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ohne was zu wollen. Ich glaube, unsre Willenlosigkeit ist unsre ganze Stärke – obgleich diese Worte so alt klingen wie die Ruinen eines Götterlebens.«

      Da rauschte wunderliche Musik durch viele Luken in die transparente Hohlkugel hinein, und die Sänften schwebten einer fernen Rosette zu.

      Und viele Geister wiederholten Knipos Worte: »Ich glaube, unsre Willenlosigkeit ist unsre ganze Stärke!«

      »Ja, ja!« rief Knipo »,wenn wir willenlos sind, so kann eine andre Kraft – ein Jenseitswille – in uns lebendig werden. Und es ist doch so seltsam, daß wir trotzdem unsre Selbständigkeitssucht für die Dauer nicht unterdrücken können.«

      Rauschend klangen die Wassermelodien um Knipos Ohren – und er vergaß seine Rede.

      Und die Geister schwebten durch die Rosette aus der Hohlkugel raus in andre Säle – wieder ging's teils im Zickzack, teils in großen Bogen weiter.

      Und so gelangten die Geister nach langer, langer Zeit in den Zorntempel.

      Dort wurde die Stimme der Geister gleich ganz rauh; kaum hatte Knipo ein paar Worte gesprochen, so merkte er schon den Hohn im Ton, daß er vor sich selbst zusammenschrak wie ein Verfolgter.

      Im Zorntempel wurden alle sehr zornig – da sahen auch die Fenster wie rotglühende Augen herunter – und die durchsichtigen Säulen waren gewundene Schlangenund die Musik donnerte – und die Götterbilder ähnelten griffsicheren Raubtieren.

      Und Knipo mußte wieder sprechen – und er sprach, als wenn ein Geist in ihn gefahren wäre, der ihm so lange fremd blieb, mit rauher bebender Stimme: »Das wahre Glück besteht nur in der langsamen rachsüchtigen tückischen Vernichtung alles dessen, was da lebt. Den einzigen Schmerz, den wir für den wahren halten müssen, bildet die Empfindung, daß es doch leblose Dinge geben dürfte, die wir vielleicht niemals vernichten könnten, da sie ja infolge ihrer Leblosigkeit auch unsterblich sein könnten.«

      Ein wieherndes wahnsinniges Gelächter durchbraust den vieleckigen Zorntempel.

      Und die Sänften drehen sich alle so fix um sich selbst, daß den Geistern ganz schwindlig wird.

      Knipo brüllt aber aus vollem Halse: »Nur die Zerstörung kann die Entwicklung fördern.«

      Eine Götterfratze tut ihren Rachen auf und spricht mit hohler Metallstimme: »Ich bin der gebändigte Tiefsinn dieser Welt – ich bin der Gott des unsterblichen Augenblicks.«

      Da steigt den Geistern etwas Unbekanntes im Leibe empor und bleibt ihnen in der Kehle stecken – wie eine kalte Faust. Und sie fürchten sich.

      Jetzt erhalten die roten Luken, die wie glühende Augen ins eckige Innere des Zorntempels hinunterglotzen, eine heftige Anziehungskraft.

      Und im nächsten Augenblick sind alle zehntausend Geister draußen.

      Und sie fliegen aus ihren Sänften raus auf ein schräges glattes Glasdach. –

      Auf dem Glasdach genießen sie einen weiten Rundblick über die gesamten transparenten Tempel und Wasserwerke.

      Die Sänften sind verschwunden.

      Schräg ist das Glasdach, und die Geister rutschen langsam runter – doch sie sehen drüben eine große Kugel – einer bunten riesigen Seifenblase ist sie nicht unähnlich. Und von der Kugel gehen unten mehrere schlauchartige Gebilde heraus, von denen eines im nahen Zorntempel endigt. Und die Geister sehen auch die durchsichtigen Wasserwerke und hören die Musik, die jetzt so wenig durchsichtige Melodien hat.

      Und die Geister sagen sich, daß die schlauchartigen Gebilde, die transparent sind und zur Mittelkugel führen, die Saalreihen vorstellen, die sie in den Sänften durchschwebten – und sie wundern sich, daß von den Bewohnern dieser Tempel auch draußen keine Spur zu entdecken ist.

      Die Geister staunen alles an und rutschen auf dem schrägen glatten Glasdach immer weiter runter dem Rande zu.

      Und schwarze ungeheure Kapuzen sinken hernieder und bedecken die Architektur nebst den Wasserwerken, der Krallenrand der Kapuzen hakt sich unten schnell fest und die Geister sehen nicht mehr die transparente Welt.

      Alles Licht ist fort, und die Musik ist mit einem Male zu Ende.

      Die Geister rutschen immer weiter – und fürchten sich – vor einem großen Fall.

      RASEREI!

       Inhaltsverzeichnis

      Geister, die auf einem schrägen Glasdach immer weiter runterrutschen und in der Dunkelheit die große Angst vor dem Unbekannten empfinden, sehen in der Ferne weiße Punkte aufleuchten.

      Die weißen Punkte werden größer, und die Geister erkennen, daß sich weiße Vögel ihnen nahen – leuchtende Vögel.

      Die Vögel sind sehr groß, und in ihren großen Krallen haben sie große blanke Scheren. Molchköpfe haben die Vögel, und sie sagen zu den Geistern mit glucksender Stimme: »Wenn Ihr wollt, so könnt Ihr jetzt selbständig werden; mit unsern blanken Scheren können wir die Spinngewebefäden, die Euch an Eure Sterne fesseln, zerschneiden.«

      Die Geister rufen natürlich: »Los! Los! Schneidet nur zu!« Da werden die Vögel so leuchtend hell, daß wieder die glitzernden Fäden zu sehen sind – und die werden dann gleich eifrig von den Vögeln entzweigeschnitten; die Scheren klappern wie in einem großen Friseurladen; es sind wohl einige hundert Scheren in Bewegung.

      Und die Geister sind frei!

      Und sie jauchzen und schweben gleich hoch in die Luft hinauf – und in die nächste Sternenwelt hinein.

      Die Sternschwere ist fort, und die Geister sausen dahin wie flinke Kometen – nur noch flinker.

      Alles Lästige ist fort.

      Frei sind die Geister.

      Und dahin schießen sie – bald so schnell wie Billionen Orkane zusammen.

      Die Sterne flitzen nur so vorüber, daß die Geister bald gar nicht mehr sehen, an was für Sternen sie vorüberjagen.

      Die Geister haben gar keine Zeit, sich das Aussehen der Sterne anzusehen – ob die eckig, rund oder schlauchförmig, scheibenartig oder wie Trichter sind – ist ja saumäßig piepe den freien Weltjägern, die nur empfinden wollen, daß sie frei sind – und hinschießen können, wohin's ihnen paßt.

      Und sie wollen hinaus in die freiste Welt – dorthin, wo's keine Sternwelten mehr gibt.

      Und die Sterne bilden für ein paar Augenblicke glitzernde Fäden rechts und links von den Geistern – so schnell schießen die dahin.

      Und dann sind die Geister in einer Weltgegend, die frei von allen Sternen ist – alle großen Sternwelten zusammen bilden da bald bloß einen kleinen Lichtpunkt – und auch der verschwindet.

      Und es ist finster, und Knipo wird zum Anführer der zehntausend ernannt.

      Jetzt glauben die Geister, sie könnten aus einer Weltecke in die andre fahren; und sie setzen dem Knipo auseinander, daß er ihnen sämtliche Weltwunder zeigen müsse.

      Knipo meint, er möchte wohl zunächst alle unsichtbaren Weltwunder sehen.

      Doch auch die absoluteste Freiheit hat ihre Schranken – die Geister können das für sie Unsichtbare nicht erblicken.

      Da schlägt Knipo vor, die großen bunten Gasräume zu besichtigen.

      Und sie fliegen wieder raus aus der Finsternis – wieder an unzähligen Sternen vorüber, die ungeheure Polypen sind und grade die Absicht haben, sich gegenseitig die langen Beine auszureißen.

      Wie die Polypen immerzu die Farben wechseln!

      Aber die Geister haben keine Zeit, dem Spiele zuzuschauen – und an manchen anderen Sternschauspielen fliegen sie ebenso schnell vorüber, daß schließlich rechts und links von ihnen wiederum nur noch

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