Скачать книгу

las. »›Narbengeld‹ von Til Tilsner war ja der absolute Knüller! Ich kann kaum abwarten, dass sein nächstes Buch herauskommt.«

      »Nächste Woche ist es auf dem Markt. Es heißt ›Beute‹, und es wird mal wieder ein unglaublicher Wirbel um diesen neuen Tilsner veranstaltet.«

      »Hm, das klingt ja, als ob du Til Tilsner und seine Bücher nicht magst?«, fragte Anna erstaunt. »Er ist doch der Stern am Krimihimmel.«

      »Na, ja, seine Bücher sind schon gut«, musste Elli zugeben. »Aber er selbst scheint ein ziemlich arroganter Mann zu sein. Ich habe ihn einmal als Zuhörerin bei einer Lesung in München erlebt und fand, dass er ein selbstverliebter Fatzke ist.«

      »Hallo?« Anna ließ ihre Brezen sinken. »Wenn er ein so unangenehmer Zeitgenosse ist, warum liegen ihm dann die Frauen in Scharen zu Füßen? Er schwirrt doch andauernd durch die Klatschpresse und hat immer eine andere Schöne im Schlepptau.«

      »Keine Ahnung, was die alle an ihm finden.« Elli zuckte mit den Schultern und bestrich ungerührt die nächste Scheibe Landbrot mit Obaztem. »Mir ist er zu schön und zu grantig.«

      Anna musste lachen. »Schön und grantig, was für eine Mischung!« Sie schwieg einen Moment und spielte in Gedanken versunken mit den Brotkrumen auf ihrem Teller. Dann sagte sie bedächtig: »Ist dir eigentlich schon einmal die Ähnlichkeit zwischen diesem Til Tilsner und deinem Ex-Mann aufgefallen?«

      »Was?« Elli starrte ihre Freundin mit offenem Mund an. »Entschuldige bitte, spinnst du jetzt? Wie kommst du denn darauf!«

      »Sie sind beide groß und schlank, haben dunkle Haare und dunkle Augen, und beide sind gut aussehende Männer«, zählte Anna bedächtig auf.

      »Und da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf«, erwiderte Elli prompt. »Henning ist nett!«

      »Ach!« Anna musterte ihre Freundin mit ehrlichem Interesse. »Henning! Nett?«

      »Jawohl! Und einfühlsam!« Elli warf mit Schwung ihre rote Haarmähne über die Schulter zurück. »Geworden!«

      »Erzähl mal!«

      Und Elli erzählte ihrer staunenden Freundin von Hennings plötzlichem Auftauchen und dieser neuen, einfühlsamen Seite, die er ihr gegenüber an den Tag legte.

      »Donnerwetter! Dann muss er sich aber geändert haben, nachdem er dich für deine beste Freundin verlassen hat! Sind er und diese Maja eigentlich immer noch zusammen, haben sie geheiratet?«

      »Keine Ahnung! Er trägt jedenfalls keinen neuen Ehering.«

      »Hm, und diese Kleinigkeit ist dir natürlich gleich aufgefallen?«, lächelte Anna.

      »Ja, schon«, musste Elli zugeben. »Und irgendwie erstaunt mich das. Ganz im Ernst: ich habe seit Jahren nicht mehr an Henning gedacht.«

      »Und nun ist er hier, und die alten Gefühle sind wieder erwacht?«, fragte Anna behutsam.

      »Nein!« Annas Antwort kam schnell und entschieden. »Aber genau das ist es, was mich verwirrt. Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll! Er fühlt sich in mich ein, interessiert sich ehrlich für meinen Alltag, ist umsichtig … All das habe ich mir früher so sehr von ihm gewünscht!«

      »Und nun?«

      »Absolut keine Ahnung! Morgen Abend will er mit mir die Eröffnung feiern; ich warte einfach ab, wie es sein wird. Wie er sein wird, und was er von sich erzählt.«

      »Das klingt vernünftig«, stimmte Anna zu und dann gähnte sie herzhaft. »Jetzt bin ich auch fix und alle. Heute früh um vier hab ich einem kleinen Mädchen auf die Welt geholfen, und mittags kam bei der Haslingerin ihr kleiner Bub an. Ich glaube, jetzt hab ich wirklich Schlaf verdient, und außerdem hab ich Sehnsucht nach meiner Betty.«

      Betty war ihr junges, grau-schwarz getigertes Kätzchen.

      »Verständlich!«, lächelte Elli mit einem Blick auf ihren schnurrenden Dante.

      Die Freundinnen verabschiedeten sich. Elli ging ins Bad hinüber, um ihren Tagesabschluss mit einem gemütlichen Schaumbad zu krönen, und die junge Hebamme schob ihr Rad über den Marktplatz hinüber zur Apotheke, über der sie ihre Wohnung hatte.

      Und wie insgeheim erhofft, tauchten die Gestalten eines Mannes und seines Hundes am Ende der Gasse auf, die hinauf zum Doktorhaus führte. Doktor Seefeld machte die Abendrunde mit Nolan.

      »Hallo, Anna!«, grüßte Sebastian freudig. »Bist du so spät noch beruflich unterwegs?«

      »Hallo, Sebastian!« Annas hoffte, dass man ihr den beschleunigten Herzschlag nicht anmerkte. »Die beiden Babys, die heute angekommen sind, schlafen schon längst und ihre Mamas hoffentlich auch. Ich komme eben von Elisabeth Faber, wir haben ihren Anfang hier gefeiert.«

      »Es ist schön, wenn man bei einem Neubeginn nicht allein ist, sondern auf Menschen stößt, die sich für das interessieren, was man tut«, antwortete Sebastian.

      Anna antwortete mit einem Lächeln. Sie beide dachten an ihre eigene Zusammenarbeit und unter welch dramatischen Umständen die begonnen hatte.

      »Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, wie sehr ich mich freue, dass du meine Kollegin bist, Anna?« In Sebastians grauen Augen tanzte das Licht der aufgehenden Sterne.

      »Ungefähr ein halbes Dutzend mal«, antwortete Anna leise. »Und ich bitte dich, niemals damit aufzuhören.«

      »Mit Vergnügen!«, erwiderte Sebastian. Ganz kurz legte er seine Hand auf Annas, die ihren Fahrradlenker umfasst hielt. »Gute Nacht und schlaf schön, Anna Bergmann.«

      »Du auch, Sebastian Seefeld.« Sie umarmte ihn mit ihrem Lächeln.

      Für diesen Abend trennten sich die Wege des verwitweten Doktors und der jungen Hebamme, die einander Kollegen, gute Freunde und vielleicht auch schon ein bisschen mehr geworden waren.

      *

      Zwei Tage später musste Anna den Landdoktor zu einer ihrer jungen Mütter rufen. Wie es leider vorkommen kann, war unter den Verwandten, die unbedingt sofort das Baby besuchen wollten, eine Tante mit einer starken Erkältung gewesen. Prompt hatte sie die junge Mutter, die nach einer Kaiserschnittentbindung noch geschwächt und schonungsbedürftig gewesen war, angesteckt.

      Als sie wieder im Auto saßen, schüttelte die junge Hebamme empört ihren Kopf. »So etwas Rücksichtsloses! Wer besucht denn eine Wöchnerin mit ihrem Baby, wenn er einen Infekt hat? Denken die Leute überhaupt nicht mit? Und dann dieser Ehemann! Er hätte Tante Veronika schon an der Haustür abweisen müssen, wenn seine Frau noch zu schwach ist, sich gegen solche Besuche durchzusetzen!«, schimpfte sie.

      »Ich bin ganz auf deiner Seite«, antwortete Sebastian. »Aber du weißt, wie hier der Familienzusammenhalt ist. Hätte man den Besuch der Tante zu diesem Zeitpunkt abgelehnt, wäre das als persönliche Kränkung empfunden worden.«

      »Soll sie doch schmollen!«, murrte Anna. »Lieber eine beleidigte Tante als eine Wöchnerin und ihr Neugeborenes, beide mit einem heftigen Infekt!«

      Unwillkürlich musste Sebastian lächeln. Er liebte Annas Temperament und ihr Engagement. Sie war von ganzem Herzen bei ihrem Beruf, ebenso wie er sein Leben als Arzt empfand. Mit einem Blick zur Uhr sagte er: »Vor der Nachmittagssprechstunde habe ich noch etwas Zeit. Hast du Lust, noch einen Kaffee zu trinken? Vielleicht bei Frau Fabers ›Lesezeichen‹? Ich habe gar nicht gewusst, wie nett man dort auf der Bank sitzen und es sich gutgehen lassen kann.«

      Anna strahlte ihn an. »Kaffee bei Elli, das klingt perfekt!«

      Wenig später hatte Sebastian seinen Wagen abgestellt, und er und Anna schlenderten über den Marktplatz hinüber zu Ellis Buchhandlung. Der Doktor besorgte zwei Tassen Cappuccino und setzte sich zu Anna in den Sonnenschein. Die junge Frau zog die Beine an und saß im Schneidersitz, das Gesicht der Sonne zugewandt. Goldene Lichter tanzten auf ihren brünetten Haaren, und ihre grünen Augen funkelten vor lauter Lebensfreude.

      Das Paar genoss die entspannte Stimmung in der schönen Umgebung. Die Sonne

Скачать книгу