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dass die­ses Grab ur­sprüng­lich für einen Ho­he­pries­ter des Got­tes Aton be­stimmt war. Als das An­den­ken des Ket­zer­kö­nigs Ech­na­ton ge­tilgt wur­de, er­lit­ten vie­le sei­ner hoch­ge­stell­ten An­hän­ger das­sel­be Schick­sal, und viel­leicht war die Um­ge­stal­tung hier ein Teil die­ses Pro­zes­ses. Doch es lie­gen cir­ca hun­dert Jah­re zwi­schen der Re­gent­schaft Ech­na­tons und der zwei­ten Wid­mung des Gra­bes. Mei­ne Ge­dan­ken sind also sehr spe­ku­la­tiv.‹

      Er hat­te mich in mei­ne ei­ge­ne Fal­le lau­fen las­sen, und ich stand da wie eine un­wis­sen­de Schü­le­rin.«

      Nailah schüt­tel­te den Kopf, und Sa­rah nutz­te die ent­stan­de­ne Pau­se für eine Fra­ge.

      »Warst du da­mals nicht sehr wü­tend auf ihn?«

      »Und wie! Ich wünsch­te ihm die Pest an den Hals, an­de­rer­seits be­ein­druck­te mich sein Fach­wis­sen enorm. Er hat­te mich be­wusst vor­ge­führt, wie ich es mit ihm tun woll­te, das ge­stand er mir spä­ter auch ein. Nach die­sem ers­ten Zu­sam­men­stoß ent­wi­ckel­te sich eine wun­der­vol­le Zu­sam­men­ar­beit. Ihm stan­den Mit­tel zur Ver­fü­gung, von de­nen un­ser Mi­nis­te­ri­um nur träum­te. In­ner­halb von zwei Ta­gen or­ga­ni­sier­te er einen mo­der­nen Tera­hertz-Scan­ner, mit dem wir zer­stö­rungs­frei die un­te­ren Schich­ten sicht­bar ma­chen konn­ten. Tei­le der al­ten Ma­le­rei­en und Hie­ro­gly­phen wa­ren un­wie­der­bring­lich ver­lo­ren, ver­mut­lich so­gar he­r­aus­ge­mei­ßelt. Das galt für alle Dar­stel­lun­gen des Ho­he­pries­ters und auch für sei­nen Na­men. Doch der größ­te Teil der Schrift­zei­chen war er­kenn­bar, und Ka­rim las die Hie­ro­gly­phen wie ich eine Zei­tung. Sei­ne Ver­mu­tung be­wahr­hei­te­te sich: Es war ur­sprüng­lich das Grab für einen Ho­he­pries­ter des Aton ge­we­sen. Ob die­ser je­mals dar­in bei­ge­setzt oder ob die An­la­ge schon vor sei­nem Tod um­ge­stal­tet wor­den war, konn­ten wir nicht he­r­aus­fin­den. Auch der Grund, warum spä­ter der Le­se­pries­ter Qen­a­mun hier sei­ne letz­te Ruhe fand, blieb im Dunklen. Die Zu­sam­men­ar­beit mit Ka­rim Al-Kis­met­bahr be­flü­gel­te mich. Er lehr­te mich Din­ge über die alt­ägyp­ti­sche Ar­chäo­lo­gie, die kei­ner mei­ner Pro­fes­so­ren je er­wähnt hat­te. In sei­ner Nähe fühl­te ich mich ener­gie­ge­la­den wie noch nie. Des­halb dau­er­te es auch nicht lan­ge, bis ich ihn an­him­mel­te und mich nach mehr sehn­te. Aber zwei­deu­ti­ge An­spie­lun­gen igno­rier­te er, und als ich mich schließ­lich of­fen­bar­te, wies er mich ab.«

      »Er gab dir einen Korb? Mit wel­cher Be­grün­dung?«, frag­te Sa­rah.

      »Oh, die war plau­si­bel, und heu­te bin ich ihm dank­bar da­für, denn er hat mir ein glück­li­ches Le­ben er­mög­licht. Nicht ohne bit­te­ren Bei­ge­schmack, aber das liegt nicht an ihm.«

      »Weil er dich ab­ge­wie­sen hat?«

      »Nein, heu­te weiß ich, dass es rich­tig war, denn mei­ne Sehn­sucht be­ruh­te auf der Ver­eh­rung für sein Wis­sen, Kön­nen und sei­ner Aus­strah­lung, was er mir deut­lich vor Au­gen führ­te. Ich bin mir jetzt auch si­cher, dass es bald Kon­flik­te zwi­schen uns ge­ge­ben hät­te, denn sei­ne Art zu le­ben steht im kras­sen Ge­gen­satz zu mei­ner. Die­ses Un­s­te­te, we­nig Sess­haf­te passt nicht zu mir. Im ers­ten Mo­ment war ich wie ver­nich­tet, doch an­de­re Er­eig­nis­se tra­ten in den Vor­der­grund. Mur­si kam an die Macht und be­setz­te im­mer mehr Pos­ten mit is­la­mis­tisch ge­präg­ten Män­nern. Dum­mer­wei­se war un­ser Mi­nis­te­ri­um schon vor­her von Mu­stafa Amin über­nom­men wor­den. Er ist streng gläu­bi­ger Mus­lim und be­vor­zugt Män­ner als Mit­ar­bei­ter. Bald wur­den mir von al­len Sei­ten Stei­ne in den Weg ge­legt, und ich be­kam nur noch die Auf­ga­ben ei­ner bes­se­ren Se­kre­tä­rin. Eine Ent­las­sung droh­te mir nicht, aber die Ar­beit füll­te mich nicht mehr aus. In die­ser Pha­se öff­ne­te mir Ka­rim auch in an­de­rer Hin­sicht die Au­gen. Ich ar­bei­te­te schon ei­ni­ge Zeit mit Ha­ma­di zu­sam­men, hat­te aber durch mei­ne Fi­xie­rung auf Ka­rim nicht be­merkt, wie sehr er sich nach mir ver­zehr­te. Bei Ha­ma­di er­kann­te ich die wah­re Lie­be und bin über­aus glück­lich mit ihm.«

      »Aber wie kommst du bei so ei­nem be­ruf­li­chen Wer­de­gang zu die­sem Ge­schäft?«, frag­te Sa­rah mit ei­nem Stirn­run­zeln.

      »Durch Ka­rim Al-Kis­met­bahr. Er be­merk­te so­fort, dass mich der Be­ruf nicht mehr aus­füll­te, und bau­te mit mir zu­sam­men die­se neue Exis­tenz­grund­la­ge auf. Ohne sei­ne Mit­tel wäre das nie­mals mög­lich ge­we­sen. Das Schö­ne dar­an ist, dass ich an­de­ren Frau­en, die in ähn­li­chen Si­tua­tio­nen sind, hel­fen kann. In un­se­rer in­ti­men At­mo­sphä­re kann ich Be­zie­hun­gen auf­bau­en, in sol­chen Kaf­fee­ge­sprä­chen Hin­ter­grund­wis­sen er­wer­ben und über ein ge­hei­mes Netz­werk von Ka­rim Un­ter­stüt­zung an­bie­ten. Vie­len Frau­en, die un­ter den neu­en Ver­hält­nis­sen lei­den, konn­ten wir in der kur­zen Zeit, in der mein Ge­schäft be­steht, schon hel­fen. Aber das Bes­te ist, dass ich durch mei­nen Mann wei­ter­hin an der For­schung zur alt­ägyp­ti­schen Ge­schich­te be­tei­ligt bin, denn abends wird un­se­re Woh­nung zu ei­nem Büro für Ägyp­to­lo­gie.«

      Bei­de Frau­en nipp­ten nach­denk­lich an ih­rem Kaf­fee. Nailah dach­te an ihre Zeit im Mi­nis­te­ri­um zu­rück, und Sa­rah frag­te sich, ob ihre Lie­be zu Ka­rim wirk­lich echt war und eine Zu­kunft hat­te.

      Zur glei­chen Zeit saß Safi Al-Me­schwesch mit sei­nem Va­ter Za­rif un­weit der Py­ra­mi­den von Gi­zeh un­ter ei­nem Vor­zelt und trank ara­bi­schen Kaf­fee. Safi hat­te sich im Zelt sei­nes Va­ters um­ge­zo­gen und pass­te nun per­fekt in das be­dui­ni­sche Um­feld. Der ab­ge­grenz­te Be­reich mit den zehn Zel­ten und dop­pelt so vie­len Ka­me­len wirk­te wie aus ei­ner an­de­ren Zeit. Aber das war ge­wollt, denn die Be­woh­ner ver­dien­ten ih­ren Le­bens­un­ter­halt da­mit, den Tou­ris­ten ge­nau das vor­zu­gau­keln. Rei­se­ver­an­stal­ter buch­ten Wüs­ten­tou­ren bei ih­nen, und Ein­zel­per­so­nen konn­ten kur­ze Ka­mel­trips in die Um­ge­bung un­ter­neh­men. Vor ei­nem der Zel­te war ein Stand mit Sou­ve­nirs, und ge­gen Bak­schisch lie­ßen sich die Be­woh­ner fo­to­gra­fie­ren. Aben­de am La­ger­feu­er ge­hör­ten ge­nau­so zum An­ge­bot wie eine Ein­la­dung zum ara­bi­schen Kaf­fee.

      So­eben hat­te sich eine jun­ge Eu­ro­päe­rin mit den bei­den Män­nern fo­to­gra­fie­ren las­sen, und Za­rif nahm mit ei­nem freund­li­chen Lä­cheln das Trink­geld in Emp­fang. Safi muss­te sei­ne gan­ze in­ne­re Kraft auf­wen­den, um kei­nen Ab­scheu zu zei­gen. So­bald die Tou­ris­ten au­ßer Hör­wei­te wa­ren, zisch­te er sei­nem Va­ter zu:

      »Es ist er­nied­ri­gend! Ich kom­me mir vor wie ein Affe im Zoo. Wie kannst du nur so le­ben? Es geht si­cher auch ohne die­se de­mü­ti­gen­den Auf­trit­te, die ei­ner der Grün­de sind, warum ich nicht mehr hier le­ben möch­te.«

      Da­bei stand sei­ne Mi­mik im kras­sen Ge­gen­satz zu sei­nen Wor­ten, und je­der Au­ßen­ste­hen­de hät­te einen ganz an­de­ren Ge­sprächs­in­halt ver­mu­tet.

      »Es ist wei­ter nichts als ein Ge­schäft. Wenn du im Na­men Ka­rims Ver­hand­lun­gen führst, trägst du auch nicht dei­ne wah­ren Ge­dan­ken nach au­ßen. Es wäre ja auch un­pas­send, wenn du zeig­test, wie ein­träg­lich das Ge­spräch ge­ra­de war. Ge­nau­so ist es hier, ich kann die­se Men­schen freund­lich be­han­deln, ih­nen das Ge­fühl ge­ben, will­kom­men zu sein, und

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