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niederländischen Osterinseln, hatten sie in diesem Jahr welche bekommen. Und jetzt standen die großen Kiepen mitten auf dem Rathausplatz und waren voll bepackt mit schön gefärbten Kunstwerken. Da gab es rote, grüne, blaue, gelbe – ja selbst gestreifte, gesprenkelte und marmorierte Eier schillerten im strahlenden Sonnenlicht. Damit diese auch rechtzeitig zum Fest an ihrem Bestimmungsort ankamen, wurden die schnellsten Läufer der Hasengemeinde auserwählt, um die Ostereier sogar in weit entfernte Gebiete zu tragen.

      „Das wird manchenorts ein trauriges Osterfest werden, wenn dort die Nester leer bleiben“, überlegte der Hasenbürgermeister. Er dachte an die vielen enttäuschten Gesichter der Menschenkinder, die heuer keine bunten Eier, unter Büschen und im Gras versteckt, finden würden. Betrübt wandte er sich ab und ging ins Rathaus zurück.

      Die gescholtenen Osterhasen sahen schuldbewusst in die erbosten Gesichter der anderen Langohren, die neugierig herbeigeeilt waren, um zu erfahren, was denn auf dem Rathausplatz für ein Aufruhr war. Das hatten sie nun davon. Warum mussten sie auch ausgerechnet kurz vor Ostern durch den Wald laufen und übermütig Haken schlagen, wo sie doch ganz genau wussten, dass zwischen den Bäumen allerlei Unrat herumlag. Dieser war von den Menschen dort weggeworfen oder nach einem Picknick einfach vergessen worden. Wen verwundert es deshalb, dass die Rammler aus Versehen in die Scherben kaputter Flaschen getreten waren und sich dabei die Läufe verletzt hatten. Sie schämten sich sehr, denn nun konnten sie beim Verteilen der bunten Ostereier nicht mithelfen.

      „Ihr seid eine Schande für ganz Osterhausen“, ereiferte sich ein betagter Hase, der arg von Gicht geplagt war und sich auf seinem Stock abstützen musste.

      Ein anderer schlug sich stolz auf die Brust und zeigte auf eine glänzende Medaille, die ihn als besten Läufer seines Jahrgangs auszeichnete. „So etwas wäre uns früher nie passiert!“, rief er aufgebracht und erntete beifälliges Gemurmel. Alle wetterten gegen die Schuldigen und ließen kein einziges gutes Fellhaar an ihnen.

      Der kleine Hase Springinsfeld hatte Mitleid mit den Unglückseligen und suchte fieberhaft nach einer Lösung des Problems. Plötzlich bemerkte er eine Schar Graugänse, die gackernd über den Rathausplatz hinwegflogen.

      Ungestüm zupfte er am Rocksaum seiner Mama, einer etwas molligen Hasendame, die gespannt dem Unmut der übrigen Hasengemeinde zuhörte. Endlich beugte sie sich zu ihm herab. Erstaunt lauschte sie, was Springinsfeld ihr in die Hasenlöffel flüsterte. Sie nahm den Kleinen auf den Arm und rannte, so schnell es ihre Hasenkörperfülle zuließ, ins Rathaus.

      Völlig außer Atem stürmte sie in die Amtsstube von Clemens Langohr. „Herr Bürgermeister, Herr Bürgermeister! Das ist die Lösung!“

      Das Gemeindeoberhaupt war bass erstaunt, als es die schnaufende und schwitzende Hasenmama mit dem kleinen Springinsfeld vor sich stehen sah.

      „Na los, Springinsfeld, erzähl dem Herrn Bürgermeister von deiner Idee“, ermunterte die Häsin ihren Sohn.

      „Ich … äh, ich dachte …“, stotterte Springinsfeld vor Aufregung. „Ich dachte, wir könnten doch die Vogelschar bitten, uns bei der Eierauslieferung behilflich zu sein.“

      „Die Vögel? Aber wieso denn die Vögel?“, fragend schaute das Oberhaupt der Hasengemeinde den Kleinen an und kratzte sich nachdenklich zwischen den langen Ohren.

      „Weil Vögel doch fliegen und deshalb auch weite Strecken in kurzer Zeit zurücklegen können“, erwiderte Springinsfeld zaghaft.

      Der Bürgermeister sprang hinter seinem Schreibtisch hervor und verschränkte die Vorderpfoten auf dem Rücken. Er lief von einer Seite des Raums zur anderen und von dort wieder zurück. Zwischendurch hielt er kurz an, runzelte die Stirn, um gleich darauf seine Runde fortzusetzen. Währenddessen war in der Amtsstube kein Laut zu hören. Plötzlich blieb Clemens Langohr abrupt stehen.

      „Ja, natürlich! Du hast recht! Versuchen können wir es!“, stimmte er schließlich zu.

      Sogleich machte er sich auf den Weg, um Springinsfelds Idee den Vögeln vorzutragen.

      Und so kam es, dass am Ostersonntag die Spaziergänger nicht schlecht staunten, als sie in vielen Vorgärten Bäumchen entdeckten, die mit kunstvoll bemalten Eiern behängt waren. Kein Wunder, denn den Vögeln war es unmöglich gewesen, die Eier unter den Büschen und im Gras zu verstecken, so wie es gewöhnlich die Hasen an Ostern taten.

      Marika Krücken, geboren 1953 in Uelzen bei Hannover, lebt mit ihrer Familie in Köln. Seit 1985 schreibt die Hobbyautorin Kindergeschichten. Inspiriert durch ihre Patenkinder und ihre Tochter, entstand eine Sammlung kleiner Geschichten, die sie in ihrem Buch Traumzeit-Geschichten mit dem Titel „Winterträume“ vorstellt. Ihr erstes Buch „Geschichten von Siebenpünktchen“ wurde im Jahr 2005 veröffentlicht. Seit dieser Zeit hat die Autorin an verschiedenen Anthologien teilgenommen. „Eine Reise nach Moskau“, ein Lehrbuch für den Deutschunterricht in Russland, erschien 2008.

      *

      Oster-Anna

      Ich heiße Anna. Obwohl ich kein Fisch bin, kam ich in einem Aquarium zur Welt. Und das war so:

      Eine Hand holte mich eines Tages aus dem Nest meiner Mutter und sagte: „Frieda, meine Enkelin möchte gerne ein Küken aus dem Ei schlüpfen sehen. Da, du noch keine Lust, zum Brüten hast, werde ich ein Experiment wagen.“

      Mutter Frieda nickte mit dem Kopf: „Go,go,go.“

      „Experiment. Was mag das sein?“, dachte ich.

      Das Experiment bedeutete, dass ich statt in einen Brutkasten in ein Aquarium gelegt worden bin. Darin lag ich auf einem mit Federn ausgepolsterten, weichen Bett. Jeden Tag drehte meine Ziehmutter mich morgens, mittags, nachmittags und abends einmal um. Dies tat sie, damit ich nicht an meinem Haus kleben blieb. Sie sorgte auch dafür, dass sich genug frische Luft und Feuchtigkeit in meinem Glaszimmer befanden. Sie prüfte die Temperatur, da mein Glaszimmer immer warm sein musste.

      Meine Ziehmutter konnte ich nicht sehen, da mein angeborenes Haus hart und nicht durchsichtig war. Aber ich hörte ihre Stimme. Eines Tages nahm sie mich aus dem Glashaus heraus und legte mich auf eine harte Unterlage. Es wurde hell in meinem Haus. Ich lag auf einem kleinen Leuchttisch.

      „Schau. Da ist das kleine Kükenherz. Siehst du die kleinen Adern?“, fragte meine Ziehmutter.

      „Warum bewegt sich das Herz?“, fragte ein Kind.

      „Es pumpt das Blut durch die Adern, damit es leben und wachsen kann“, erklärte meine Ziehmutter.

      „Oma darf ich es auch mal halten?“ Das Kind nahm mich in seine Hände, streichelte meine harte Schale und legte mich vorsichtig in das Glashaus zurück. Es wurde wieder dunkel.

      Einmal erlebte ich ein tolles Abenteuer. Ich wurde in ein warmes Wasserbad gelegt und mein Haus schaukelte hin und her. Ich fand das lustig.

      Das Kind lachte: „Das Ei schwimmt wie ein Boot auf dem See.“

      „Das bedeutet, dass das Küken lebt und gesund zur Welt kommt“, sagte meine Ziehmutter.

      Danach kam ich wieder in das Glashaus zurück. Irgendwann bemerkte ich, dass mein Haus kleiner geworden war. Ich konnte mich nicht mehr so gut darin bewegen und ich beschloss endlich mein enges Haus, zu verlassen.

      Doch es war nicht so einfach. In meinem Haus gab es keine Türen und keine Fenster. Ich pickte mit meinem Eizahn erstmal ein Guckloch. Das war eine schwere Arbeit. Es hat einen ganzen Tag gedauert und danach war ich sehr müde. Am nächsten Tag machte ich mit lautem Piepsen meine Ziehmutter auf mich aufmerksam.

      Sie stand an meinem Glashaus und sagte: „Streng dich an. Bald hast du es geschafft.“

      „Die hat gut reden“ dachte ich. „Sie weiß ja nicht, wie hart mein Haus ist.“

      Ich hackte weiter mit meinem Eizahn gegen die harte Mauer und plötzlich bekam mein Haus Risse.

      „Oma

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