Скачать книгу

holte tief Luft, nahm allen Mut zusammen und fragte: „Magst du Osterschweinchen?“

      „Osterschweinchen?“ Mama sah Laura verständnislos an. „Was soll das sein? Ich kenne Osterhasen und Osterküken und auch Osterlämmer, aber Osterschweinchen? Nie gehört. Warum fragst du?“

      „Weil wir welche im Garten haben“, wollte Laura gerade erklären, als Mama fortfuhr: „Und ich kenne Glücksschweinchen. Meinst du die vielleicht?“

      Laura nickte begeistert. Na klar, Glücksschweinchen. Das war es. Ihre Meerschweinchenbabys waren allesamt Glücksschweinchen. Osterglücksschweinchen genau genommen. Was für ein Glück, dass Mama selbst darauf gekommen war. Freudestrahlend lief sie auf Mama zu, schlang ihre Arme fest um Mamas Bauch, drückte ihre Nase in den so vertraut und gut nach Mama riechenden Pullover und flüsterte: „Ich wusste, du würdest dich freuen. Du bist die beste Mama der Welt.“

      „Moment mal!“ Sanft, aber bestimmt schob Mama Laura ein wenig von sich weg, hockte sich hin und blickte ihr forschend in die Augen. „Worüber soll ich mich freuen?“

      „Na ja“, begann Laura zögerlich – und dann erzählte sie Mama alles: von dem Nachmittag mit Mia und ihrem Meerschweinchen Paul und davon, wie gut Lotte und Paul sich vertragen hatten, von der Vorfreude auf kleine Meerschweinchenbabys und von der Geburt. Am Ostersonntag! Das musste man sich vorstellen! So ein Glück!

      Mama schwieg. Unsicher biss Laura auf ihre Unterlippe und zeichnete mit dem rechten Fuß kleine runde Kreise auf den Boden.

      „Zeig mir mal deine Osterschweinchen.“ Mama erhob sich seufzend.

      „Echt?“ Nun gab es kein Halten mehr. Die Erleichterung ließ Laura lossprudeln: „Ich hab ein hellbraunes und ein geflecktes gesehen. In meinem Buch steht alles über Meerschweinchengeburten und ich hab alles gelesen. Ich kenn mich aus mit Trächtigkeit, Aufzucht und Entwicklung.“ Stolz präsentierte sie diese Fachwörter. „Du wirst sehen, es ist alles ganz einfach.“

      Erwartungsvoll und nur noch ein ganz kleines bisschen besorgt beobachtete sie Mama, die lange stumm und bewegungslos vor dem Gehege stand.

      „Tatsächlich, zwei kleine Osterschweinchen“, murmelte Mama schließlich kopfschüttelnd. „Sehen aus wie richtige Meerschweinchen“, staunte sie. „Nur kleiner, viel kleiner.“ Schmunzelnd zwinkerte sie Laura zu: „Und viel niedlicher.“ Dann lachte sie und Laura wusste, dass alles gut war.

      Christiane Amendt ist 55 Jahre alt und lebt mit ihrer Familie in Minden/NRW. Sie ist Autorin des Buches „Babsi, Tobi und Co. Geschichten aus dem Leben eben“, das 2006 zusammen mit wortgleichen CDs als Lesetrainingsmaterial erschien. Außerdem gehört sie zu den Preisträgern des Mindener Schreibwettbewerbes 2009 und hat Gedichte und Geschichten in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. Neben dem Lesen und Schreiben gehört die Beschäftigung mit ihren Hunden Lolle und Leopold und seit dem vergangenen Sommer auch mit den beiden Katern Gustav und Knud zu ihren liebsten Freizeitaktivitäten.

      *

      Am Ufer der Vechte

      Frühling lag in der Luft. Lottas sehnlichster Wunsch war es, endlich den Osterhasen kennenzulernen, von dem Tessa ihr so oft erzählt hatte.

      „So ein Quatsch, den gibt es doch gar nicht“, hatte Freddy, Lottas Mann, gesagt. „Hasen sind einfach nur gefährliche Angeber.“

      Auch ihre gemeinsame Tochter Cleo hatte Zweifel. Die schwarzweißen Zwergkaninchen lebten bei Tessas Familie. Sie hatte die drei vor einem Jahr von ihren Eltern geschenkt bekommen.

      Auf einmal hörten sie Schritte, jemand betrat den Verschlag, in dem sich ihr Käfig befand. Endlich würde es Futter geben und vielleicht konnten sie sogar ins Freigehege. Aber es war nicht Tessa, sondern ihr Vater. Schade, dann würde aus dem Freigehege wohl nichts.

      „Na, ihr?“, brummte er und öffnete die mit grünem Maschendraht bespannte Käfigtür. Tessas Vater war groß und besaß riesige Hände, deshalb flüchteten sie sicherheitshalber schnell in die hinterste Ecke. Wie immer gab es nur Trockenfutter, obwohl Lotta sich so sehr nach frischem Gras sehnte. Kaum war Tessas Vater wieder verschwunden, stürzten sich Cleo und Freddy auf den gefüllten Fressnapf. Nur Lotta zögerte, denn irgendetwas war anders als sonst. Genau, Tessas Vater hatte doch tatsächlich den Verschluss der Stalltür offen gelassen. Vorsichtig schob sie die Tür mit ihren Vorderläufen auf, hoppelte zum Ausgang des Verschlags und spähte nach draußen.

      Verlockend leuchtete das Grün des Rasens im Licht der untergehenden Sonne. Mit einem einzigen Satz hüpfte sie hinaus und begann gierig ein Büschel Gras nach dem anderen zu rupfen. Es zerging auf der Zunge. Entzückt schloss Lotta die Augen. Wie lange hatte sie diesen Geschmack vermisst, stundenlang hätte sie weitermümmeln können, aber eine Kaninchenmutter ist eben eine Kaninchenmutter. Also lief sie zurück zu Mann und Tochter.

      „Ist euch nichts aufgefallen?“, fragte sie.

      Freddy und Cleo hockten noch immer vor dem Fressnapf. Lotta hörte das typische Mahlen ihrer Zähne auf dem harten Futter. Die beiden schüttelten kurz ihre Köpfe.

      „Wo warst du?“, fragte Freddy.

      „Im Garten, das Gras schmeckt herrlich, kommt mit!“

      Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Sofort folgten sie Lotta nach draußen und machten sich ebenfalls über die saftigen Halme her.

      „War das lecker“, murmelte Cleo, als sie einander schließlich pappsatt gegenübersaßen.

      „Dann wollen wir mal zurück in den Käfig“, meinte Freddy.

      „Nein, auf keinen Fall!“, knurrte Lotta energisch. „Nie mehr. Wir verschwinden von hier und machen uns endlich auf die Suche nach dem Osterhasen.“

      „Jetzt geht das schon wieder los“, stöhnte ihr Mann, „das sind doch nur Geschichten für Menschenkinder. Denkst du überhaupt nicht an Tessa?“

      „Schon, aber irgendwann wird sie neue Kaninchen bekommen.“

      Weil auch Cleo die Idee, in die Welt hinauszuziehen großartig fand, gab Freddy schließlich nach. Im Schutz der zunehmenden Dunkelheit machten sie sich auf den Weg, stießen aber schon kurz nach den Rhododendronbüschen auf einen riesigen Zaun.

      „Da kommen wir doch nie hinüber“, meinte Lotta enttäuscht, während ihr Blick an der grünen Absperrung hochwanderte.

      „Dann müssen wir eben unten durch“, sagte Freddy und wühlte sich mit seinen Vorderläufen in die tiefschwarze Erde. Wenn es darauf ankam, konnte sich Lotta immer auf ihren Mann verlassen. Deshalb liebte sie ihn so sehr.

      Schon nach kurzer Zeit gelangten die drei Kaninchen auf die andere Seite, stellten sich spähend auf ihre Hinterläufe und sahen auf einen träge dahin fließenden Fluss, dessen Uferböschung mit großen, braunen Feldhasen bevölkert war.

      „Sind das alles Osterhasen?“, fragte Cleo.

      „Still, Kind!“, zischte Freddy. „Besser, sie bemerken uns nicht. Denen kann man nicht trauen.“

      Aber es war zu spät. Auf einmal standen wie aus dem Nichts zwei riesige Rammler vor ihnen. „Wer seid ihr und was habt ihr hier zu suchen?“, herrschte einer der beiden sie an.

      Cleo und Lotta duckten sich tief auf den Boden, auch Freddy hatte Angst, aber er versuchte sich so groß wie möglich zu machen: „Das geht euch gar nichts an, hier darf sich jedes Tier aufhalten, ob Kaninchen oder Feldhase“, knurrte er und trommelte kräftig mit seinen Hinterläufen auf den Boden.

      Lotta fürchtete, Freddy würde sie durch seine forsche Art in Gefahr bringen. Mit eng an den Kopf gelegten Ohren versuchte sie die beiden Rammler zu besänftigen. „Nichts für ungut, meine Herren, aber mein Mann meint das nicht so. Wir sind aus einem benachbarten Garten und suchen den Osterhasen.“

      Die beiden sahen sich an. „Was? Wieso

Скачать книгу