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Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel
Читать онлайн.Название Traum oder wahres Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738079319
Автор произведения Joachim R. Steudel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
›Tefnut, bitte‹, sagte ich sanft und griff nach ihren kleinen Händen.
Sie schüttelte leicht den Kopf und krallte sich nur noch fester an mich. Mühsam öffnete ich daher mit einer Hand die Verschnürung, rollte die Decke auf, in die alles eingewickelt war, und versuchte mit meinem Körper die Sicht auf den Inhalt zu verstellen. Ich griff nach einem weißen, mit einem Lederband verschnürten Tuch, und schlug die Decke wieder über die restlichen Habseligkeiten. Nachdem ich das Lederband geöffnet hatte, entnahm ich dem Tuch ein Achatamulett und eine fein gearbeitete Silberkette mit einem Anhänger aus Lapislazuli. Den Rest schob ich zurück in das Bündel.
Als ich mit den beiden Gegenständen auf den Priester zuging, weiteten sich dessen Augen noch mehr.
›So kostbare Gegenstände in deinem Besitz? Egal, es sollte ausreichen. Gib her und ich veranlasse alles Notwendige.‹
Ich lachte kurz auf, denn die Kette allein war mehr wert, als er mir dafür bot. Ich hatte sie, als ich Theben verließ, gegen viele andere, weniger wertvolle Gegenstände eingetauscht, um nicht so viel mitschleppen zu müssen.
›Nicht so hastig, mein Freund, ich kenne den Wert dieses Schmucks wohl. Du bekommst das Amulett im Voraus, die Kette aber erst, wenn alles zu meiner Zufriedenheit geregelt ist.‹
Missmutig schnauft er und winkte ab.
›Lass es bleiben, das Risiko ist es mir nicht wert. Wer weiß, woher du den Halsschmuck hast.‹
Er hatte angebissen, das konnte ich sehen, denn es gelang ihm nicht, die Augen von der Kette abzuwenden.
›Gut, ich verhandle doch besser mit dem Lesepriester oder vielleicht gleich mit dem zweiten Propheten eures Tempels.‹
Das lag nicht in seinem Sinne, und wie erwartet, kam er mir entgegen.
›Hm, warte, was hast du dir denn vorgestellt?‹
›Die Kette ist mit Sicherheit dreieinhalb Deben wert.‹
Wieder ein missmutiges Schnaufen.
›Was? Bist du anderer Meinung? Wollen wir es lassen?‹, fragte ich mit einem überlegenen Schmunzeln.
Er merkte, dass ich ihm gewachsen war, und gab seine Strategie auf.
›Nein, nein, schon gut. Also weiter‹, sagte er mit einer beschwichtigenden Geste.
›Ich weiß ja nicht, wie viel Land du mir verschaffen willst, aber ich denke, mehr als für eineinhalb Deben brauche ich nicht. Für den Rest lässt du mir das Haus von Nebi wiederaufbauen und beschaffst mir drei Esel, damit ich auch die Transportdienste übernehmen kann.‹
Nervös knetete der Priester wieder seine Hände. Er hatte sich einen viel höheren Gewinn erhofft, doch nach einigen Hm und Naja schien er zu dem Schluss zu kommen, dass immer noch genug für ihn dabei heraussprang, und willigte ein.
›Also gut, ich bin einverstanden. Gib das Amulett her.‹
Fordernd streckte er mir seine Hand entgegen, und ich legte es hinein, hielt es jedoch noch einen Augenblick fest.
›Versuche nicht, mich zu betrügen! Du kannst sicher sein, dass du es sonst bereust!‹
Sein Gesichtsausdruck zeigte mir, dass er mich verstanden hatte. Er schloss die Hand ums Amulett und sagte:
›Ich merke schon, mit dir wird es schwieriger als mit Nebi, vielleicht aber auch einträglicher. Was willst du jetzt machen? Hier kannst du nicht bleiben, bis alles geregelt ist.‹
›Für mich wäre das kein Problem, doch für das Kind brauche ich eine feste Unterkunft. Ist in der Nähe des Tempels so etwas zu finden?‹
Er nickte.
›Folge dem Kanal bis zum Heiligtum. Frage dort nach einem Unreinen, der Seneb heißt. Seine Eltern sind vor Kurzem gestorben, und er hat noch keine Kinder, also Platz im Haus. Sag ihm: Ich, der Reine Tchenti, wünsche, dass er dich für einige Zeit aufnimmt, die Unkosten begleiche ich.‹
Ich nickte und wollte mich schon abwenden, da fiel mir noch etwas ein.
›Wieso führt eigentlich ein Lesepriester eure Gruppe an, die nehmen doch nur ungern an solchen Aufgaben teil?‹
Er legte den Kopf schief und fixierte mich gespannt.
›Du kennst dich aber gut aus in Tempelangelegenheiten. Hast du mit deinem Meister für einen Tempel gearbeitet?‹
›Nein, aber ich hatte oft genug mit Priestern zu tun, und sollten wir nicht alle unsere hem-netjer gut kennen? Was ist also mit dem Lesepriester?‹
Die Schärfe und Selbstsicherheit, mit der ich sprach, verwirrten ihn zusehends.
›Das Dorf ist wichtig für den Tempel, und Teile des Landes gehören der Familie des zweiten Propheten. Der ist aber sehr alt und kann gerade noch seinen Aufgaben nachkommen. Der Lesepriester Rai ist als sein Nachfolger im Gespräch und wird auch vom zweiten Propheten bevorzugt. Dieser hat ihn beauftragt, alles Notwendige in die Wege zu leiten.‹
›Schön, es ist immer gut zu wissen, mit wem und welchen Verhältnissen man es zu tun hat‹, sagte ich mit einem hintergründigen Lächeln. ›Und noch eins: Unterschätze nicht, was ich kann und bin!‹
Mit diesen Worten drehte ich mich um und ging, einen höchst verwirrten Priester zurücklassend, zu meinen Habseligkeiten. Normalerweise waren sie es, die arrogant und selbstbewusst daherkamen, so aber von einem behandelt zu werden, der dem Schein nach weit unter ihnen stand, war mehr als ungewöhnlich. Vermutlich fragte er sich jetzt, ob es klug war, den Handel mit mir einzugehen, aber genau das war meine Absicht. Er sollte nicht auf den Gedanken kommen, sich an mir schadlos zu halten.
Verdrießlich folgte Tchenti den anderen, während ich mein Bündel schnürte, und den Weg zum Tempel einschlug.
Tefnut auf meinem Arm hatte die ganze Zeit keinen Ton von sich gegeben, sich nur ganz eng an mich geschmiegt. Jetzt hob sie den Kopf und sah zu den immer noch schwelenden Trümmern des Dorfes. Ein leiser, klagender Laut entrang sich ihrer Brust und ich blieb noch einmal stehen.
Sanft löste ich sie so weit, dass ich ihr in die Augen sehen konnte.
›Tefnut, was hier geschehen ist, tut mir sehr leid, ich kann es aber nicht ändern. Eins verspreche ich dir jedoch: Ich lasse dich nicht im Stich und sorge für dich, so gut ich kann. Wir kommen auch wieder hierher, wenn die Spuren der Verwüstung nicht mehr sichtbar sind. Verstehst du das?‹
Sie