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      »Wart mal, den Na­men habe ich heu­te schon ein­mal ge­hört. War der nicht an ei­ner Grab­ge­stal­tung be­tei­ligt, die Nailah er­forscht hat?«

      Ka­rim lach­te lei­se auf.

      »Ja, und ich auch, doch das konn­te ich ihr na­tür­lich nicht er­zäh­len.«

      »Des­halb wuss­test du so gut über die­ses Grab Be­scheid. Das ist ja ge­mein.«

      Mit ei­nem ver­schmitz­ten Lä­cheln stell­te Al-Kis­met­bahr fest:

      »Sie hat dir also da­von er­zählt. Aber wie­so ge­mein? Ich hat­te nur die Ab­sicht, ihr zu hel­fen. Als sie mich aber de­mü­ti­gen woll­te, konn­te ich nicht wi­der­ste­hen und ließ sie in ihre ei­ge­ne Fal­le tap­pen. Das war nicht böse ge­meint, im Ge­gen­teil, es hat un­se­re Be­zie­hung am Ende eher be­fruch­tet. Lei­der konn­te ich ihr nicht al­les über die Gra­b­an­la­ge er­zäh­len, denn vie­les ließ sich nicht be­le­gen, und des­halb äu­ßer­te ich nur ei­ni­ge Ver­mu­tun­gen. Der Ho­he­pries­ter, für den das Grab ei­gent­lich be­stimmt war, wur­de nie in ihm bei­ge­setzt. Bei den Un­ru­hen, die zur Zeit von Ech­na­tons Tod aus­bra­chen, kam er ums Le­ben und sei­ne Lei­che wur­de vom Nil ver­schlun­gen. Da­nach blieb das Grab, wie so vie­le an­de­re auch, un­ge­nutzt. Die Fa­mi­lie die­ses ers­ten Got­tes­die­ners von Aton war hoch an­ge­se­hen und in vie­len wich­ti­gen Po­si­tio­nen ver­tre­ten. Der Vor­le­se­pries­ter Qen­a­mun war ein Spross je­nes Clans. Reich­tum und Ein­fluss sei­ner Fa­mi­lie ver­hal­fen ihm zu ho­hem An­se­hen. Ge­schickt nutz­te er das, um sich em­por­zu­ar­bei­ten. Wäre er nicht in re­la­tiv jun­gen Jah­ren am Sumpf­fie­ber ge­stor­ben, hät­te sich sein Wunsch, ers­ter Got­tes­die­ner des Amun-Re zu wer­den, si­cher er­füllt. Auf­grund des frü­hen To­des wa­ren die Vor­be­rei­tun­gen für sein Le­ben nach dem Tod noch nicht weit ge­die­hen, und die Fa­mi­lie sah sich ge­zwun­gen, an­de­re Op­tio­nen in Er­wä­gung zu zie­hen. Die Wahl fiel auf be­sag­tes Grab. Grab­schän­der hat­ten in der Zwi­schen­zeit schon viel Scha­den an­ge­rich­tet, so den Na­men des Vor­be­sit­zers ge­tilgt und an­de­res. Es blie­ben nur sieb­zig Tage – die Zeit, in wel­cher der Leich­nam mu­mi­fi­ziert und die Ri­ten zur Vor­be­rei­tung auf das ewi­ge Le­ben voll­zo­gen wur­den –, um die Ge­stal­tung des Gra­bes zu vollen­den. Vie­le Hand­wer­ker konn­ten aus die­sem Grund die Ar­beit nicht über­neh­men, nur Amun­was­hu, Hui so­wie zwei wei­te­re hoch an­ge­se­he­ne Künst­ler hat­ten ge­ra­de ein Fürs­ten­grab fer­tig­ge­stellt und wa­ren frei. So kam es, dass ich mit Amun­was­hu die zeich­ne­ri­schen Ar­bei­te­ten aus­führ­te. Nailah wird lei­der nichts von all­dem er­fah­ren, und du bist die Ein­zi­ge, der ich bis­her da­von er­zählt habe.«

      »Ver­ständ­lich, aber ei­gent­lich scha­de, denn ir­gend­wie mag ich Nailah sehr. Aber wie kam es, dass du in zwei Etap­pen im Reich der Pha­rao­nen ge­lebt hast?«

      Wie­der ein­mal fuhr sich Ka­rim mit der Hand über Stirn und Au­gen und sag­te mit trau­ri­ger Stim­me:

      »Be­dingt durch mein Nichtal­tern, ka­men nach vier­zehn Jah­ren Ge­rüch­te auf. Nei­di­sche Hand­wer­ker streu­ten sie un­ter ih­res­glei­chen. Mein Meis­ter war alt ge­wor­den und konn­te we­gen ei­ner Seh­schwä­che kam noch ar­bei­ten. Ich soll­te sein Nach­fol­ger wer­den, doch das er­bos­te ei­ni­ge. Ein Brand, bei dem ich mei­nen Tod vor­täusch­ten konn­te, kam mir zu Hil­fe. Da ich kei­ne tiefe­ren Freund­schaf­ten ge­schlos­sen hat­te, ver­ließ ich das Land. Mit ei­nem klei­nen Boot fuhr ich fluss­auf­wärts und wan­der­te, im­mer in der Nähe des Nil, bis zu sei­nen Quel­len. Nach­dem ich einen großen Teil des Kon­tinents durch­streift hat­te, be­trat ich nach etwa drei­ßig Jah­ren, aus der ly­bi­schen Wüs­te kom­mend, er­neut das Ge­biet der Pha­rao­nen.«

      Ka­rim rich­te­te sich auf, ent­fern­te den Tisch zwi­schen ih­nen und rück­te nä­her an Sa­rah he­r­an.

      »Jetzt kommt der Teil, den ich dir in­ten­si­ver wie­der­ge­ben möch­te. Gib mir bit­te dei­ne Hand, du weißt ja, wie es geht.«

      Ge­spannt auf das, was nun kom­men wür­de, und er­freut, es wie­der er­le­ben zu dür­fen, setz­te sich Sa­rah zu­recht, leg­te ihre lin­ke Hand in sei­ne Hän­de und schloss die Au­gen. So­fort spür­te sie wie­der die Wär­me und die Kraft, die von ihm aus­ging, ließ sich fal­len und nahm die Bil­der zu sei­nen er­klä­ren­den Wor­ten in sich auf. Wie­der tauch­te sie in sei­ne Welt ein und schi­en es, teils aus sei­ner Sicht, oder über ihm schwe­bend, mit­zu­er­le­ben.

      »Un­ge­fähr auf hal­ber Stre­cke von hier bis zur Mit­tel­meer­küs­te er­reich­te ich die frucht­ba­ren Rand­ge­bie­te des Nil­del­tas. Ei­gent­lich woll­te ich mich nicht wie­der für län­ge­re Zeit in Ägyp­ten auf­hal­ten, son­dern nur das Del­ta durch­que­ren, um ins Zwei­strom­land zu ge­lan­gen. Ich hat­te die Wüs­te noch nicht ver­las­sen, als mir Brand­ge­ruch in die Nase stieg. Da­her wech­sel­te ich die Rich­tung und lief auf die leich­ten Rauch­wol­ken zu, die in der Fer­ne sicht­bar wur­den. Je nä­her ich kam, umso bei­ßen­der wur­de der Ge­stank. Er ver­misch­te sich mit dem Ge­ruch von fri­schem Blut und ver­brann­tem Fleisch. An ei­nem Ka­nal, der Was­ser von ei­nem der Nil-Arme bis in die Rand­ge­bie­te der Wüs­te führ­te, stapf­te ich über ein nie­der­ge­tram­pel­tes Hir­se­feld auf die Res­te ei­nes klei­nen Dor­fes zu. Nur noch schwe­len­de Trüm­mer wa­ren von den Wohn­stät­ten üb­rig. Ein win­seln­der Hund lief mit ein­ge­knif­fe­nem Schwanz da­von, als ich den Rand des Dor­fes er­reich­te. Mir stock­te der Atem bei dem, was ich sah.

      Ver­streut la­gen Lei­chen zwi­schen den Brand­her­den, teil­wei­se bis zur Un­kennt­lich­keit ver­kohlt. Ein Esel hat­te ver­sucht, sei­ne Ein­frie­dung zu über­win­den, und sich selbst auf­ge­spießt. Die Au­gen wa­ren angst­er­füllt her­vor­ge­quol­len, doch die da­hin­ge­schlach­te­ten Men­schen er­schüt­ter­ten mich viel mehr. Vie­le hat­ten klaf­fen­de Wun­den, ab­ge­trenn­te Glied­ma­ßen, und wenn noch Ge­sichts­zü­ge er­kenn­bar wa­ren, zeug­ten sie von der Pa­nik, die sie er­grif­fen hat­te. Es wa­ren ein­fa­che, un­be­waff­ne­te Bau­ern ge­we­sen, von de­nen an­schei­nend kei­ner über­lebt hat­te.

      Nach­dem ich zu die­sem Schluss ge­kom­men war, woll­te ich das Dorf ver­las­sen, um Hil­fe zu ho­len, da­mit die Lei­chen ge­bor­gen wur­den, be­vor Aas­fres­ser sich über sie her­mach­ten. Als ich an ei­nem Brun­nen vor­bei kam, blieb ich ab­rupt ste­hen.

      Für einen Au­gen­blick war es mir so, als hör­te ich ein lei­ses Wim­mern, doch kaum stand ich, war es wie­der still. Ich schüt­tel­te den Kopf und setz­te mich wie­der in Be­we­gung, aber schon nach zwei Schrit­ten hör­te ich es wie­der. So­wie ich stand, herrsch­te Stil­le, doch dies­mal war ich mir si­cher und ging vor­sich­tig bis zum Brun­nen. Ich blick­te über den Rand, aber auf dem tie­fen Grund konn­te ich im ers­ten Mo­ment nichts er­ken­nen. Erst nach ei­ni­ger Zeit sah ich eine Be­we­gung auf der leicht schim­mern­den Was­ser­flä­che. Jetzt hör­te ich wie­der das lei­se Wim­mern so­wie ein krat­zen­des, rut­schen­des Ge­räusch, das durch den en­gen Brun­nen­schacht ver­stärkt wur­de.

      Has­tig sah ich mich um, fand ein Seil, an dem noch ein Le­de­rei­mer hing, be­fes­tig­te es an den Über­res­ten des halb zer­stör­ten Scha­duf und klet­ter­te in den Brun­nen­schacht hin­ab. In etwa fünf Me­tern Tie­fe er­reich­te ich die Was­ser­ober­flä­che und sah ein ver­ängs­tig­tes Kind, das sich kaum noch an ei­nem klei­nen Stein­vor­sprung hal­ten konn­te. Ge­ra­de in die­sem Mo­ment rutsch­te es

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