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wie beispielsweise Klimawandelliteratur oder ökologische Utopien und Dystopien sind genauso wie guerilla gardening als gesellschaftliche Gegendiskurse zu verstehen, die ein Sensorium für gesellschaftliche Fehlentwicklungen bereitstellen und zur kritischen Reflexion einladen. Literatur etwa leistet „in ihrer ästhetisch-imaginativen Transformation von Wirklichkeit nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag zu einem Diskurs, sondern stellt auch selbst eine nachhaltige Form kultureller Praxis dar“ (Zapf 2019b, 361). Zapf, ein Wegbereiter des Ecocriticism5 der ersten Stunde, arbeitet aus seiner kulturökologischen Perspektive verschiedene Bedeutungen der Literatur für den Nachhaltigkeitsdiskurs heraus und diskutiert, wie imaginative Texte zum einen Kritik an dominanten anthropozentrischen Narrativen üben und zum anderen „eine Form von regenerativer Energie in der Kultur“ sind, eine „Quelle erneuerbarer kreativer Energien für immer neue Generationen von Lesern“ (Zapf 2019b, 361), die „fehlgeleitete[] Werte, Konzepte und Ideologien, die in der Kultur- und Zivilisationsgeschichte zur Entstehung und Eskalation der ökologischen Krise beigetragen haben“, reflektiert und imaginativ aufarbeitet (Zapf 2019b, 363): „Dies gilt vor allem für die Trennung und radikale Entgegensetzung von Subjekt und Objekt, Geist und Körper, Kultur und Natur“ (Zapf 2019b, 363). Die Auflösung dieser fehlgeleiteten Dualismenbildung (Geist-Körper, Kultur-Natur) wird von der kulturökologischen Perspektive befördert, wobei in diesen Prozessen Formen der künstlerischen und literarischen Imagination eine besonders wichtige Rolle spielen. Das zukunftsfähige kreative Potenzial literarischer Texte liegt eben nicht nur in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Aspekten von Nachhaltigkeit, sondern darüber hinaus in ihrer eigenen „kreativen kulturellen Praxis“ (Zapf 2019b, 366). Literarische und andere künstlerische Auseinandersetzungen mit Kontinuität und Erneuerung, mit Zivilisationskritik und Zukunftsimagination sowie die ästhetische Transformation üblicher Geist-Körper- und Kultur-Natur-Dichotomien in komplexe, konnexive Vorstellungen der Wechselbeziehungen von Mensch und nicht-menschlicher Umwelt sind essenziell, da sie einen „Gegendiskurs zum linearen anthropozentrischen Fortschrittsnarrativ [bilden], das zu den Krisen der gesteigerten Moderne bis hin zur Weltrisikogesellschaft geführt hat“ (Zapf 2019b, 369; vgl. auch Buell 2005).

      Ein Beispiel für kulturelle Nachhaltigkeit aus dem literarischen Bereich liefert die kanadische Autorin Margaret Atwood mit ihrer MaddAddam-Romantrilogie (2003, 2009, 2013). Letztere lotet mögliche zukünftige Lebensbedingungen in einer zerstörten Umwelt und unter einem korrupten, menschenverachtenden, totalitären sozio-politischen System aus. Sie erlaubt es Leser*innen, eine postpandemische Welt kognitiv, normativ und emotional zu erleben. Atwood beschreibt guerilla- und urban gardening-Projekte als nachhaltige Formen von Gartenbau und Landwirtschaft und als dringliche Optionen alternativer Lebensführung, die Respekt für Natur und Tiere miteinschließt und die Mensch-Natur-Beziehung, den Umweltschutz sowie alternative Formen der Ökonomie und Gemeinschaftsbildung zentral setzt. Sie lädt Leser*innen dazu ein, die eigene Lebensführung zu reflektieren und sich u.U. sogar in Nachhaltigkeitsprojekten und für nachhaltigere Lebensformen zu engagieren. Kulturelle Produkte haben folglich das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten und zur Entwicklung einer neuen, ökologisch orientierten Ethik beizutragen, die den anthropozentrischen Fokus traditionell ausgerichteter Ethiken durch einen ersetzt, der die nicht-menschliche Welt, d.h. Natur und Tiere miteinschließt (s.u. 3.2; vgl. Rippl 2019a, 223–224; Zapf 2008, 854).

      Kulturelle Nachhaltigkeit lässt sich auf besonders fruchtbare Weise nicht nur im Zusammenhang mit Literatur, sondern auch anhand anderer kultureller Produkte wie Kunstwerke, Filme, religiöse Narrative etc. diskutieren, da diese un-/ökologische Vorstellungen verhandeln, aber auch prägen können. Seit den 1970er-Jahren erfährt z.B. ökologisch orientierte bildende Kunst, häufig Eco-Art genannt, weltweit zunehmende Aufmerksamkeit (Weintraub 2015). Eco-Art macht auf verschiedene innovative Weisen, etwa über eine spezifische Themen-, Format- oder Materialwahl, auf die Dringlichkeit von Nachhaltigkeit aufmerksam (Kagan 2011 und 2019). Beispiele sind Robert Smithsons Installationen in Wüstenlandschaften oder George Steinmanns gesellschaftspolitisch relevante transdisziplinäre Installationen, die darauf abzielen, im Zeitalter des Anthropozäns Nachdenken und damit ethisches, nachhaltigeres Verhalten zu initiieren. Auch Eduardo Kacs ‚bio art‘, dessen biotechnologische Kunstpraktiken in Labor stattfinden, wo Bakterien und andere lebende Organismen verwendet und modifiziert werden, ist in unserem Zusammenhang zu nennen. In seinem Werk Natural History of the Enigma (2003–2008) verschmolz der Künstler seine eigene DNA mit den genetischen Komponenten einer Petunie und nannte das hybride Wesen ‚plantimal‘. Ein weiteres Beispiel ist Carsten Hoellers SOMA-Installation im Berliner Hamburger Bahnhof 2010 (cf. Hildebrandt 2011).

      Neben Romanen wie Atwoods The Year of the Flood oder Don DeLillos Underworld (1998), der sich mit der technisch-ökonomischen Globalisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt und neben Abfalldeponien, Müllhalden, Ablagerungen von Giftmüll und der ‚waste art‘ der Künstlerin Klara Sax in langen Ekphrasen auch die Unterwelten des kulturell Verdrängten Amerikas beschreibt (vgl. Zapf 2019b, 373–374), dürften Science-Fiction-Filme wie James Camerons Avatar (2009) ebenfalls grossen Einfluss auf die Art und Weise haben, wie wir unseren Planeten Erde, die rasante Globalisierung, den Kampf um Ressourcen und unsere Beziehung zur nicht-menschlichen Natur denken. Sich mit solchen kulturellen Produkten auseinanderzusetzen heisst, sich auf abweichende Vorstellungen von einem guten Leben und einer nachhaltigen Zukunft einzulassen, ohne andere Sichtweisen vorschnell abzutun, sondern sich der Komplexität unserer Welt zu stellen. Im Sinne einer kulturellen und literarischen Ökologie lässt sich festhalten, dass die kulturwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung Visionen möglichen Handelns und Erlebens analysiert, wie sie besonders im fiktionalen Bereich, aber auch in anderen Narrativen zu finden sind, wo durch kreatives Experimentieren eine kulturelle Erneuerung der Gesellschaft ständig antizipiert wird und Kontinuität und Innovation austariert werden.

      3.2 Kulturelle Nachhaltigkeit – Ökologisches Imaginäres – Wertebildung

      Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass sich die kulturwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung intensiv mit unmittelbar normativen Fragen beschäftigt, weil gerade kulturelle Produkte, die komplexes Lebenswissen und zentrale Werte wie Respekt vor der Natur sowie die Vorzüge kultureller Diversität vermitteln, die gesellschaftliche Implementierung von Lebenswissen und Werten allererst gewährleisten. Ein grundsätzlicher Beitrag der Kulturwissenschaft zur Nachhaltigkeitsdebatte liegt

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