gellender und langgezogener Schrei durchbrach die Nacht. Den Freunden gefror vor Schreck das Blut in den Adern.

      Plötzlich brach ein großes Tier aus dem Dickicht und blieb vor den dem Elfen stehen. Die Augen dieses Wesens starrten irr und wie unter Todesangst zu Koperian hinüber. Es war ein Reh, es blutete am Rücken, an Brust und Beinen. Das Tier musste wie von Sinnen durch das Dickicht gerannt sein und hatte sich an den Pflanzen tiefe Verletzungen zugezogen. Nun stand es einige Sekunden vor dem Druiden, besann sich dann und jagte plötzlich direkt auf ihn zu. Koperian stürzte seitwärts ins Gebüsch. Das Reh jagte knapp an ihm vorbei und verschwand auf dem von Koperian neu angelegten Pfad in die Dunkelheit. Entsetzt starrte der Elf starrte ihm hinterher, bis es nicht mehr zu hören und zu sehen war. Der Schreck saß ihm tief in den Knochen. Zitternd stand er auf und setzte wie ein verängstigtes Tier seinen Weg fort. Knapp eine Stunde Fußmarsch vom schützenden Heim entfernt stieß Koperian auf seinen alten Weg. Seltsamerweise war dieser an dieser Stelle, wie am Morgen beim Aufbruch unversehrt. Der Druide war schweißgebadet, völlig erschöpft und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Hastig schlug er seinen gewohnten Weg ein und lief in Richtung Höhle.

      Sie waren noch nicht weit gekommen, da knisterte das Gebüsch um sie herum. Indo murmelte zitternd vor Angst:

      „Nicht als Großer, nicht als Kleiner,

      möcht ich diese Nacht noch einmal

      auch nur als Alptraum so durchleben."

      „Nur ruhig, mein kleiner Freund", antwortete sein Ziehvater japsend, „bald haben wir es geschafft.“

      Keinen Katzensprung vor ihrer Lichtung entfernt begann es in Strömen zu regnen. Blitze zuckten vom Himmel, schlugen in unmittelbarer Nähe ein, der Donner machte kaum mehr eine Pause. Erschöpft erreichten sie endlich die Lichtung, auf der sich auch Sambtwah in ihrer Lichtform zu ihnen gesellte. Die Lichtung hatte sich in einen großen morastigen Sumpf verwandelt. Koperian, am Ende seiner Kräfte, versuchte sich am Waldrand, auf festeren Boden entlang zu bewegen, als ihm plötzlich die Beine weggerissen wurden. Er wand sich, stand auf und versuchte hastig voranzukommen. Doch alle Äste und Wurzeln, die ihn erreichen konnten, schienen ihn aufhalten und fesseln zu wollen. Panik stieg in dem Elfen auf. Er umklammerte seine Laterne und ermahnte sich zur Ruhe. Er versuchte sich einigermaßen aufzurichten und wandte zum ersten Mal an diesem Tag einen Zauber an. Für eine halbe Minute stand er unbeweglich da und summte etwas in einer leisen, fast monotonen und sehr ernsten Melodie. Kurz zuckten die Äste und Wurzeln, schwenkten dann auseinander und gaben den Weg frei. Der Druide schnaufte schwer. Der Zauber hatte seine restlichen Reserven aufgebraucht. Langsam setzte er sich wieder in Bewegung, Indo hatte Mühe sich auf dem Nacken des schwankenden Freundes zu halten. Koperian achtete vor allem darauf, das Windlicht nicht zu verlieren und Indo in der Kapuze zu halten. Keuchend stapfte er durch den Morast, als der Elf plötzlich auf halbem Weg einen harten Ruck und einen dumpf brennenden Schmerz auf der Brust spürte. Vor Schreck ließ er fast die Laterne los. Um Hals, Rumpf, Taille, Arme und Beine rankten sich in Windeseile Wurzeln und Äste empor. Koperian schrie auf.

      - Wie konnte es sein, dass seine Magie nichts ausrichten konnte? Wie konnte es sein, dass er als Druide die Natur nicht beherrschte? -

      Tief schnitten ihm die Pflanzen ins Fleisch und ließen ihm kaum Luft zum Atmen. Sprechen konnte er nicht mehr. Er krallte sich an seine Laterne, die ihm die Pflanzen zu entreißen versuchten. Allerdings zuckten sie vor dem Lichtschein zurück, so gewann der Elf zumindest diesen kleinen Kampf und behielt die Laterne. Die kleine Fee sauste als Feensternchen hin und her und versuchte den Pflanzen auszuweichen, die sie fangen und schlagen wollten. Indo saß inzwischen auf dem Kopf des Elfen unter der Kapuze und war starr vor Schreck. Koperian stand nun aufrecht gefesselt da und versuchte im Dunkel der Lichtung etwas zu erkennen.

      - Irgend etwas verbarg sich da. Er spürte es ganz deutlich! Etwas Scheußliches kam auf sie zu!-

      Der Druide hatte Mühe, nicht in Panik zu geraten.

      - Nur auf das Licht aufpassen,- dachte er bei sich, - das Licht schreckt die Schatten der Nacht!-

      Aus dem Dunkel der Wiese lösten sich unförmige Schatten, die nicht vom Wind verweht wurden. Diese Schatten nahmen allmählich grobe Formen von Menschen ohne Köpfe an und bildeten wortlos einen Halbkreis um den Elfen. Dieser Halbkreis schloss Wind und Wetter aus, der weiter um sie herum zu toben schien. Koperian konnte kaum noch atmen vor Angst. Plötzlich umwehte ihn ein kalter Hauch, der den Druiden abzutasten schien. Der Elf begann panisch an seinen Fesseln zu ziehen. Das Licht der Laterne schien die Wesen zu stören, denn sie wagten sich nicht an den Elfen heran. Sie traten vor allem nie in den direkten Lichtbereich der Laterne, der sich durch die Bewegungen des Druiden mit veränderte. Koperian bemerkte, wie sich ein kleiner zitternder Körper an seinem Hals bewegte. Indo kroch langsam hervor und zog Koperians Machete, die im Verhältnis zu seinen Körper eher wie ein großes Schwert wirkte. Der kleine Gambur rief mit fester Stimme:

      „Die Dunkelheit sei noch so dicht,

      dem Licht widersteht sie nicht“ und leise fügte er hinzu,

      „oh hab ich Angst,

      ich armer Wicht!“

      Koperian konnte nur ein „schwebendes“ Messer erkennen, denn der Gambur war vor Angst und Anspannung unsichtbar geworden. Geschickt und blitzschnell schnitt er die Hände und die Brust des Elfen los. Koperian schnappte nach Luft, schwenkte seine Laterne gegen die Schatten, die vor dem Licht zurückwichen. Der Druide ergriff seine Machete, schnitt sich frei und hastete so schnell er konnte in Richtung seines Hauses. Er spürte, wie sich die Schatten auf seine Fersen hefteten. Mit letzter Kraft konzentrierte der Druide sich auf einen weiteren kleinen Zauber. Er formte vor seinen Augen eine kleine Lichtkugel und ließ sie über sich steigen. Der ganze Elf erstrahlte in einem hellen Licht, welches aus blauen, grünen und weißen Elementen bestand und fast die ganze Lichtung erleuchtete. Mit letzter Anstrengung erreichten sie die Höhle. Der Elf riss die Tür auf und viel förmlich in sein Haus hinein. Der Gambur sprang auf den Boden, wartete die Fee noch ab und verschloss dann die Tür.

      „Indo, mach Feuer", flüsterte Koperian. Der Halbkobold gehorchte.

      Noch ehe der Elf Luft geholt und sich soweit erholt hatte, dass er aufstehen konnte, brannte schon ein kleines Feuer im Herd. Leises Scharren an der Tür verriet, dass sie nicht alleine waren, doch das Unheil blieb draußen vor der Tür zurück. Auch die kleine Fee wirkte sichtlich erschöpft, als sie sich in ihre ursprüngliche Gestalt zurück verwandelte. Sie setzte sich mitten auf den Tisch und beobachtete, heftig atmend, Indo und Koperian. Langsam rappelte sich der Druide auf. Er blutete am Hals und an Arm- und Fußgelenken. Vorsichtig zog er seine Stiefel und seinen Umhang aus, die beide extrem mitgenommen aussahen und wusch die Wunden in einem Eimer mit heißem Wasser aus. Indo holte aus der Vorratsecke ein paar Heilkräuter und Stoffe zum Verbinden der Wunden und begann seinem Vater zu helfen. Das Feuer wärmte schnell. Das Grauen der schwarzen Nacht erreichte sie nicht mehr. Allen aber saß der Schrecken tief in den Knochen und Koperian war völlig erschöpft. Keiner der drei sprach an diesem Abend noch viel und sie legten sich gleich zum Schlafen nieder. In dieser Nacht fing Koperian an zu fiebern und Indo musste die Wunden erneut reinigen und verbinden. In seinen Fieberträumen sah Koperian vier Einhörner auf einer Einöde in grauem, kalten Nebel stehen:

       Sie hatten ihre Augen geschlossen und sahen abgemagert und entkräftet aus. Ein kalter Wind wirbelte immer wieder Nebelschwaden auf und gab nur für einen Moment eine klare Sicht auf ihre Gesichter frei. Eines der Wesen schien sehr gebrechlich und von Krankheit angegriffen zu sein, was eigentlich bei diesen unsterblichen Tieren nur außerhalb ihrer Schutzwälder möglich war. Die kleine Lichtung erinnerte an den Morast, durch den die Freunde am Abend gelaufen waren. Das älteste Einhorn schien gegen eine fremde Stimme anzukämpfen, welche leise säuselnd in der Luft lag. Das Wesen wollte dabei dessen Einfluss auf sich verhindern, widerstand den ihm unbekannten magischen Kräften aber nur schwer. Durch seinen Kraftaufwand alterte es zusehend. Seine Mähne wurde lang und länger und der Glanz der Haare verschwand, bis die stumpf und brüchig gewordenen Haare abbrachen. Das schöne weiße Fell wurde erst voll und dick, dann fielen die Haare büschelweise aus und gaben die

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