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er von schwankenden Kornfeldern träumt, sagt er nachdenklich:

      »Ja! Die Sehnsucht nach der zerstörten Vergangenheit ist die schwerste Sehnsucht; sie gebiert die bittersten Stunden der Wehmut. Und alles andre, was Liwûna sprach, stimmte gut zusammen – wusste sie noch von mehr?«

      Seine ganze Vergangenheit zog vor ihm vorüber.

      Ich weiss noch,« versetzte Liwûna schnell, »von deinem lautlosen Gebet.«

      »Sei still!« sprach Kaidôh, »lass uns weiter schweben. Wir wissen nicht, ob wir die Schläfer stören – sie wollen doch weiter träumen.«

      Und die Beiden erhoben sich, indem sie mit den Armen um sich griffen, reckten ihre Glieder und verliessen das Nebelreich – schwebten empor und weiter durch die schwarze Schlucht, in der die Dämmerung so schwer an den Steinen hing, wie die schweren Stunden, in denen alles zu Ende zu gehen scheint.

      Kaidôh klagte über die Schwere.

      Da wandte sich Liwûna zur Rechten und schwebte durch ein gewaltiges Felsenthor.

      Kaidôh folgte.

      Und blaues Licht umfloss die Beiden.

      Das blaue Licht leuchtete wie Geisteraugen. Aber es umfloss nicht bloss Liwûna und Kaidôh – es hing sich auch an viele schwebende Köpfe, die wie blaue Schneeflocken aus der Lichthöhe herunterrieselten. Die schwebenden Köpfe waren auf der Schädelplatte sehr stark behaart, und alle hatten Vollbärte, die den ganzen Hals verdeckten. Und das blaue Licht hing an den Köpfen, als ob es sie herunterzöge.

      Liwûna sagte, das wären lauter Denker – grosse Denker – weises Volk!

      Und in den Haupthaaren der Denker fing es plötzlich zu brennen an; buttergelbe Flammen schlugen aus den Hirnschalen heraus, und durch die brennenden Haare entstand ein grosser Feuerregen – buttergelb war der. Liwûna schwebte mitten in den Feuerregen hinein; die gelben Funken rieselten knisternd um die perlgrauen Gewänder, die so dünn erschienen wie feinste Schleiergebilde.

      Kaidôh erschrak; er glaubte, die Liwûna müsste gleich Feuer fangen und brennen wie die Hirnschalen der Denker.

      Und besorgt flog der Erschrockene zu Hilfe.

      Doch seine Freundin wandte sich lächelnd um und meinte lustig:

      »So ganz gleichgültig scheine ich dir also nicht mehr zu sein. Das freut mich. Aber Angst brauchst du meinetwegen nicht auszustehen. Mir schadet das Feuer der Denker ebenso wenig wie dir. Warum wunderst du dich nicht, dass wir gar nicht Feuer fangen können?«

      Kaidôh gab keine Antwort, und sie flogen rasch durch die brennenden Köpfe durch in ein grosses Blumenreich.

      Berauschender Duft steigt da den Beiden in die Nase. Der Himmel ist hell und weiss wie Kreide. Doch unten blühen Riesenblumen – so hoch wie Berge – Blütenkelche so tief wie Thäler –Staubfäden wie schwankende Leuchttürme. An einer langen Mauer hängen Weintrauben, die so gross sind wie dicke Bündel aufgeblasener Luftballons.

      Ringsum ein Urwald aus Riesenblumen!

      Glockenblumen, die grossen Tempelhallen ähneln! Rosenstengel, die nicht von tausend Gorillas zu umspannen wären! Lilienkelche – so tief wie Kellergewölbe in alten Burgen.

      Lauter farbenstrotzende Blumenwälder unter dem weissen Kreidehimmel! Sehr viele dicke Blumen haben Blütenblätter – die sind gemustert – wie zusammengeknotete Salamander und Schlangen. Manche Blüten bestehen aus riesenhaften Schmetterlingsflügeln – faltenreich geknillt, verbogen und verschoben sind die. Und alles ist schrecklich bunt und so sammetartig. Der Blütenstaub liegt an vielen Stellen so dick, dass er farbigen Schneemassen gleicht.

      Eine Riesen-Gärtnerei!

      Die schweben langsam über den grossen Blumen dahin und blicken immerzu staunend in die Tiefe.

      Und erst nach geraumer Zeit brach Kaidôh das Schweigen.

      »Früher,« bemerkte er, »kam mir die Welt fast immer drollig vor; ich musste über alles lachen. Und jetzt empfinde ich nicht den geringsten Lachreiz, obwohl diese Riesenblumen einen ernsten Eindruck kaum erzeugen. Wie kommt es, dass ich so wenig lache? Kannst du mir das erklären?«

      Liwûna lächelte und sah recht zufrieden aus. Sie hatte jetzt hellbraune Augen und strohgelbe Haare. Sie erwiderte:

      »Die Welt wäre sehr eintönig, wenn sie fortwährend drollig wirken wollte. Sei doch froh, dass sie dir mal anders kommt. Das Trübe ist so selten unerträglich, und es ist dabei so notwendig an der Pforte der Klarheit. Diese würde uns ohne jenes gar nicht als Klares zum Bewusstsein kommen. Und du weisst doch: nur das Klare lacht hell! Ich freue mich übrigens, dass du dich schon mit mir unterhalten magst. Aber das Lachen, von dem du vorhin sprachst, lernt man zumeist nur dann, wenn man lange Zeit von vielen verbissenen Möpsen umgeben ist – und das wird dann gar kein helles Lachen. Den Möpsen hab ich dich nun entführt – die siehst du nie mehr wieder – daher lachst du nicht mehr so – wie du's gewöhnt warst. Du hast es ja gar nicht nötig, über die Verbissenheit zu lachen; die liegt ja hinter dir.«

      Liwûna lachte nach dieser Rede so laut und hell, dass aus allen Blütenkelchen ein tausendfaches Echo herausschallte. Das Echo war so fein und vielstimmig, dass die Beiden lange voll Entzücken dem Wohllaute lauschten. Und der stumpfe, weisse Kreidehimmel ward klarer.

      Es tauchten unten aus der riesigen Blumenwelt alte Tempelruinen empor; sie gaben dem Gespräch eine andre Richtung.

      »Sieh mal,« sagte Kaidôh, »hier entwickelt sich in mir wieder der Schmerz um die zerstörte Vergangenheit. Ich vermag es nicht, diesem Schmerze zu entfliehen. Es ist keine trübe Wehmut, die nur im eingebildeten Unmut weh thut – es ist echter, richtiger Schmerz.«

      »Der wird dir wohl ganz dienlich sein.«

      Also lautete Liwûnas Antwort.

      Und Kaidôh hatte das Gefühl, als tasteten alle Weltwesen wie die Blinden in der Welt umher – alles schien ihm unsichere Tasterei zu sein.

      Die Ruinen konnte er gar nicht überschauen – so gross waren sie. Sie waren auch stellenweise so überwuchert von Dorngestrüpp. Und er empfand es sehr schmerzlich, dass die Liwûna so schnell vor ihm weiterflog und sich gar nicht nach ihm umdrehte. Er hätte so gerne die Ruinen länger angesehen, um einen Ueberblick zu gewinnen. Es ging aber nicht; die Liwûna flog zu schnell.

      Bald zogen auch weisse Wolken unter seinen Füssen vorüber und verhüllten die ganze Blumenwelt und alle Ruinen.

      Als sich die weissen Wolken wieder auflösten, lagen mächtige schwarze Felsen unter ihnen. Und als sie nach oben blickten, waren auch oben schwarze Felsen.

      Die beiden schwebten durch eine grosse schwarze Felsenhöhle, in der es immer dunkler wurde.

      »Ein Blick in den Sternenraum,« rief Kaidôh, »ist doch das Grösste in dieser Welt. Warum, Liwûna, zeigst du mir keine Sternenwelten? Sind die alle zu gross für mich?«

      Es wurde ganz dunkel. Und Liwûna war nicht mehr zu sehen. Sie rief aus weiter Ferne: »Kaidôh! Kaidôh!«

      Das klang so voll Jubel, dass er gleich hinstürmte; er bewegte dabei so heftig die Fusszehen, dass sie ihm weh thaten.

      Als er wieder die Nähe seiner Freundin fühlte, hörte er sie leise rufen:

      »Duck dich, Kaidôh! Hier ist der Ausgang! Komm! Komm!«

      Er folgte und sah plötzlich rauschende Lichtfülle und – unzählige funkelnde Sterne.

      Und Kaidôh sah hinab – und unten glühten in grausiger Tiefe unzählige rote Sterne – die bewegten sich alle hin und her.

      Und Kaidôh sah hinauf – und da drehten sich Sterne um sich selbst – die schimmerten so wie Perlen.

      Und Kaidôh sah gradaus und rechts und links – und da wanden sich unzählige bunte Sterne durch den Raum – die hatten eckige kantige schlauchartige und linsenförmige Gestalt.

      Und Kaidôh sah hinter

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