Скачать книгу

leerte ihr Glas und griff nach ihrer Tasche. »Es war ein schöner Abend mit dir, aber jetzt möchte ich nach Hause gehen. Danke für die Einladung und gute Nacht, Henning.«

      »Ich bringe dich selbstverständlich nach Hause, Elli.«

      Die junge Frau seufzte leicht. »Danke, aber nein danke. Gute Nacht!« Sie winkte noch einen freundlichen Abschiedsgruß zu den Seefelds hinüber, die ebenfalls am Aufbrechen waren, und ging.

      Ellis Nachhauseweg war begleitet von sommerlicher Stille und fernem Wetterleuchten. Sie ging durch die mittlerweile vertrauten Gassen und überquerte den Marktplatz. In einiger Entfernung hörte sie Stimmen, die sich unterhielten, und leises Lachen. Familie Seefeld ging denselben Weg, bis sie am Marktplatz abbogen.

      »Elli, warte, wir können das letzte Stückchen zusammen gehen«, hörte sie ihre Freundin Anna rufen.

      Die beiden Frauen verschränkten die Arme miteinander und schlenderten die letzten Meter gemeinsam über den Platz hinüber zu den benachbarten Häusern, in denen sie wohnten. »Hattest du einen schönen Abend bei der Geburtstagsfeier?«, erkundigte Elli sich.

      »Ja, sehr!« Anna seufzte tief.

      »Hm, lass mich raten: das hat eventuell auch mit einem gewissen Sebastian Seefeld zu tun?«

      »Eventuell …«, antwortete die junge Hebamme mit einem ganz bestimmten Lächeln.

      »Du?« Ihre Freundin wurde plötzlich ernst. »Ist das was Ernstes, was du für den jungen Doktor empfindest?«

      »Ja, das ist es«, antwortete Anna ruhig. »Aber er weiß nichts von der Tiefe meiner Gefühle und soll es auch noch nicht wissen. Ich kann mich da auf dich verlassen? Für ihn ist es noch zu früh.«

      »Und für mich ist es, glaube ich, zu spät«, sagte Elli leise.

      »Du meinst, für dich und Henning?«

      »Er sagt, die alte Geschichte tut ihm leid, und er bemüht sich tatsächlich sehr um mich.« Elli schwieg nachdenklich.

      Anna blieb stehen und schaute ihre Freundin an. »Was wäre, wenn er wieder auf dich zukommt? Wenn Henning sich von neuem in dich verliebt?«

      »Ganz ehrlich?« Gedankenverloren zwirbelte Elli eine ihrer Haarsträhnen um den Finger. »Ich weiß es nicht, Anna, ich weiß es wirklich nicht.«

      »Wie gut, dass du es heute Nacht nicht entscheiden musst. Dein Ex-Mann ist ja noch länger auf Urlaub hier, und ihr werdet bestimmt noch mehr Zeit zusammen verbringen. Vielleicht findest du es dann heraus. Gute Nacht, Elli.«

      »Gute Nacht, Anna, schlaf schön.«

      Elisabeth ging zu ihrem Haus hinüber. Überrascht bemerkte sie eine Gestalt, die auf der Bank vor ihrem Geschäft saß. Die meisten Häuser des Dorfes lagen im Dunkel, und der Marktplatz war zu dieser Zeit unbeleuchtet, aber dennoch erkannte sie sofort ihren geschiedenen Mann. »Henning! Was tust du hier?«

      Er stand auf und trat zu ihr. »Ich bin einen anderen Weg gegangen, aber ich wollte sehen, ob du gut nach Hause gekommen bist.«

      »Wie du siehst, bin ich es. Gute Nacht, Henning!«

      »Elli?« Er legte seine Hände um ihre Ellbogen; es war kein unangenehmes Festhalten, sondern eine liebevolle, fürsorgliche Berührung. »Ich frage mich, ob ich dich wohl küssen darf?«

      »Probier’s doch einfach aus«, hauchte Elli. Sie hob ihm ihr Gesicht entgegen, und für einen atemlosen, herzzerreißenden, verrückten Moment verschwand die Vergangenheit, und es gab nur sie und ihn und diesen Kuss. Dann fauchte ein Windstoß um die Hausecke, und fernes Donnergrollen kündigte das Herannahen des Gewitters, das jenseits des Sternwolkensees heraufzog. Im Schein des Wetterleuchtens wirkten Elisabeths Augen dunkler als am Tag, und sie schienen zu lächeln.

      »Elli …?«

      »Das ist keine gute Idee, Henning.« Sanft entzog sie sich seiner Umarmung. »Gute Nacht.« Leise glitt die Tür hinter ihr ins Schloss.

      Der Mann blieb noch einen Moment inmitten des aufziehenden Gewitters stehen, dann schüttelte er über sich selbst den Kopf und ging eilig davon, ehe der Himmel seine Schleusen öffnen konnte.

      *

      Wie erwartet, war am nächsten Tag der Ansturm auf den neuen Krimi groß. In Windeseile hatte sich die Nachricht herumgesprochen, dass Til Tilsner in Bergmoosbach war, und immer wieder wurde Elli nach ihm gefragt.

      »Ich verstehe wirklich nicht, dass der Autor nicht in Ihrem Geschäft anwesend ist!«, bemängelte Miriam Holzer. »Das wäre doch eine unschlagbare Reklame für Sie.«

      Elli lächelte unverbindlich und verpackte das Buch. Natürlich wusste sie, dass Miriam recht hatte, aber ihr Stolz hinderte sie daran, hinter Til Tilsner her zu telefonieren. Der Vorschlag einer Lesung war von ihm gekommen, also sollte er sich auch darum kümmern. Elli hatte nicht vor, ihn in seinem selbstherrlichen Verhalten zu unterstützen.

      Zu den Kunden, welche den neuen Krimi kauften, gehörte auch Henning. Ellis Magen schlug einen kleinen Purzelbaum, als ihr ehemaliger Mann vor ihr stand und sie anlächelte. Plötzlich konnte sie den Kuss der letzten Nacht wieder spüren. Hennings Haare waren untypisch zerzaust, was ihm ein charmant-jungenhaftes Aussehen verlieh. In seinem offenen Hemdkragen hatte sich ein Zweiglein einer Ligusterhecke verfangen.

      »Wo bist denn du gewesen?«, erkundigte sich Elli. »Du siehst nach einem Abenteuer aus.«

      Henning schmunzelte. »Auf dem Weg zu dir bin ich einem ziemlich verzweifelten kleinen Jungen begegnet, dem sein Welpe entwischt war. Anweisung von Mama und Papa war gewesen, den umzäunten Garten in keinem Fall zu verlassen! Aber was soll man tun, wenn Freundin Marei daher kommt und unbedingt auch mit dem Hundebaby spielen will? Tja, und da ist der Welpe schneller durchs Gartentörchen gesaust, als der kleine Junge es wieder hatte schließen können.«

      »Das kann nur der Hubi Leutner gewesen sein, der hat vor ein paar Tagen seinen heiß ersehnten Hund bekommen. Es ist so ein süßer schwarz-brauner Mischling, der Pepper heißt.«

      »Du bist wirklich hier angekommen«, stellte Henning mit einem Lächeln fest. »Kennst sogar die Namen kleiner Jungs und ihrer Haustiere.«

      »Natürlich, ich lebe hier.« Zufrieden stellte Elli fest, wie sehr sie sich ihrer neuen Heimat bereits verbunden fühlte. »Und du hast also bei der Suche geholfen? Obwohl du eigentlich mit Kindern nichts anfangen kannst und mit Hunden sowieso nicht?«

      Hennings Lächeln wurde wehmütig. »Als Hubi und dieser Wirbelwind Marei so verzweifelt vor mir standen, da musste ich plötzlich an die Kinder denken, die wir nicht bekommen haben, Elli. Ich konnte gar nicht anders, als ihnen zu helfen. Und gefunden haben wir den kleinen Ausreißer dann hinter der Hecke neben deinem Grundstück. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erleichtert die Kinder gewesen sind!«

      Elli konnte kaum glauben, was sie hörte: Henning war durch eine Hecke gekrochen, um zwei fremde Kinder glücklich zu machen? Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, und spielte gedankenverloren mit den Flyern, die auf ihrem Tresen ausgelegt waren.

      Henning deutete auf die hübsch gestalteten, dunkelblauen Zettel. »Am Wochenende findet das alljährliche Lichterfest am Sternwolkensee statt? Das klingt hübsch. Hast du Lust, mit mir zusammen dort hinzugehen?«

      Elli musste nicht lange überlegen. »Ich bin mit Anna und den Seefelds verabredet, aber das heißt nicht, dass du und ich uns dort nicht treffen können. Ich freue mich, Henning.«

      »Ich mich auch! Wir sehen uns dann am Sternwolkensee?«

      »Gern! Bis dahin, Henning.« Sir reichte ihm das eingepackte Buch, und für einen flüchtigen Augenblick berührten sich ihre Hände.

      »Bis bald, Elli!«

      Unter der Ladentür traf Henning auf Doktor Benedikt Seefeld, der mit Nolan an der Leine das Geschäft betrat. Mit einem Blick auf Dante, der im Schaufenster saß und interessiert das Treiben auf der Straße beobachtete, fragte er: »Sollte Nolan lieber draußen warten?«

Скачать книгу