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deren Einzugsgebiet noch so viele Menschen, dass der FCM auch im 21. Jahrhundert immer noch ein Zuschauermagnet ist. Und das, obwohl er seit der Wende nicht mehr viel gerissen hat. Doch die Fans aus der Bördestadt machten in all den Jahren eine irritierende Beobachtung, denn sobald sie irgendwo in Westdeutschland unterwegs waren, passierte ihnen das Gleiche wie Anhängern von Rot-Weiss Essen, die es in den Norden, nach Bayern oder nach Sachsen verschlug: Irgendwie hatten die Leute dort schon mal von ihrem Verein gehört, aber das war in einer Epoche, als die Zeitungen noch mit Schwarz-Weiß-Bildern gedruckt wurden und die Menschen sie noch lasen.

      Doch würden Fans aus Essen oder Magdeburg am Alpenrand erzählen, dass ihr Verein in der Kreisliga B gelandet sei oder sich aus dem Vereinsregister habe streichen lassen, würde jeder mit traurigem Blick nicken. Dabei spielten Magdeburg und Essen nur jahrelang in der 4. Liga – also exakt der Spielklasse, die in der öffentlichen Wahrnehmung meilenweit unter dem Radar läuft. Auch die 3. Liga, in der Magdeburg inzwischen spielt, wird von vielen Menschen ignoriert, für die die internationalen Spiele der Bayern oder des BVB Feiertage sind, die aber schon Augsburg oder Hannover für »kleine Vereine« halten. Ein paar Millionen Menschen verfolgen die Liga aber dann doch, denn was Duisburg, Bielefeld, Dresden oder der KSC dort so treiben, wird jeden Samstag in der Sportschau gesendet.

      Nun ist der Fall von der 2. Liga in die 3. Liga schon mit einem denkbar harten Aufprall verbunden. Denn mit einem Mal sinkt das Fernsehgeld um mehr als 90 Prozent – der KSC bekam nach dem Abstieg im Sommer 2017 rund 700.000 Euro; hätte er die 2. Liga gehalten, wären es 11,9 Mio. Euro gewesen. Aber immerhin fließen in der 3. Liga überhaupt noch TV-Gelder. Die Regionalliga hingegen ist die Horrorvision eines jeden Managers im bezahlten Fußball. Wer dort gelandet ist, wird vergessen: von der überregionalen Öffentlichkeit, von den Medien und vom offiziellen Fußball. Und als ob das nicht schon deprimierend genug wäre, hat Letzterer auch noch beschlossen, den Aufstieg beinahe zu einem Ding der Unmöglichkeit zu machen. Ein Verein, der das Urteil »Regionalliga« erhalten hat, weiß, dass er gute Chancen hat, lebenslänglich für die Sünden der Vergangenheit zu büßen. »Die 3. Liga wäre für uns schon eine Erlösung«, sagt Offenbachs Geschäftsführer Christopher Fiori. »Wir haben unsere Strukturen ja schon völlig ausgedünnt, bis an die Grenzen der Belastbarkeit. Auf Dauer ist diese Liga ganz einfach nicht zu finanzieren.« Was die faktisch fehlenden Fernsehgelder angeht, sieht Fiori im Übrigen den Verband in der Pflicht: »Im Grunde ist selbst die Hessenliga besser vermarktet. Das sollte doch diejenigen nachdenklich stimmen, die so tun, als betrieben die Vereine einfach Missmanagement.«

       Zuschauerschreck FC Ingolstadt II

      Und noch ein weiterer Kritikpunkt ist seit 2010 virulent: Die Zweitmannschaften der Erst- und Zweitligisten waren schon damals in den Ligen drei und vier so unbeliebt, wie sie es heute sind. Der mächtige Landesverband Westfalen forderte deshalb seinerzeit eine eigene Spielklasse für die Nachwuchsmannschaften. Doch dieser Vorschlag scheiterte am Widerstand der Profivereine. Die Folgen tragen nun allerdings die Regionalligisten, vor allem deren Kassenwarte. An Spielen gegen Fortuna Düsseldorf II oder Ingolstadt II hat in Oberhausen oder Bayreuth kaum jemand Interesse. Kein Zuschauer kommt in Verl oder Essen, weil er Gladbach II sehen will.

      Kein Wunder, denn nicht einmal zu Hause will sie jemand sehen. Im Südwesten belegen die Nachwuchsmannschaften von Hoffenheim und Lautern die letzten beiden Plätze im Zuschauerranking, im Westen die von Köln, Schalke, Gladbach und Düsseldorf die letzten vier. In Bayern finden die Spiele von Nürnberg II, Augsburg II oder Ingolstadt II praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Von den sage und schreibe 21 Zweitvertretungen, die in der Saison 2016/17 in den Regionalligen kickten, hatten einzig und alleine die von Borussia Dortmund und 1860 München mit durchschnittlich 1.900 bzw. 1.300 Zuschauern eine nennenswerte Anhängerschaft – was allerdings auch an den beiden bei Fans beliebten Spielstätten Rote Erde und Grünwalder Stadion liegen dürfte.

      Und ihre fehlende Attraktivität ist nicht der einzige Kritikpunkt an den U-Mannschaften. Deren Strategen schrecken nämlich nicht davor zurück, in wichtigen Spielen massenhaft Profis einzusetzen. Als sich Greuther Fürth II im Sommer 2017 mit Ach und Krach in der Abstiegsrelegation rettete, waren acht Profis im Aufgebot der Franken. So ist es fast immer und überall, wenn es um den Klassenerhalt geht. Das ist natürlich nichts anderes als Wettbewerbsverzerrung, aber legal. Also wird es gemacht.

      Dass die Zweitmannschaften überhaupt in den Regionalligen spielen dürfen, sagt deshalb auch einiges über die Machtverhältnisse im deutschen Fußball aus – gegen den Willen des Profifußballs läuft selbst in Spielklassen nichts, die ihn eigentlich nicht tangieren. Die Verantwortlichen der Erst- und Zweitligisten wollen mehrheitlich, dass ihr Nachwuchs in einer Liga spielt, in der er in Sachen Zweikampfhärte und Atmosphäre auf den Profifußball vorbereitet wird. In Aachen, Essen oder Mannheim herrscht eben eine Stimmung, die gut ausgebildete 19-Jährige sonst nicht erleben können. Anders gesagt: Der Regionalliga bringen die U-Mannschaften nichts, umgekehrt ist das durchaus der Fall. Durchgesetzt hat sich, wie fast immer, wenn es in Deutschland um Fußball geht, der Profifußball.

       Verhasste Relegation

      Doch die U-Mannschaften sind nur ein Problem der Regionalligen, deren Malaise allerdings auch daran liegt, dass sie zu selten mit einer Stimme sprechen. Über die zu geringe finanzielle Ausstattung klagen alle. Über den Aufstiegsmodus, wonach eine Relegation das Prinzip ersetzt, dass der Meister einer Spielklasse aufsteigt, klagen naturgemäß vor allem die Vereine, die sich selbst eher in der 3. oder gar 2. Liga sehen. Ansonsten divergieren die Interessen zwischen den einzelnen Landesteilen so stark wie zwischen den großen Traditionsvereinen und ambitionierten Dorfoder Kleinstadtklubs wie Buchbach oder Memmingen, die sich in der Regionalliga Bayern gut aufgehoben fühlen. Doch in den Regionalligen gibt es eben auch dutzende ambitionierte Traditionsvereine.

      Einer der prominentesten Kritiker der Relegationsspiele ist dann auch Claus-Dieter »Pelé« Wollitz, seines Zeichens Trainer des Nordost-Regionalligisten FC Energie Cottbus, dessen sehr grundsätzliche Kritik an den Spitzenverbänden des deutschen Fußballs im Februar 2017 für Aufsehen sorgte. »Der DFB verkauft ja immer so gerne Werte, aber diese Regelung hat mit Werten wie Anstand und Respekt nichts zu tun«, sagte der Ex-Profi bereits im März 2016 in einem Interview mit dem Kicker. Wenn Zufälligkeiten und Unwägbarkeiten wie Tagesform, Verletzungen, Krankheiten oder Schiedsrichterfehlentscheidungen das zunichte machen könnten, was man sich zuvor eine Saison lang aufgebaut habe, liege etwas grundsätzlich im Argen. »In 34 oder 36 Spielen kann man vieles korrigieren, dann ist eine Arbeit bewertbar, in zweien ist das nicht der Fall.« Die Bekenntnisse der Verbandsspitze zum unterklassigen Fußball seien verlogen: »Wie der DFB die kleinen Vereine unterstützt, ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten.« Eine Verachtung, die sich nicht zuletzt am Aufstiegsmodus festmacht, der einen Sturm der Entrüstung auslösen würde, käme er in höheren Spielklassen zum Einsatz.

      Es wäre übertrieben zu behaupten, dass zwischen den Vereinen und ihren Fans in allen Fragen des Fußballalltags traute Einigkeit bestünde. Doch was die Relegationsspiele betrifft, da sind Fans und Vorstände der Regionalligavereine seit eh und je völlig einer Meinung: Die Playoffs, die sich wie ein mit Krokodilen besetzter Burggraben zwischen der vierten und der dritten Spielklasse erstrecken, gehören abgeschafft. Und zwar lieber heute als morgen.

      Auch 2017 äußerten sich alle Trainer und Manager der sechs Regionalliga-Aufstiegsaspiranten vernichtend über den Modus, mit dem ermittelt werden soll, welche drei Glücklichen nach einer erfolgreich bestrittenen Saison denn nun in die 3. Liga aufsteigen dürfen. Der Nordost-Meister, also der beste Regionalligist von gleich fünf Bundesländern? Der aus Bayern? Oder doch der Zweite aus dem Südwesten? Kein Wunder also, dass die Vertreter von Jena und Viktoria Köln genauso Klartext sprachen wie die von Meppen, Mannheim, Unterhaching und Elversberg. »Ich finde die Relegationsregelung völlig bescheuert«, sagte Jenas Coach Mark Zimmermann. »Es ist ein Unding, dass der Meister nicht direkt aufsteigt. Aber da bin ich nicht der Einzige.« Bei Weitem nicht, Viktorias sportlicher Leiter Stephan Küsters stieß ins selbe Horn: »Dass wir als Meister noch durch die Relegation müssen, ist eine Frechheit.«

      Doch DFB und DFL haben sich nun mal darauf geeinigt, dass seit 2012/13 in zwei Entscheidungsspielen eine ganze Spielzeit auf den Kopf gestellt werden kann. Nur drei der 91

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