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Pfad zum Dickicht.

      Indo fing an, sich auf den Schultern des Freundes gemütlich, aber demonstrativ zu putzen.

      „Ja, ja Indo, ich weiß", lächelte der Elf.

      „Du würdest an meiner Stelle jetzt eines leichteren Schrittes wandeln. Lass dir etwas Neues einfallen Gambur", sagte er liebevoll.

      „Mit euch Langbeinern ist eben nicht zu reden.

      Was würd ich für ein bisschen Einsicht bei dir geben.",

      entgegnete Indo, und fügte nach einer kleinen Weile hinzu:

      „Was hätt ich gerne dieses Talent!

      Den Nutzen des Zauberns DU nie erkennst."

      Koperian lächelte geheimnisvoll und schwieg. Bald würde Indo seine Kräfte entdecken und zu diesem Thema etwas weniger vorlaut sein. Als sie sich dem Waldrand näherten, wurde der Boden wieder etwas fester und der Druide kam besser voran. Allerdings wirkte das Blattwerk wie ein nasser Schwamm. Koperian zog die Kapuze seines Mantels tief ins Gesicht. Indo schlüpfte mit hinein und wickelte sich um den Hals des Elfen. Zwar wurde der Umhang von außen nass und schwer, aber im Inneren hielt er alles trocken und warm. Der Druide stapfte auf seinem gewohnten Weg durch das Dickicht, sammelte hier und da Pflanzen und Beeren, hielt nach bestimmten Tieren Ausschau und beobachtete die verschiedensten Spuren und Tierpfade auf dem Waldboden. Da er auf seinem gewohnten Weg, den er mit der Machete frei geschlagen hatte, leicht vorankam, konnte er seine alltäglichen Wanderungen über ein großes Areal von Tasmanorb ausdehnen. Selten plante er jetzt, wie er es früher häufig getan hatte, große mehrtägige Wanderungen.

      Koperian kannte die Umgebung wie seine Westentasche. Er kannte jedes Tier, wusste, wie viele Nachkommen zu erwarten waren und welche Tiere starben oder weg zogen. Jeden Tag verfolgte er das Treiben im Wald und konnte aus jedem kleinsten Zeichen, wie zum Beispiel aus einem umgeknickten Ast ersehen, ob da ein Tier vorbei gegangen war, oder gefressen hatte. Auch wusste er meistens, um welches Tier es sich handelte.

      Indo war das alles viel zu langweilig. Bei gutem Wetter kletterte er gerne durch das Geäst der Bäume und horchte nach ihm bekannten Lauten und Geräuschen. Bei Regen und Kälte dagegen, döste er lieber unter der Kapuze des Freundes. Manchmal summte er dabei eine Melodie oder erfand kleine Verse, in denen er seinen Freund gerne etwas neckte.

      Heute war dem Gamburen das Wetter egal. Er hatte die letzte Nacht nicht viel geschlafen und war müde. Es dauerte nicht lange, da schlief er auch schon tief und fest in der Kapuze Koperians ein. Der Elf hatte große Mühe, Indo, der wie ein nasser Sack auf seinen Schultern lag, davor zu bewahren, herunterzufallen. Immer wieder stieß er den schlafenden kleinen Kerl in die Kapuze zurück.

      Koperian sah sich immer wieder, mit besorgter Miene, die nassen Blätter der Bäume und Sträucher an. Das Regenwasser sah nicht normal aus. Alle Pflanzen schienen von einer zähen, grauen Flüssigkeit überzogen zu sein und langsam abzusterben. Er hörte kaum einen Vogel oder ein anderes Tier. Alles wirkte wie ausgestorben.

      Trotz dieser stürmischen Nacht, war Koperians eigener Trampelpfad ordentlich geblieben und schien wie von einem Besen ausgekehrt worden zu sein. Der Druide beschloss sehr wachsam zu sein und nur einen kurzen Rundgang zu machen. Nach drei Stunden erreichten sie den kleinen, vom Fluss Tezeena gespeisten See. Der Fluss kam aus dem Bandarer-Gebirge und floss hinunter nach Tasmanorb.

      Der Tezeena-See lag idyllisch in einer kleinen Talsenke, in welche der Gebirgsfluss über einen großen Wasserfall tosend hinab stürzte.

      Die Feen, die hier lebten nannten diesen Wasserfall Flawoor. Um den Tezeena-See blühte es fast das ganze Jahr. und die Tiere und Pflanzen dieser Gegend hatten, seit der Druide sie kannte, noch nie schlechte Zeiten erlebt. Die Feen von Flawoor, wie sie sich selber nannten, waren sehr stolz auf ihre hohe Kultur, ihre vielen Feste und Gesänge. Koperian und Indo waren schon oft von den kleinen fliegenden, etwa eine Handspanne großen Wesen zu Festen eingeladen worden und der Druide war inzwischen ein guter Freund des Feenkönigs Koran Sminda. Aber heute sah das Tal eher grau und trostlos aus. Auch hier schienen die Pflanzen zu sterben, und das sonst so kristallklare Wasser des Sees sah wie eine giftige, schleimige Brühe aus.

      „Was war das bloß für eine Nacht?" fragt sich Koperian erschüttert. „Was geschieht hier bloß? Alles stirbt.“

      Der Elf runzelte die Stirn.

      - Vielleicht wussten die Feen mehr über diesen seltsamen Regen -, dachte er und bahnte sich seinen Weg durch die Büsche, die um den See wuchsen.

      Dort wo er sonst immer ausgelassen singende und mit einander spielende Feen angetroffen hatte, war es totenstill und ihr Platz am Wasserfall war leer.

      Als der Elf näher an das Wasser kam, wich er erschrocken zurück. Der See stank. Fische trieben leblos und mit dem Bauch nach oben am Ufer. Kein einziger Vogel war zu sehen, die Pflanzen schienen sich in einem verzweifelten Todeskampf zu winden. Der Druide spürte, wie das Leben vor ihm mit jedem Atemzug, den er machte, starb. Tränen stiegen ihm in die Augen.

      „Ein schrecklicher Anblick", kam eine weiche Stimme von hinten. Koperian drehte sich um. Vor ihm flog Sambtwah, eine kleine Fee, kaum größer als eine Hand, umgeben von einer in allen Grüntönen schimmernden Aura. Sambtwah hatte schillernde dunkelblaue Augen und Haare. Ihre Haut leuchtete in einem dunklen Grün. Ihre perlmuttartig schattierten, schmetterlingsartigen Flügel schlugen schnell, um das kleine seltsam anmutige Wesen in der Luft zu halten.

      Eng lagen ihr die silbernen Kleider auf der Haut. Nur das kleine Diadem auf ihrer Stirn pendelte im Rhythmus des Fluges hin und her.

      Sambtwah sah den Druiden ernst und traurig an. Der Elf antwortete mit einem leichten Kopfnicken auf ihre Feststellung und weckte dabei Indo auf.

      Der Gambur reckte sich und schaute umher. Als er die Fee erblickte, hielt er verzaubert in seinen Bewegungen inne. Wie hypnotisiert starrte er auf die Fee.

      Koperian gab seinem kleinen Freund einen Stoß mit der Schulter, bis er sich wieder zu regen begann. Vorsichtig lugte Indo aus der Kapuze des Elfen heraus, um Sambtwah zu begrüßen.

      Doch als er ihr ernstes Gesicht erblickte, erschrak er.

      - So hatte er noch keine Fee erlebt! -

      Schnell stammelte er ein schüchternes „Hallo“ und schaute sich um. Der Anblick und der scharfe Geruch des toten Sees trieben den Gamburen wieder tiefer in Koperians Kapuze zurück. Der Druide streckte der Fee seine geöffnete Handfläche entgegen, Sambtwah ließ sich auf ihr nieder. Erwartungsvoll blickte sie zu ihm auf. Beide schwiegen eine Weile.

      „Ich grüße dich Koperian, Druide von Tasmanorb", begann die Fee zu sprechen.

      „Auch ich grüße dich Sambtwah, vierte Prinzessin von Flawoor", antwortete Koperian.

      „Hallo, Indo", rief die Fee in Richtung Kapuze, „heute so verschreckt?"

      Indo spitzte aus seinem Versteck hervor und sah die Fee mit großen Augen an.

      „Der Situation entspricht der Zeit,

      die Zeit ist schlecht

      und das Glück ist weit", entschuldigte sich der Gambur für sein misstrauisches Benehmen.

      „Du hast Recht Indo, die Zeit ist im Moment sehr schlecht", antwortete die Fee.

      Koperian spürte, wie Indo unter seiner Kapuze langsam hervor lugte und wie plötzlich das Gewicht dieses kleinen Kerlchens von den Schultern des Druiden verschwand.

      „Vater Sminda ist sehr krank und wir sind alle sehr besorgt um ihn", fuhr Sambtwah leise fort.

      Dabei beobachtete sie Indo, besser gesagt die Kapuze des Elfen, die immer größer zu werden schien. Unbehagliches Schweigen machte sich breit.

      „Woran leidet König Sminda denn?", fragte Koperian, dem das lange Schweigen peinlich wurde.

      „Er stirbt, wie der Wald stirbt. Wir wissen es nicht“, entgegnete die Prinzessin traurig.

      „Kann ich irgend etwas tun, ... irgendwie helfen?", fragte der

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