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      Mit verwehten olivgrünen Wolkenschleiern beginnt es. Hinter den Schleiern entstehen dunkelgrüne Flecke, die rund werden und bald kleiner und bald grösser erscheinen. Und flockiges, rosa leuchtendes Gewölk sinkt von oben dazwischen und hängt bald wie zerzauste Watte da – so still wie alte Träume.

      Aus allen Wolken fallen Bänder, die sich ringeln und immer dünner werden – so dünn wie Haare. Blond sind die Haare, sie verlieren allmählich das Krause und hängen sich in schlaffen Strähnen über die dunkelgrünen runden Scheiben, die starren Augen gleichen. Die olivgrünen Wolkenschleier schwanken, als wärens Schaukeln. Das rosa leuchtende Gewölk hängt dazwischen ganz ruhig. Die blonden Haare zittern vor den grünen Augen.

      Neben mir sagt nun eine mir sehr bekannte Stimme:

      »Weisst du immer noch nicht, wer bei dir ist? Blick mich doch einmal an!«

      Ich drehe den Kopf und sehe eine Frau neben mir; sie hat grosse, meergrüne Augen. Ich weiss, wer es ist. Aber ich fühle keine Erregung; es wird nur noch stiller in mir.

      Wir schweben oben durch das rosa leuchtende Gewölk zusammen empor – immer höher. Sie bleibt bei mir.

      Und die Farben verschwinden unter uns.

      »Ich bin nicht so, wie du denkst!« sagt sie da plötzlich.

      Ich bewege heftig meine Fusszehen und fliege hinauf wie ein Pfeil; die Sterne sausen neben mir runter, als wenn sie fielen. Ich bin sehr ungeduldig.

      Doch meine Begleiterin bleibt an meiner Seite. Ich fühls; es geht langsamer.

      Aus dem nachtschwarzen Himmel tauchen abermals farbige Wolken heraus, diesmal sinds purpurrote und goldene Wolken; sie ziehen sich in langen Streifen rund um den Raum, sodass ich die Empfindung habe, in einem schwarz-roten-golden gestreiften Bienenkorbe emporzuschweben.

      Ich drehe meinen Kopf meiner Begleiterin zu und sehe, dass sie anders aussieht. Ihr Gesicht ist mir allerdings wiederum sehr bekannt; heisse, braune Augen und rote Backen glühen mir wild entgegen.

      Ich bewege wieder meine Zehen und schiesse oben aus dem Bienenkorbe raus.

      Doch meine Begleiterin schwebt an mir vorbei, und ich erschrecke.

      Sie ist jetzt so furchtbar gross und üppig wie eine Riesendame auf Jahrmärkten.

      Sie schwebt dicht vor mir, und ich höre, wie sie leise sagt:

      »So küss mich doch!«

      Ihr Gesicht kann ich nicht sehen, ich sehe nur ihren breiten, weissen Nacken und zwei lange, braune Zöpfe, die auf einem gelben Seidenkleide hin- und herpendeln.

      Ihr Kopf ist mit meinem Kopf in der gleichen Höhe, und ich komm ihrem Rücken ganz nahe und greife mit der Linken in ihren vollen Arm. Doch die Hand geht gleich durch ihren ganzen Leib, und die Riesendame lacht wie ein Kobold.

      Und sie sagt lachend:

      »Ich bin doch nicht aus Fleisch und Blut. Was fällt dir denn ein? Ich bin doch Liwûna. Und du bist doch Kaidôh. Weisst du das noch nicht?« Ich muss lächeln und erwidre traurig:

      »Also Kaidôh bin ich? Na ja, ich ahnte ja stets, dass ich was andres sei.«

      »Natürlich!« ruft sie, »sonst könntest du doch nicht so fein fliegen. Wir sind beide aus sehr feinem Stoff; Luft ist plump wie Blei dagegen. Pass auf, was deine lustige Liwûna machen kann.«

      Dabei dreht sie sich um, zieht aus der Rocktasche ihres gelbseidenen Kleides zwei grosse Gewichte hervor, die viele Centner schwer zu sein scheinen, und hantelt mit den Centnergewichten, dass ihr die blauen Adern auf der Stirn und an den Schläfen anschwellen.

      Ich frage sie, was das soll.

      Da thun sich die Centnergewichte auf, und es fallen lauter Botokudenregimenter mit Schornsteinfegern untermischt aus den Gewichten heraus. Die Kerls sehen so klein und drollig aus, dass ich herzlich lachen muss.

      »Gefall ich dir jetzt endlich?«

      Also fragt sie nun sehr rauh.

      Und ich muss noch mehr lachen, bewege aber gleichzeitig wieder meine Zehen, um höher zu kommen.

      Die Riesendame verschwindet unten, und ich denke mir, dass sie nicht so schnell fliegen kann – da sie ja so dick ist. Doch ich irre mich, denn ich fühle sehr bald, trotzdem ich mit rasender Hast höher steige, ihre Nähe wie zuvor.

      »Du entfliehst mir doch nicht!« flüstert sie hinter mir – mit einer ganz anderen Stimme.

      Ich drehe mich rasch um und blicke in ein kleines, feines, sanftes Gesicht mit grauen Augen, die so ernst und milde glänzen – wie ein guter Geist.

      Und sie flüstert:

      »Ich will so sein, wie du es willst. Ist dir das noch immer nicht genug?«

      Es liegt so viel Sehnsucht in diesen Worten, ich werde weich und sage sanft:

      »So schaff mir neue Welten – ganz neue, die ich mir noch niemals ausgedacht habe und auch gar nicht ausdenken kann.«

      Und ich höre die Liwûna erwidern:

      »Liwûna thut alles.«

      Und dann verlässt sie mich.

      In der Ferne höre ich sie rufen:

      »Kaidôh! Kaidôh!«

      Es wird alles dunkel und zuletzt ganz schwarz vor meinen Augen.

      Das Schwarze bleibt lange.

      Allmählich wirds aber drüben an einer Stelle heller, und ich sehe einen Stern – der sieht aus wie ein riesiger Diamant mit tausend feingeschliffenen Ecken und Kanten.

      Und der Sterndiamant dreht sich um sich selbst.

      Und seine Farben brennen.

      Mächtige, prächtige Lichtkegel in allen möglichen Farben drehen sich zuckend und zitternd durch die schwarze Nacht.

      Und die Farben brennen sich mir ins Auge, dass ich geblendet werde.

      Diamantenbrand!

      Ein buntes, ecken- und kantenreiches Farbenfeuer mit glitzernden Flächen, die sich immerfort durcheinander schieben.

      Und die spitzen Funken sind so grell.

      Ich muss die Augen zumachen.

      Ich halts nicht aus.

      Ich fühle, dass Liwûna mich fortzieht – ich bewege krampfhaft die Zehen.

      »Du kannst das nicht aushalten,« sagt sie mitleidig.

      Und ich werde sehr unruhig; Angstgefühle klemmen mir die Brust zusammen.

      »Ich kann das nicht aushalten,« spreche ich tonlos nach.

      Wir schweben weiter. Ich kneife die Augen fest zu; sie thun mir weh. Und dann bitte ich die Liwûna, mir andre Welten zu zeigen, die ich wenigstens ansehen kann.

      Sie redet mit sanfter Stimme lange Zeit auf mich ein, und ich wage es danach, wieder die Augen zu öffnen.

      Ich schwebe in einem zerklüfteten, schwarzen Gebirge. Die steilen Felswände sind so hoch, dass ich oben Stein und Himmel nicht mehr unterscheiden kann. Der Himmel wird immer dunkler. Und unter uns ist alles sehr tief, und in der Tiefe ziehen sich graue Nebelstreifen wie Schlangen hin.

      »Langsam!« ruft mir meine Begleiterin zu.

      »Ich weiss,« fährt sie fort, »dass du etwas suchst, aber ich weiss auch, dass du noch nicht weisst, wie das aussieht, was du suchst.«

      »Ja,« versetzte ich rauh, »ich weiss nicht, was ich suche. Dass ich aber etwas suche, das weiss ich. Ich suche?«

      Es umweht mich kühlende Luft. Liwûna sehe ich nicht, ich fühle nur ihre Nähe – und das thut sehr wohl.

      Da entdecke ich in der schwarzen Felsenwand einen Spalt, der hell ist. Ich nähere mich dem Spalt und blicke in ein grünes Wunderreich.

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