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epistemologisch zu rekonzipieren und anhand von innovativer Sprache, originellen Narrativen und frischen Bildern Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsvisionen und unser Verhältnis zum Planeten Erde und seinem Ökosystem neu zu denken, zu diskutieren, zu formulieren und zu transformieren.

      Der Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ hat eine zunehmende Verbreitung und Bedeutung erst aufgrund der ökologischen Krise im 20. Jahrhundert und der einsetzenden Umweltbewegung in den 1970er-Jahren erlangt. Er hat jedoch eine lange Vorgeschichte, denn Vorformen finden sich bereits in der Antike und der Vormoderne, auch wenn der Fokus meist auf dem Zeitalter des ‚Anthropozäns‘ liegt, dessen Beginn meist mit dem Aufkommen der Industriellen Revolution um 1800 angesetzt wird (Schliephake et al. 2020, 9–10). Allgemein gesprochen steht der Begriff für ein auf die Zukunft ausgerichtetes Verhalten, welches auf Bewahren und Haushalten setzt (zur Wortgeschichte s. Grober 2013, 18–21). Als Schöpfer des Nachhaltigkeitsbegriffs gilt bekanntlich Hans Carl von Carlowitz, der in seiner viel beachteten Schrift Sylvicultura oeconomica (1713) eine pflegliche, d.h. nachhaltige Holznutzung empfahl, die mit Ressourcen haushaltet (Grober 2013, 10, 112–120, 122–126). Das Konzept ‚kulturelle Nachhaltigkeit‘ lässt sich durchaus daran anknüpfen, blickt man auf die ursprüngliche Wortbedeutung von ‚Kultur‘ im Sinne von ‚pflegen‘ zurück. Um Nachhaltigkeit zu beschreiben, wird (z.B. in christlichen, auch evangelikalen Kreisen) die biblische Schöpfungsgeschichte herangezogen, die den Menschen dazu ermahnt, die Schöpfung zu bewahren. Eine andere, nicht weniger einflussreiche Begriffsbestimmung liefert der viel zitierte Brundtland-Bericht Our Common Future/Unsere gemeinsame Zukunft der UNO-Kommission von 1987, der Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung als eine Entwicklung beschreibt, „welche die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ (World Commission 1987, 43). Dies sind jedoch nur zwei der vielen Möglichkeiten, den Begriff zu fassen; eine verbindliche Definition des Begriffs ‚Nachhaltigkeit‘, die allen Verwendungsweisen gerecht würde, fehlt bis heute (Johns-Putra et al. 2017).

      2. Kulturelle Nachhaltigkeit

      Nachhaltigkeit ist ein normatives Konzept, das auf den sorgsamen und gerechten Umgang mit Ressourcen der Erde und folglich auf eine Balance von ökologischer Schonung, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlichem Wachstum abzielt. Neben diesen drei ‚Säulen‘ der Nachhaltigkeit wird meist vergessen, dass der Begriff Nachhaltigkeit von Anfang an auch eine wichtige kulturelle Dimension hatte. Was aber ist genau der Beitrag, den Kultur und Kulturwissenschaft zur Nachhaltigkeitsdebatte leisten können? Wenn man davon ausgeht, dass die Intervention der Kulturwissenschaft die Nachhaltigkeitsdebatte verändert, wie sie in ökologischen, ökonomischen und sozialen Kontexten geführt wird, welche neuen Sichtweisen können erbracht werden? Wie kann sie im inter- und transdisziplinären Dialog mit anderen Fächern der Environmental Humanities/der Umweltgeisteswissenschaften (Heise et al. 2017) – etwa Literaturwissenschaft, Theologie, Philosophie oder Kunstwissenschaft – in Nachhaltigkeitsdebatten eine wichtige Rolle spielen? Die Klärung dieser Fragen liefert die Grundlagen für Transformationen zur Nachhaltigkeit und insbesondere für die Entwicklung neuer transformativer Bildungskonzepte samt transdisziplinärer Ansätze und Methoden im Bereich nachhaltiger Entwicklung und ermöglicht innovative Überlegungen zu einer zukunftsorientierten Neugestaltung der Mensch-Natur/Umwelt-Beziehung.

      Zweifelsohne beeinflussen die eingangs diskutierten engeren und weiteren Verständnisse des komplexen Begriffs ‚Kultur‘, was man unter ‚kultureller Nachhaltigkeit‘ versteht, welche Rolle und Bedeutung man der Kultur und Kulturwissenschaft zumisst. Während ökologische, ökonomische und soziale Aspekte von Nachhaltigkeit seit dem Brundtland-Bericht von 1987 in öffentlichen und politischen Debatten als Themen präsent und mittlerweile auch in den Lehrplänen europäischer Universitäten und Schulen verankert sind, wird von kulturellen Dimensionen von Nachhaltigkeit bislang zu selten und meist nur im Zusammenhang mit sozialen Aspekten von Nachhaltigkeit im Sinne von ‚kulturellem Erbe‘, ‚kultureller Diversität‘ oder ‚regionaler kultureller Vielfalt‘ gesprochen. Erfreulicherweise reflektieren jedoch internationale Nachhaltigkeitsdebatten in den letzten Jahren zunehmend die Funktion von Kultur im Sinne eines weiter gefassten Begriffs. Während die von der UNESCO organisierte Intergovernmental Conference on Cultural Policies for Development in Stockholm (UNESCO 1998b), aber auch der UNESCO and UNEP 2002 Johannesburg Roundtable on Cultural Diversity and Biodiversity (UNEP 2003) sowie der Beschluss des Johannesburg Summit on Sustainable Development für eine UN Decade of Education for Sustainable Development (UNESCO 2002) Anregungen gaben und sich jedoch auf Themen wie Respekt für kulturelle Diversität und Kreativität konzentrierten (UNESCO 1998a, 13–14; UNESCO 1998b, 93–104; UNEP 2003), wurde die umfassende Bedeutung der kulturellen Dimension von Nachhaltigkeit erst durch die Hanghzou Declaration der UNESCO anerkannt: Sie erklärte die Absicht, die Kultur ins Zentrum der Politik nachhaltiger Entwicklung zu stellen (UNESCO 2013). Zwar hätten die korrespondierenden UN-Resolutionen hinsichtlich der Rolle von Kultur konkreter ausfallen und früher publiziert werden können (65/166, 2010; 66/208, 2011; 68/223, 2013; 69/230, 2014; 70/214, 2015; vgl. Gerber 2019), aber immerhin proklamiert die 2015 verabschiedete UN-Agenda 2030 Sustainable Development Goals (SDGs = Ziele für nachhaltige Entwicklung), darunter einige Ziele, die sich direkt auf Kultur in einem weiteren Sinne beziehen, etwa hochwertige Bildung und nachhaltige (auch künstlerische) Gestaltung von Städten.

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