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gab es auch etwas zu feiern. Traudel, die gute Seele der Familie, hatte Geburtstag. Da immer sie es war, die im Alltag und an Festtagen die Hauptarbeit erledigte, hatte Benedikt Seefeld darauf bestanden, die Familie und enge Freunde zu einer Feier einzuladen. Traudel sollte keinen Finger rühren und alles nur genießen. Auf der Terrasse am Sternwolkensee war eine Tafel für zwölf Personen festlich eingedeckt und wartete mit weißem Leinen, Kerzen und Blumensträußen auf Familie Seefeld und ihren Ehrengast.

      Traudel Bruckner trug ein taubenblaues Festtagsdirndl, das ihre rundliche Figur wunderhübsch zur Geltung brachte. Ihr Augenstern Emilia hatte darauf bestanden, dass Traudel Blumen im Haar tragen sollte, und hatte für sich selbst auch einen zarten Kranz gebunden. Sie sah hinreißend aus, und ihr Freund Markus konnte kaum die Augen von ihr abwenden.

      Benedikt Seefeld hielt eine innige Dankesrede auf Traudel, die so fraglos nach dem Tod seiner jungen Frau ins Haus gekommen war und das Leben der zerbrochenen kleinen Familie wieder zusammengefügt hatte. Als er geendet hatte, schimmerten Tränen in Traudels dunklen Augen. Seit so vielen Jahren lebte sie mit ihrer stillen Liebe zu Benedikt, dem charmanten Doktor mit den silbernen Haaren. In Augenblicken wie diesem fühlte sie sich ihm so nahe, wie sich zwei Menschen, die ein langes Stück des Lebenswegs gemeinsam gegangen waren, nur sein konnten.

      Elli blickte lächelnd zum Tisch der Seefelds hinüber. »Sie sehen so glücklich aus«, sagte sie versonnen. »Obwohl das Leben dieser Familie so schwere Prüfungen auferlegt hat, sind sie nicht daran zerbrochen. Ihr Glück und ihre Zufriedenheit strahlen auf die Menschen in ihrer Umgebung aus.«

      »Was ist denn in ihren Familien geschehen?«, erkundigte sich Henning.

      »Sowohl der Vater, Benedikt Seefeld, als auch der Sohn haben ihre Ehefrauen sehr früh durch den Tod verloren.«

      »Das tut mir leid.« Henning schaute ernst auf die Frau, die einmal seine Ehefrau gewesen war. »Es muss furchtbar sein, wenn eine glückliche Ehe auf diese endgültige Weise endet.«

      Elli fühlte einen Stich im Herzen, aber es tat längst nicht mehr so weh wie früher. »Es gibt andere Umstände, eine Ehe zu beenden, aber auch die sind endgültig«, erwiderte sie schlicht.

      Henning griff nach ihren Händen. »Elli, ich habe damals einen großen Fehler gemacht. Du weißt nicht, wie sehr ich den bereut habe!«

      Die junge Frau schaute ihn prüfend an. »Und was sagt Maja dazu?«

      Henning senkte den Kopf, aber er ließ ihre Hände nicht los. Er musste Ellis Gegenwart ganz einfach körperlich spüren. »Es war ein Fehler«, wiederholte er leise. »Es hat nicht geklappt mit Maja und mir.«

      »Ach!« Nein, Elli wollte den leisen, triumphierenden Unterton in ihrer Stimme nicht unterdrücken. »Und wie lange hast du gebraucht, bis du das bemerkt hast?«

      »Zu lange!« Jetzt schaute Henning ihr ins Gesicht, und Elli erkannte sein ehrliches Bedauern.

      »Wir haben uns nach zwei Jahren getrennt.«

      »Und danach?«

      »Ein, zwei flüchtige Bekanntschaften. Es war nie etwas Ernstes, ich wollte keine dauerhafte Beziehung.«

      Elli spielte in Gedanken versunken mit ihrem Weinglas, dann schüttelte sie leicht den Kopf. »Henning, dieses ist mein Abend. Wir wollten meinen Neustart und meine Selbstständigkeit in Bergmoosbach feiern. Ich möchte jetzt nicht über deine Vergangenheit sprechen!«

      Henning hob ihre Hand an seine Lippen und küsste sie sanft. »Recht hast du. Auf dich, deinen Mut, deinen Geschäftssinn und den Erfolg des ›Lesezeichen‹!« Er hob sein Glas.

      »Vielleicht sollte ich das Auftauchen dieses Starautors als gutes Zeichen werten?«, sagte Elli leichthin. »Er sitzt übrigens dort drüben am Ecktisch, schräg hinter Emilia Seefeld. Und ich habe das Gefühl, dass er schon eine gewisse Weile zu uns herüberschaut.«

      »Wundert mich kein bisschen«, lächelte Henning. »Du siehst bezaubernd aus, Elli.«

      Die junge Frau lachte amüsiert auf. »Spinner! So mürrisch und gelangweilt, wie er dreinschaut, hat er bestimmt etwas ganz anderes im Kopf als mein Aussehen.«

      Und damit hatte Elisabeth nicht ganz unrecht.

      Til Tilsner haderte mit seinem Schicksal, das ihn durch eigene Unachtsamkeit im ländlichen Bergmoosbach festhielt. Natürlich hätte er einen Leihwagen mieten und weiterfahren können, aber er wollte seinen Oldtimer nicht unbeaufsichtigt in der dörflichen Reparaturwerkstatt stehen lassen. Wer weiß, was man dort mit ihm anstellen würde! Außerdem fühlte der Mann sich nicht wohl. Zu den unklaren Beschwerden, die ihn seit Langem plagten, waren immer wieder heftige Kopfschmerzattacken hinzugekommen. Die Vorstellung, sich jetzt mit einem fremden Wagen auf die Weiterreise begeben zu müssen, erschreckte ihn. Das Steg-Haus war wirklich ein erstklassiges Hotel, wie er widerwillig zugeben musste. So etwas hatte er in der dörflichen Umgebung nicht erwartet.

      Außerdem würde morgen sein neuer Krimi auf den Markt kommen, und in diesem Provinznest gab es tatsächlich eine Buchhandlung. Wenn ihn nicht alles täuschte, dann saß deren aufmüpfige Besitzerin ein paar Tische entfernt und unterhielt sich. Der Autor nahm sie näher in Augenschein.

      Zweifelsohne eine attraktive Frau mit einer Wolke aus widerspenstigen, roten Haaren und feinen Gesichtszügen, aber sie trug ein Dirndl. Til Tilsner konnte die landesübliche Tracht nicht ausstehen. Andererseits konnte ihm egal sein, wie sie herumlief. Sie interessierte ihn nicht als Frau, sondern als Buchhändlerin. Was hätte ihm Besseres passieren können, um die langweilige Wartezeit hier zu verkürzen?

      Kurz entschlossen stand er auf und ging zu dem Nachbartisch hinüber. »Guten Abend! Hätten Sie einen Moment Zeit? Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen.«

      Elisabeth musterte den Autor nicht unfreundlich, aber mit deutlicher Zurückhaltung. »Ich höre?«, antwortete sie kühl.

      Til Tilsner zog einen Stuhl zu sich heran und setzte sich unaufgefordert an den Tisch. »Wie Sie sicherlich wissen, erscheint morgen mein neues Buch. Ich bin gezwungen, ein paar Tage hier im Ort zu bleiben, und könnte etwas Zeit erübrigen. Ihre Buchhandlung ist zwar sehr klein und liegt deutlich hinter denen, in denen ich normalerweise lese, aber dafür würde ich eventuell unter meiner üblichen Honorarforderung bleiben. Ich biete Ihnen die Chance, in Ihrem Geschäft eine Lesung abzuhalten.«

      Elisabeth sagte zunächst gar nichts, sondern musterte Til Tilsner nur mit einem spöttischen Blick. Dann öffnete sie ihre Handtasche und reichte ihm ihre Visitenkarte. »Ich werde darüber nachdenken«, antwortete sie. »Meine Telefonnummer steht auf der Karte, am besten erreichen Sie mich morgen ab zehn Uhr.«

      Dem Krimiautor blieb der Mund offen stehen vor Verblüffung. Kein begeisterter Dank? Kein Jubel, weil er in ihrem Geschäft anwesend sein würde? Und um allem die Krone aufzusetzen, beugte sich jetzt der andere Mann am Tisch leicht vor und sagte: »Pardon, ich glaube, Sie hatten sich nicht vorgestellt, Herr …?«

      »Tilsner. Til Tilsner«, antwortete der Schriftsteller pikiert.

      »Angenehm. Faber«, stellte Henning sich vor, ohne mit der Wimper zu zucken. »War nett, Sie kennenzulernen. Meine Frau und ich wünschen Ihnen noch einen schönen Abend, Herr Tilsner.«

      »Ähm, ja, danke gleichfalls«, stotterte Til, noch immer fassungslos über diese Art der Begegnung. Er erhob sich und verschwand im Hotel.

      Elli schüttelte den Kopf, und dann konnte sie das Lachen nicht mehr unterdrücken. »Tja, das scheint der Herr Starautor nicht gewohnt zu sein, dass man nicht vor Begeisterung nach Luft schnappt, wenn er einen mit seiner Anwesenheit beehrt. Er ist einfach unmöglich!« Ihre Augen funkelten vor Vergnügen. »Und du hast so getan, als ob du nicht weißt, wer er ist. Dabei hatte ich ihn dir doch gezeigt.«

      Henning schmunzelte. »Ich mag es nicht, wenn man sich unaufgefordert an unseren Tisch setzt. Und ich mag es nicht, wie selbstverständlich er über dein Geschäft verfügt. Er brauchte einfach einen kleinen Dämpfer.«

      »Da bin ich ganz deiner Meinung«, antwortete Elli, »und ich finde, du hast prima mitgespielt. Aber, mein Lieber, zum

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