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auf das Unterrichtsgeschehen auswirkt.

      Zusammenfassend gesagt eignet sich das Bilderbuch als vielfältiger Gesprächs-, Schreibund künstlerischer Gestaltungsanlass in der Grundschule. Es animiert die jungen Literaturnoviz*innen zum Ausfabulieren kleiner „Was-wäre-wenn-Geschichten“, die ihnen aus dem kindlichen Spiel als „Prototyp späterer Übergangsphänomene“ (Habermas 1996, 324) vertraut sind, in dem die äußere Welt ebenfalls mit der inneren Realität überformt wird (vgl. Winnicott 1997; Neubaur 1987; für das literarische Lernen vgl. Abraham 1998, 2000). Sie können dabei auf das formelhafte Baumuster „Wenn ich ein*e … wäre, würde ich …“ zurückgreifen, das einerseits einen Sicherheit gebenden Rahmen für ihre individuellen Gedankenexperimente bietet, ihnen andererseits aber ausreichend Freiraum für divergente Lösungswege lässt (vgl. Abraham & Kupfer-Schreiner 2007, 20).

      2.3 Dokumentarische Methode

      Der erkenntnistheoretischen Differenz der beiden Sinnebenen tragen zwei Analyseschritte Rechnung. In der formulierenden Interpretation paraphrasiert der Forscher zunächst den immanenten, also den allgemein verständlichen und kommunikativ verfügbaren Sinngehalt, in diesem Fall das Was der Kindertexte und -zeichnungen. Dabei ist eine distanzierte Haltung gegenüber dem Datenmaterial erforderlich, die eine „Einklammerung des Geltungscharakters“ bedingt (Mannheim 1980, 80), denn es ist nicht von Interesse, ob etwas ‚wahr‘ oder ‚richtig‘ ist, sondern was sich darin über die Akteure und ihre Orientierungen manifestiert (vgl. Bohnsack 2014, 65). Im Mittelpunkt der reflektierenden Interpretation steht hingegen der dokumentarische Sinngehalt der Darstellungen. Der Forscher rekonstruiert das Gesagte, Geschilderte, Erzählte, das, was thematisch wird und somit den immanenten Sinngehalt, als Dokument einer handlungsleitenden Orientierung, die ihrerseits das schriftsprachlich oder bildlich Ausgedrückte (implizit) strukturiert. Bei diesem Vorgehen berücksichtigt der Interpret auch die eine Orientierung begrenzenden Horizonte, die entweder implizit in das Datenmaterial eingelassen sind oder die von den Akteuren expliziert werden. Daher geht der Forscher stets der Frage nach, worin Individuen das positive bzw. negative Ideal und Potenzial eines Sinnzusammenhangs sehen oder wie sie die Umsetzung einer Orientierung einschätzen (vgl. u.a. Przyborski 2004; Bohnsack 2014, 136 ff.).

      3. Auswertungen

      Die komparative Analyse der entstandenen Schülerprodukte belegt, dass die „Was-wärewenn-Frage“ die Kinder zu tiefgreifenden Gedankenexperimenten einlädt, in denen einige auch existenzielle Themen von Nachhaltigkeit adressieren, ohne dass die Lehrperson eine Beschäftigung mit ihnen intendierte. Darin offenbart sich, dass Sujets wie Umweltverschmutzung, Klimawandel, Urbanisierung und Armut in der Lebenswelt der Zweitklässler*innen omnipräsent sind und sie zutiefst beschäftigen. Wie die nachfolgenden Texte und Bilder bezeugen, benennen die Kinder diese globalen Herausforderungen nicht nur, sondern sie zeigen auch kreative Wege zu ihrer Lösung auf, in denen sich zugleich ihre alters- und entwicklungsspezifische Gedanken- und Gefühlswelt und ihre Sichtweisen auf die Welt materialisieren.

      3.1 Umweltverschmutzung

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       Abbildung 1: Wenn ich ein Besen wäre, würde ich um die Welt reisen und ich würde den Müll zusammen kären. Dan were die Welt saudera. Es gidt zu fiel Müll. Das ist nicht gut für die umweld. (Nora)

      In Noras Geschichte dokumentiert sich, dass die enorme Müllproduktion („zu fiel Müll“) kein länderspezifisches, sondern ein globales Problem darstellt, denn schließlich ist eine Reise ihrerseits als kehrender Besen „um die Welt“ notwendig, damit sich deren Situation verbessert und sie endlich wieder „saudera“ ist. Das Wechselspiel zwischen positivem und negativem Horizont tritt auch in ihrem Bild zutage, das im Unterschied zur Erzählung das imaginierte Handeln konkludiert: Die Sonne scheint und Müll ist weder auf einem der sieben Kontinente noch in den Ozeanen auszumachen, deren Unberührtheit und Sauberkeit auch die Verwendung der Farben Blau und Grün unterstreichen. Neben der Erdkugel befinden sich ein Besen und ein hoher Abfallhaufen, dessen unterschiedliche Schichten und Farben eine sorgfältige Mülltrennung nahelegen. Die Proportionen von Besen und Müllberg führen außerdem die schwachen Kräfte und enormen Anstrengungen des Mädchens vor Augen.

      Auch andere Kinder befassen sich mit der Verunreinigung der Natur, worin sich andeutet, dass sie in ihrer Lebenswelt allgegenwärtig ist und ihnen Sorgen macht:

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       Abbildung 2: Wenn ich ein Wal wäre würde ich mit meinen maul alles mül einsameln. Und dan wren alle glüglig. Auch die Tiere die unter wasser leben. (Mascha)

      Mascha legt das Augenmerk ausschließlich auf die massive Verschmutzung der Meere, die sie nach einer Verwandlung in einen (Grau)Wal gründlich zu reinigen gedenkt. Als Wal ließe sie sich wegen dessen Größe und Masse dabei von nichts und niemandem aufhalten, was die furchteinflößende orangene Augenfarbe noch zusätzlich verstärkt. Maßgeblich für die Wahl dieses Tieres scheint vorrangig sein großes „maul“ zu sein, das in Maschas Vorstellung überhaupt ausreichend Stauraum für die gesammelten Unmengen an Müll bietet. Anders als bei Nora ist der eigentliche Erfolg ihrer Idee nur schriftsprachlich und nicht bildlich erzählt, denn Mascha beabsichtigt mit ihrem Handeln, „alle“ Menschen und sogar „die Tiere die unter wasser leben“ endlich „glüglig“ zu machen.

      3.2 Urbanisierung

      Des Weiteren macht der Vergleich der Schülerprodukte evident, dass einige Kinder die fortschreitende Urbanisierung als erhebliche Gefahr für Menschen, Tiere und Pflanzen wahrnehmen:

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       Abbildung 3: Wen ich ein unweltschuzerin wäre, würde ich dafür Sorgen das nicht mer so file Heuser gebaut werden

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