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es auf den Misthaufen“, entschied Mio nach kurzem Überlegen. „Es gehört nicht zu uns.“

      „Nein!“, kam es aus Bertas Schnabel. Die sonst so gemütliche Henne baute sich vor dem Hahn auf. „In diesem Ei wächst etwas. Wir können es nicht einfach auf den Mist werfen. Ich werde es ausbrüten.“

      Mio wusste, dass er gegen Bertas Meinung nichts ausrichten konnte. Und so nickte er nur hochmütig und stolzierte über den Hof davon.

      „Rasch, helft mir das Ei in mein Nest zu bringen“, scheuchte Berta ein paar der herumstehenden Hühner auf.

      Kurz darauf versuchte sich die Henne bereits im Brüten. Leider war dies gar nicht so einfach, da das Ei ja viel größer als Bertas eigene war. Die Henne flatterte mit den Flügeln, erhob sich in die Luft und versuchte auf dem Ei zu landen. Vergeblich. Kaum, dass sie darauf Platz nehmen wollte, war sie auch schon wieder heruntergerutscht.

      „Steht nicht herum“, sprach sie die anderen Hennen an. „Helft mir lieber.“

      Und so lehnten sie gemeinsam das große Ei an die Wand. Eine Henne setzte sich an die linke Seite, eine an die rechte, eine davor und Berta thronte obenauf, während sie sich mit dem Rücken an die dahinter liegende Wand lehnte, um nicht erneut herunter zu purzeln. Ja, so würde es gehen. Berta nickte zufrieden und schlief gleich darauf ein.

      An einem der ersten sonnigen Frühlingstage, als bereits Krokusse und Tulpen ihre Köpfe aus dem dunklen Erdreich schoben, rührte sich unter Berta etwas. Vorsichtig rutschte sie von dem Ei herunter, legte ihren Kopf an die Schale und lauschte. Ja, da war ein Knacken und Knirschen zu hören. Genauso, als würde sich im Inneren des Eies jemand auf den Weg ins Leben machen.

      Aufgeregt flatternd stand Berta neben dem Ei und wartete. Die anderen Hennen schauten sie ganz erstaunt an, denn sie hatten die Hühnerdame noch nie aufgeregt erlebt.

      „Da, ein Riss“, flüsterte Berta und zeigte mit dem Flügel nach oben.

      Tatsächlich. Ein langer Riss durchzog die regenbogenfarbene Schale, dann drang ein Klopfen an ihre Ohren und im nächsten Moment machte das ganz Ei einen gewaltigen Hopser. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgten die Hühnerdamen das Geschehen. Noch nie hatten sie erlebt, dass ein Ei hopst. Ein weiterer Hopser folgte, das Ei taumelte, fiel zurück gegen die Wand und zerbrach.

      „Ooooh“ war alles, was im Hühnerstall zu hören war.

      Vor den erstaunten Augen der Hühnerdamen, lag ein kleines, braunes Tier im Stroh. Statt Vogelfedern besaß es ein buschiges Fell und es hatte lange Ohren.

      Plumps machte es und Berta war vor Schreck auf ihr Hinterteil gefallen. „Ein Häschen“, flüsterte sie noch, bevor sie endgültig in Ohnmacht fiel.

      Aber Berta wäre nicht Berta, wenn sie nicht in Windeseile ihre übliche Gemütsruhe wiedergefunden und die Lage in den Griff bekommen hätte. Kaum war sie aus ihrer Ohnmacht erwacht, sprang sie auf und machte sich entschlossen auf den Weg zu Molly, der Hofhündin.

      „Molly“, sprach sie die Hundedame geradeheraus an, „ich brauche deine Hilfe.“

      Die Hündin versuchte sich auf Berta zu konzentrieren. Was gar nicht so einfach war, da drei quirlige Welpen um ihre Beine herumhuschten. Molly war vor einigen Tagen zum ersten Mal Mutter geworden. „Was kann ich denn für dich tun, Berta?“, übertönte sie ihre kleine Rasselbande mit Mühe.

      „Stell dir vor, bei uns im Hühnerstall ist ein Hase geschlüpft.“ Rasch erzählte sie die ganze Geschichte, während Mollys Augen immer größer wurden. So etwas hatte sie noch nie gehört. Ein Hase, der aus einem Ei schlüpft. „Und nun brauche ich Milch für den kleinen Kerl“, endete Berta.

      „Bring ihn her“, sagte Molly, „wir Mütter müssen schließlich zusammenhalten.“

      So kam es, dass auf einem Hühnerhof ein Hase von einer Henne ausgebrütet und dann von einer Hündin gesäugt wurde. Mio, der Hahn, zog sich derweil in seinen Schmollwinkel zurück. Auf ihn hörte sowieso wieder einmal niemand.

      Wen wundert es da, dass aus dem kleinen Hasen bei all der Liebe und Zuwendung bald ein großer Hase wurde. Voller Stolz beobachtete ihn Berta und auch die anderen Hühnerdamen und natürlich Molly hatten den kleinen Kerl in ihre Herzen geschlossen.

      Eines Tages, es war kurz vor dem Osterfest, beobachtete Berta, wie ihr Hase mit einem Strohbüschel in der Pfote neben einer Pfütze hockte. „Was machst du da?“, fragte sie neugierig.

      „Ich will eure Eier anmalen“, war die rätselhafte Antwort.

      Staunend sah Berta, wie der Hase den Strohwisch in den schlammigen Teil der Pfütze tauchte und damit dann über eins der Eier wischte, die neben ihm lagen. Anfangs hatten die Eier danach einfach nur eine Schlammkruste, aber nach weiteren Versuchen waren die Eier kunstvoll mit Tupfen oder Linien verziert. Richtig hübsch sahen sie aus.

      „Meinst du, ich darf die Eier der anderen Hühnerdamen auch anmalen?“, fragte der Hase.

      Berta nickte, während sie sich mit dem Flügel ein paar Mal über die Augen wischte. Gerührt drückte sie ihr Pflegekind, das sie längst überragte, an ihr Federkleid.

      Voller Eifer machte sich der Hase ans Werk. Und so geschah es, dass am nächsten Tag, es war der Ostersonntag, die überraschten Hühnerdamen in ihren Nestern nicht ihre üblichen weißen und braunen Eier fanden, sondern liebevoll bemalte.

      Selbst Mio, der Hahn, fand nichts mehr zu meckern. Er sonnte sich einfach in dem Gefühl, dass sein Hühnerhof nun wirklich etwas ganz Besonderes war.

      Nicole Vergin lebt und arbeitet am Steinhuder Meer, in der Nähe von Hannover. Sie ist Mitinhaberin der Schreib- und Lesewerkstatt La Piuma, wo sie die Möglichkeit hat, ihre Hobbys als Berufung zu leben.

      *

      Hoothie - die Osterkatastrophe

      „Unter dem Kirschzweige,

      hinten an der Weide.

      Oder unter’m Baum,

      vielleicht doch lieber am Zaun?“

      Seit Wochen klang dieses Lied durch den Wald. Es war jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit zu hören. Hoothie, der Osterhase, sang es. Wenn Weihnachten vorbei war, der Schnee langsam taute und die Schneeglöckchen und Krokusse frech ihre Köpfe reckten, dann war seine Zeit. Sein Häuschen mit dem Strohdach strahlte in vielen bunten Farben, denn Hoothie malte gern. Auch jetzt saß er auf einem Holzstuhl und mischte verschiedene Farben. Rot, Blau und etwas Gelb. Nicht immer war das Ergebnis schön anzusehen. Aber wichtiger als die Farben waren die herrlichen Muster, die die Eier verzieren sollten. Ob Linien, Kreise oder einfache Punkte, er probierte alles aus. Fröhlich schwang er seinen Pinsel im Takt zu seinem Liedchen. Manchmal landete ein Farbklecks auf seiner Nasenspitze. Jetzt zierte sie ein großer Klecks grüner Farbe. Als Hoothie in den Spiegel sah, musste er selbst lachen.

      Kurze Zeit später ging er in den Garten. Dort blühten unzählige Krokusse, einer schöner als der andere. Hoothie warf einen Blick auf seinen Kalender, welcher neben dem Haus an einem Brett befestigt war und seine wichtigen Termine zeigte. „Erste Lieferung Eier abholen“, zeigte der Kalender an. Richtig, denn es sollte mit dem Bemalen der Eier ja schleunigst losgehen. Oh, wie freute er sich darauf!

      Da Hoothie niemals alles allein schaffen würde, haben ihm seine besten Freunde Roxi, das Eichhörnchen, und Flocks, der Igel, wie jedes Jahr ihre Hilfe angeboten. Als Dankeschön hilft Hoothie den beiden im Herbst reichlich Äpfel, Kastanien und Nüsse zu sammeln, damit sie im Winter nicht hungern müssen. Da hörte er auch schon ein Liedchen:

      „Tierili, Tierila,

      der Karren ist jetzt da.

      Tierili, Tierila,

      jetzt sind wir beide da …“

      Hoothie ging zum Gartenzaun, um die beiden zu begrüßen. Flocks zog einen

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