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Mio. Euro für einen Stürmer, zweistellige Millionengehälter für Durchschnittskicker – die Welt des Fußballs ist im Fieberwahn. Und dem kann sich in einer globalisierten Welt niemand entziehen. Auch wenn er es noch so gerne tun würde. Denn die Premier League gibt den Takt vor.

       Ein ganz schlechtes Bauchgefühl

       Was auch immer im überhitzten Profifußball passiert, es schlägt in die unteren Ligen durch. Von der Sicherheitshysterie bis zu den Unsitten des Transferwesens. Der Geschäftsführer des baden-württembergischen Oberligisten SV Spielberg hat da ein paar Geschichten zu erzählen. Und große Lust, ein Schild abzumontieren, das ihm jüngst der DFB zugeschickt hat.

       Sonntags trifft sich die Familie

       Hamborn 07 hat schon mal erfolgreicher Fußball gespielt, der Duisburger Norden schon bessere Zeiten erlebt. Doch für Jürgen, Thomas, Heinz und all die anderen gibt es keinen anderen Verein als Nullsieben, dessen Herz hier in der »Löwenschänke« schlägt. Denn ein Fußballverein kann etwas mit Heimat zu tun haben.

       Die Blase platzt

       Fans, die nach Jahrzehnten ihre Dauerkarte abgeben, weil sie die Überinszenierung satt haben. Groundhopper, die sich nicht mehr wie Verbrecher behandeln lassen wollen. Journalisten, die die echten Geschichten in der Oberliga suchen statt im Wald aus Mikrofonen, der sich vor Manuel Neuer aufbaut. Keine Frage, der moderne Fußball ist drauf und dran, seine Basis zu verprellen. Schön, dass es Menschen gibt, die sich besinnen: auf guten Journalismus. Und auf die Erkenntnis, dass Fußball und Heavy Metal zu den schönsten Dingen des Lebens gehören. Vorausgesetzt, man kennt den Unterschied zwischen Playback und Live-Musik.

       Der Autor

       Das Frosch-Paradoxon

      Vorwort

      Der deutsche Fußball boomt. Die Fernsehverträge sind von Mal zu Mal höher dotiert, die Umsätze der Erstligisten steigen, die Spielzeit 2016/17 brachte einen neuen Zuschauerrekord für die 1. Liga. Das ist die glitzernde Seite des Fußballs. Auf der anderen Seite wenden sich unzählige Menschen von dieser Glitzerwelt ab. Die einen, weil sie sich im Liga-Alltag nach immer absurderen Sicherheitsdebatten zunehmend wie Schwerverbrecher behandelt fühlen. Andere, weil ihnen das stetige Drehen an der Kommerzialisierungsschraube auf die Nerven geht oder sie sich die Ticketpreise nicht mehr leisten können. Und alle, weil sie das Gefühl haben, dass sie als Claqueure und gutmütige Konsumenten wohlgelitten sind, dass aber die Schranken runtergehen, wenn sie mit entscheiden wollen, was mit ihrem Verein passieren soll. Einem Verein, mit dem sie in aller Regel weit mehr verbindet als Spieler und Funktionäre, die schon nach ein paar Monaten einem anderen Klub zur Loyalität verpflichtet sind. Viele dieser Enttäuschten kommen in diesem Buch zu Wort

      Dort, wo – wie bei Dynamo Dresden oder dem FC St. Pauli – Fans ernst genommen werden, ist es in den zurückliegenden Jahren vorangegangen. Und zwar sportlich und wirtschaftlich. Dort, wo Alleinherrscher aus der Wirtschaft jeden Widerspruch als feindlichen Akt interpretierten, wo viel von »Effizienz« und »Modernisierung« die Rede war, ging es sportlich bergab: Sowohl bei Hannover 96 als auch beim Hamburger SV und bei 1860 München wurden dutzende Millionen verbrannt. Das sollte den selbst ernannten Modernisierern zu denken geben. Doch stattdessen wird nur weiter nach mehr Kapital und mehr Investoren geschrien.

      Immer mehr Fans fragen sich, wohin der Fußball in Deutschland steuert. Geht es manchem nicht eigentlich darum, die langjährigen Fans endlich loszuwerden? Sie durch die vielen tausend Jetset-Fans zu ersetzen, die auf den Asien- und USA-Reisen der großen Vereine geworben werden? Im Mittelpunkt der derzeitigen Fanproteste stehen einige Forderungen, die hauptsächlich Ultras betreffen. Vor allem aber sind sie ein letztes Aufbäumen der Stadionbesucher gegen die Alleinherrschaft der TV-Interessen.

      In der Premier League hat ein absurd hoch dotierter Fernsehvertrag Milliarden in die Liga gespült, mit schlimmen Auswirkungen auf die Bundesliga, wo solide wirtschaftende Vereine wie Mainz oder Freiburg zusätzlich unter Druck geraten und die Lobbys immer vehementer die Axt an die 50+1-Regel legen. Doch während englische Fußballfans neidisch nach Deutschland blicken, hecheln manche Offizielle und Lobbyisten, die damit oft nur ihre eigenen Interessen verbinden, der Premier League hinterher und schreien nach mehr Kapital und mehr Investoren.

      Auch bei den Verbänden wird hinter vorgehaltener Hand zugegeben, dass der Fußball vor einem epochalen Wandel steht. Schon bald dürfte die 50+1-Regel gekippt werden. Dann bekommt St. Paulis Manager Andreas Rettig recht, der davor warnt, dass die Bundesliga zur »Forbes-Liga« wird. Einer Forbes-Liga mit Helene Fischer in der Halbzeitpause und Anstoßzeiten, die sich dann ausschließlich an den Bedürfnissen einer weltweiten Zuschauerschaft orientieren. Das ist eine Horrorvision. Und zwar eine, die schon bald Realität werden könnte.

      Bereits jetzt werden tausende von Amateurvereinen allenfalls mit Krümeln vom Tisch der großen Gelage in der 1. Liga abgespeist. »Unsere Amateure – echte Profis«: Diesen Slogan hat der DFB als Zeichen seiner Anerkennung auf eine Plakette drucken lassen und an all seine Mitgliedsvereine versandt. In diesem Buch kommen Menschen zu Wort, die das als Gipfel der Heuchelei empfinden.

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      Der Unmut wächst: Fanprotest in Nürnberg zu Beginn der Saison 2017/18.

      Gute Fans, böse Funktionäre? So einfach ist es allerdings nicht. Denn am großen Rad der Kommerzialisierung drehen alle. Funktionäre, TVAbonnenten, Journalisten, selbst die Ultras. Und natürlich kennen die Fußballmacher ihre Klientel. Die eingefleischten Fußballfans schätzen es nicht besonders, wenn man mit der Tür ins Haus fällt, doch wenn die Tür jede Saison ein paar Zentimeter weiter geöffnet wird, ist das kein Problem. Hier eine zehnprozentige Erhöhung der Ticketpreise, dort ein bisschen mehr Gängelung, hier ein Montagsspiel mehr, dort eine Werbedurchsage: All das wird geschluckt. Mit dem Fußballfan ist es nämlich, wie im Frosch-Paradoxon beschrieben: Wirft man einen Frosch in einen Topf mit kochendem Wasser, springt er entsetzt wieder heraus. Setzt man ihn allerdings in einen Topf mit kaltem Wasser und erhöht die Temperatur Stück für Stück, bleibt er im letztlich kochenden Wasser sitzen, bis er tot ist.

       Christoph Ruf, Karlsruhe im September 2017

       Coca-Cola, McDonald’s, Schalke 04 – wenn Fußball vereine zur globalen Marke werden

      Wer als Journalist versucht, ein Meinungsbild über den deutschen Fußball einzuholen, macht eine merkwürdige Entdeckung. Denn nirgendwo wird so vehement bestritten, dass es dem deutschen Fußball eigentlich doch sehr gut geht, wie bei den Spitzenverbänden DFB und DFL. Im Grunde findet man dort, dass noch gehörig Luft nach oben sei. Und wer das anders sieht, bekommt schnell eine apokalyptische Warnung zu hören: »Selbst wenn es gerade ganz gut läuft – wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, hat das noch immer bereut.«

      Dabei sind alle, auch die Vertreter der Vereine, mit dem neu ausgehandelten Fernsehvertrag hochzufrieden. Auch ist man aufrichtig der Meinung, dass hierzulande die Balance zwischen Kommerz- und Faninteressen noch halbwegs gewahrt sei: die Eintrittspreise günstiger als in England, die Stehplätze noch nicht abgeschafft. Interne Studien, heißt es in Frankfurt gerne, wiesen zudem eine hohe Zufriedenheit der Fanbasis aus – angeblich auch mit der Spieltagsgestaltung. Wobei off the record auch niemand bestreitet, dass es natürlich die große Masse der TV-Zuschauer ist, die zufrieden mit der Zersplitterung der Spieltage

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