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oben hinter der Topaskuppel scheint sich was zu bewegen – wie Wolken.

      Und durch schimmernde Kristallpforten schweben die Sänften mit den Geistern in einen Saal, der beinahe ganz so wirkt, als wenn er aus Rubinglas bestünde – nur im oberen Teile sind verschiedene Luken mit türkisblauen Gläsern gefüllt-, und an den Wänden schimmert viel fein geschliffenes wasserhelles Kristall.

      Und die Geister bemerken, daß die ganze Architektur durchsichtig ist – wie Glas; sie sind in den transparenten Tempelhallen, von denen sie oft gehört zu haben glauben; wie eine lange bekannte Sache kommt ihnen die transparente Architektur vor – und doch ist nur ein kleiner Teil von Glas – die größeren Wandteile bestehen aus anderen Stoffen.

      Seltsame Musik dringt aus den Tiefen der rubinglasroten Tempelhalle herauf – es klingt, als käm's von unzähligen neuen Instrumenten.

      Während die Geister verwundert horchen, sehen sie viele Kristallschalen an den Wänden, und in die Kristallschalen fallen Tropfen aus verschiedenen Höhen hinein. Und durch diese Tropfen bildet sich die neue Musik; es sind allerdings noch andere Töne dabei, die den Schalen nicht gut entspringen können – doch hierüber werden die Geister im nächsten Saale aufgeklärt.

      Da setzen sich die Wände aus unzähligen Säulen verschiedenster Konstruktion zusammen – und die bilden kolossale Nischen. Hinten in den Nischen geht's fensterartig hinaus in ein weiteres Säulenreich; da draußen im Freien stehen durchsichtige Säulen, die farbige Lichtsäulen sind, mit großen Wassermassen in einem architektonischen Zusammenhange – bunte rauschende Wasserfälle und bunte durchsichtige Springbrunnen sind untereinander in ähnlichen Rhythmen gehalten wie die farbigen Lichtsäulen.

      Diese Wassermassen in der Ferne machen auch eine Musik – und die steht mit der Tropfenmusik der Tempelhallen in einem musikalischen Zusammenhange.

      Und zu der Wassermusik gesellt sich noch eine Windmusik, die in den durchbrochenen Wänden bald leiser und bald stärker auftönt und sich immer milde den Melodien und Harmonien der Wassertonwelt anschmiegt.

      Die zehntausend schweben in der nächsten Galerie, die sehr lang ist, auch an großen transparenten Standbildern vorüber, deren Inneres wunderbar leuchtet- wie flüssiges Edelgestein. Diese abenteuerlichen Gestalten spotten jeder Beschreibung; die Geister glauben, daß diese Standbilder lebendige Götter sind, obgleich Knipo dieser Behauptung lächelnd widerspricht.

      Nun geht's noch durch sehr, sehr viele Säle durch, und die Geister starren durch all die transparenten Wände durch – und sehen in eine Kaleidoskop-Architektur, in der die Farben so auf- und niederwogen wie die Regenbogenfarben in Seifenblasen.

      Jede Säule ist, ob sie bunt, farbig oder wasserartig ist, durchsichtig wie Glas – und die Galerien sind ebenso und die Kuppeln auch – und die Wände auch.

      Und alles ist so reich durch das, was hinter allem ist. Und wo durch eine Öffnung durchzusehen ist, da sehen die Geister immer wieder und wieder weitere transparente Architekturgebilde – und zwischen denselben Wasserwerke, die zumeist ebenfalls transparent wirken – und nur im Schaume was Kompaktes besitzen. Fernere Wasserstrahlen werden auch durch die Kuppelluken sichtbar, die hier und da offenstehen.

      Oft sehen die Wandsteine so wie Sammet aus – und sind trotzdem durchsichtig.

      Durch die stete Weiterbewegung der Sänften verändert sich die Wirkung dieser transparenten Tempelhallen in jedem Moment.

      Diese Farben- und Bewegungsreize sind so groß an Zahl, daß einzelne Eindrücke von der Wirkung der ganzen rauschenden Bilderfülle keine Ahnung erzeugen.

      Und die Wassermusik mit der Windmusik ist ebenso reich und überwältigend schon in wenigen Augenblikken, daß ans Ganze kaum zu denken ist.

      Alles ist in seifenblasenartiger Bewegung, so daß die Geister annehmen, Lebendiges sei draußen hinter den Wänden – und die Bewohner dieser transparenten Räume seien ebenfalls draußen.

      Und die zehntausend möchten so gern wissen, ob's Wurmgeister oder Sterngeister sind, die da draußen noch mehr Bewegung und Farbenspiel in die vielen Wände, Galerien und Säulen hineinzaubern.

      Und die Götterbilder wirken so geheimnisvoll – mit ihren abenteuerlichen Gliedern, ihren durchsichtigen Prunkgewändern und ihren durchsichtigen Köpfen.

      In der Tiefe sehen die Geister viele Kronen nebeneinander liegen und glauben daher, daß die Zahl der Standbilder in der Tiefe noch größer sei.

      Der Weg durch die vielen Tempelhallen, in denen die Musik oft nur leise flüstert, als wenn sie verbergen und nicht verkünden möchte, geht bald rechts und bald links – oft in großen Bogen und auch im Zickzack – labyrinthisch.

      Und dann sind die Sänften mitten in einem Raume, der viel größer ist als alle anderen zusammengenommen.

      Die Musik tönt hier so leise wie stille Gebete, doch die Stimmen der Geister tönen sehr laut, so daß die meisten erschrecken, wie sie den lauten Ton ihrer Stimme vernehmen. Und so schweigen bald alle.

      Der Knipo findet sich jedoch am schnellsten mit dem Schallwunder ab, und es überkommt ihn eine so große Redewut, daß er nicht mehr schweigen kann – und er redet – wie ein Erleuchteter – seine Stimme donnert durch den weiten Raum: »Wir wissen nicht, daß es eine Welt gibt, und trotzdem können unzählige Welten lebendig sein. Es können unzählige Welten schon tot sein – sie können auch noch geboren werden. Sie können auch nie geboren sein und dennoch lebendig sein. Was wissen wir, was Leben heißt! Können wir behaupten, daß wir leben? Es lebt der Baum ein andres Leben als der Stein. Mit dem Wort ›Leben‹ können wir jedesmal was andres meinen. Wir wissen aber nicht, was unser Leben heißt, und wissen nicht, was unser Sterben heißt. Wenn wir nun nicht wissen, ob wir leben oder sterben – tot oder lebendig sind – so muß es uns doch ziemlich gleichgültig sein, ob wir die Geister, die hier wohnen und doch nicht hier sind, für Wurmgeister oder für Sterngeister zu halten haben. Wenn wir so wenig mit unsern Worten anzufangen wissen, so dürfen wir doch nicht annehmen, daß das uns räumlich größer Erscheinende bedeutender ist als das uns räumlich kleiner Erscheinende. Vielleicht sind grade die Wurmgeister die wirklichen Götter. Was aber sind denn die Wurmgeister mehr, wenn sie sich Götter nennen dürfen? Stern und Wurm und Gott, Wurm und Gott und Stern – das sind doch schließlich bloß Worte! Laßt die Worte doch laufen – laßt sie ans Ende der Welt laufen – dann haben die Worte doch was zu tun und stiften kein Unheil.«

      Laut dröhnten Knipos Worte durch den weiten transparenten Raum, der wie eine allmächtige Hohlkugel wirkte. Und die ganze Kugel war im Innern doch köstlich gegliedert.

      Die Sänften schwebten auf und nieder, und die Geister reckten sich in den weichen seidenen Kissen. Ein Oben und Unten gab's für die Geister in diesem Hohlkugelraum nicht, so daß sie das herrliche Tempelgebiet nach allen Seiten durchschauen konnten.

      Auch hier wirkte die reich mit Säulen, Nischen, Galerien und Luken durchbrochene Wandung durch die ins Jenseits führende Transparenz; hier hatten die Geister so recht die Empfindung, in einer ungeheuren Seifenblase herumzuschweben.

      Aber es gibt verschiedene Seifenblasen, und die Kugel, in der Knipo so laut sprach, verdient nicht, daß man sie Seifenblase nennt.

      Die Kugelwandung war vom Mittelpunkt so weit entfernt wie ein ferner, ferner Sternhimmel.

      Auch diese Hohlkugel war ein Sinnbild der Unendlichkeit.

      Und Knipo redete zum anderen Male: »Liebe Brüder! Es ist schon viele Billionen Jahre her – da erlebten wir was, worüber wir heute noch lachen könnten. Damals wollten wir mal unser liebes sogenanntes Ich erweitern und mit diesem Ich die ganze Welt durchdringen – und auch alles das, was nicht in der Welt ist. Nicht bloß selbständig wollten wir werden, wir wollten sogar weltumspannende Persönlichkeiten – ganze Allwesen – werden. Wie klein muß uns damals die Welt vorgekommen sein! Heute halten wir die Welt nicht für klein und nicht für groß – wohl aber für eine so übergewaltige Sache, daß wir uns belächeln müßten, wenn wir uns einbilden wollten, wir hätten heute schon ein Recht, uns über die Bedeutung dieser Allumfassenden ein Urteil zu bilden.

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