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gut erklären, warum China zum Sehnsuchtsort der Bundesligamanager geworden ist. »China ist der Fußball-Wachstumsmarkt weltweit. Die Vereine profitieren durch den neuen Medienvertrag mit Suning und PPTV, mit dem wir die Einnahmen aus China signifikant steigern konnten. Darüber hinaus sind Zuwächse im Sponsoring und Merchandising zu erwarten.«

      Die meisten Bundesligamanager gehen mit ihren Tagträumen allerdings aus gutem Grund deutlich sensibler um, als es Adidas-Chef Kasper Rorsted tat, der bereits laut überlegte, ob man nicht ein paar prestigeträchtige Fußballspiele im Ausland stattfinden lassen könne: »Was spricht dagegen, wenn künftig ein DFB-Pokalfinale statt in Berlin auch einmal in Shanghai ausgetragen würde?« DFLChef Christian Seifert erteilte diesen Plänen prompt eine Abfuhr. Ob aus grundsätzlicher Opposition oder nur, weil er es für unklug hält, den dritten Schritt vor dem ersten zu machen, sei dahingestellt. Letzteres ist allerdings nicht ganz unwahrscheinlich, denn natürlich kennen die Fußballmacher ihre Klientel. Die eingefleischten Fußballfans mögen es nicht, wenn allzu heftig an der Kommerzialisierungsschraube gedreht wird. Eine 50-prozentige Erhöhung der Ticketpreise erregt Unmut, die chinesische U20 in der Regionalliga auch. Aber eine zehnprozentige Erhöhung der Ticketpreise hier, dort ein bisschen mehr Gängelung, hier ein Montagsspiel, dort eine Werbedurchsage mehr: All das schluckt der deutsche Fußballfan. Grummelnd, aber er schluckt es. Genau wie der Frosch aus der eingangs erwähnten Parabel bleibt er so lange reglos sitzen, bis es zu spät ist.

       Worms, Trier, Offenbach, Chinas U20 … Finde den Fehler!

      Im Juni 2017 hat der DFB die Temperatur ein bisschen kräftiger erhöht. Und das war dann schon ein kleiner Schock für all die Fußballfreunde, die immer noch nicht so richtig begriffen haben, was genau China denn nun mit dem Pokalfinale oder mit Wormatia Worms zu tun hat. Damals wurde jedenfalls publik, dass der DFB für seine Regionalliga Südwest eine Kooperation mit dem chinesischen Fußballverband anstrebt. Die Aufregung war groß. In der 19er-Liga soll jeweils der Verein, der gerade spielfrei hat – mal Wormatia Worms, mal Astoria Walldorf –, ein Freundschaftsspiel gegen die chinesische U20 austragen. 15.000 Euro bekommt dafür jeder Klub pro Jahr. Und zuvor jede Menge Ärger, mit dem auch die Vereine nicht gerechnet hatten, die vorab telefonisch ihr Einverständnis gegeben hatten.

      Auch wenn eine Partie gegen die Chinesen »eine gute Vermarktungsmöglichkeit« biete, »sollte man den regionalen Bezug nicht komplett verlieren«, erklärte Waldhof-Geschäftsführer Markus Kompp, der behauptete, er habe diese Bedenken auch am Telefon geäußert. Verständlich auch der Ärger des FK Pirmasens, der gerade äußerst unglücklich abgestiegen war. »Sechs Mannschaften steigen ab, und nun holt der DFB die chinesische Nationalmannschaft. Wir müssen das wohl hinnehmen, aber für mich ist das purer Kapitalismus«, sagte Geschäftsstellenleiter Christoph Radtke bei Zeit online. Radtke hat recht: Es ist »purer Kapitalismus«. Der herrscht nämlich immer dann, wenn die großen Jungs bei den Verbänden die wichtigen Dinge regeln. Er habe, so Radtke weiter, »einen Antrag gestellt, die Liga auf 20 Teams aufzustocken, weil auch unser U23-Team als Achter der Oberliga absteigen muss, wenn wir absteigen. Aber statt uns zu behalten, wird nun offenbar, man muss es wohl so sagen, eine Geldquelle aus China ausgewählt. Eine Horrormeldung.«

      So sahen es auch die Fans, vor allem die der Traditionsvereine, für die das Ende der Fahnenstange erreicht war. »Die Pläne, eine sportlich nicht qualifizierte Mannschaft in die Regionalliga einzukaufen, widersprechen dem Grundgedanken des sportlichen Wettbewerbs. Das Herkunftsland der Mannschaft spielt dabei nicht die geringste Rolle. Auch Mannschaften aus Katar, den USA oder Russland würden auf unsere Ablehnung stoßen«, sagte »PRO Waldhof«-Vorstand Achim Schröder. Der DFB wolle »mit klammen Traditionsvereinen wie dem 1. FC Saarbrücken, dem SSV Ulm, Kickers Offenbach, Hessen Kassel, TuS Koblenz und unserem Waldhof in Fernost Geld verdienen, und alle sollen dafür jeweils 15.000 Euro bekommen. Glauben diese Funktionäre in der Frankfurter Zentrale denn, mittlerweile alles und jeden kaufen zu können?«

      Ähnlich sah es der Kickers-Offenbach-Fan Thilo Leutung, der sich direkt an den Verein und dessen Geschäftsführer wandte: »Der DFB schafft es seit Jahren nicht, das Problem des Auf- und Abstiegs in der Regionalliga vernünftig zu lösen. Und dann kommt China, wedelt mit ein paar Geldscheinen, und auf einmal ist alles möglich!? Muss man denn wirklich alles, was vom DFB kommt, einfach schlucken? Im aktuellen Fall ziehe ich meinen Hut vor Waldhof Mannheim. Die wollen sich nämlich nicht an dieser Marketingaktion beteiligen. Völlig zu Recht, wie ich finde. Was hat ein Team aus China in einer deutschen, regionalen Liga zu suchen? Ich werde auf jeden Fall, sollte es dazu kommen, alle Fans der Offenbacher Kickers aufrufen, dieses Spiel zu boykottieren.«

      Die DFB-Oberen reagierten aufrichtig überrascht über die Reaktionen der Fans. Und tatsächlich ist es ja nichts Neues, dass der gesamte deutsche Fußball, in noch viel stärkerem Maße die DFL, China Avancen macht. Was auch vollkommen in der Logik der Politik der vergangenen Jahre liegt, die zu einer stetigen Erhöhung der Fernsehgelder für die DFL-Vereine geführt hat. Auch im Fall der chinesischen U20 dürfte es weniger darum gehen, unmittelbar Geld mit deren Regionalliga-Engagement zu verdienen. Es geht darum, ein Klima zu schaffen, das Interesse für den deutschen Fußball weckt. Wenn nur ein Prozent von 1,3 Milliarden Chinesen sich vielleicht das Spiel der U20 gegen Saarbrücken im Fernsehen anschaut, sind das eben 13 Millionen Menschen. Vor allem sind sie potenzielle Käufer von Schalke-, Bayern- oder Wolfsburg-Trikots wie auch dankbare Abnehmer der Früchte von künftigen chinesisch-deutschen Fernsehdeals.

      Denn eine Zahl ist schon interessant: 220 Millionen Euro. Umgerechnet so viel zahlt China per annum für die Übertragungsrechte an der Premier League – das ist mehr Geld als die Bundesliga insgesamt durch die Auslandsvermarktung erlöst. Aus Sicht von DFL und DFB war es also nur logisch, Ende 2016 einen Kooperationsvertrag mit China zu schließen. DFL-Geschäftsführer Christian Seifert begründete dies im Interview mit der Sport Bild sehr ausführlich: »Den chinesischen Markt zu vernachlässigen, wäre fahrlässig. … Sicher ist, dass der deutsche Fußball und damit die Bundesliga und ihre Klubs durch diese Kooperation eine andere Wahrnehmung in China erfahren werden.« Eine Wahrnehmung, die sich ebenfalls in Zahlen niederschlagen soll. »Der FC Bayern ist bei Instagram mit Abstand der führende deutsche Klub mit rund 8,5 Millionen Followern. Der FC Barcelona hat mehr als 42 Millionen. Bei Twitter haben Real und Barça rund 20 Millionen Follower, die stärksten deutschen Klubs liegen im einstelligen Millionenbereich. Es geht also darum, in einem für die Zukunft sehr bedeutsamen Land unsere ohnehin gute Marktposition weiter zu stärken.« Stellt sich nur die Frage, wer genau mit »uns« gemeint ist. Waldhof Mannheim nicht, Greuther Fürth nicht und sicher primär auch nicht Augsburg, Hannover oder Freiburg. Bayern oder Dortmund aber durchaus.

       »Purer Kapitalismus«

      Mehr Erlöse aus Fernost werden also eine Entwicklung weiter forcieren, die die Champions League schon sehr massiv befördert hat: die, dass die Topklubs sich immer mehr von den normalsterblichen Bundesligisten – und die sich wiederum von den Zweitligisten – entfernen. Denn natürlich bekommt auch Augsburg mehr Geld als noch vor fünf Jahren. Doch im Vergleich zu den Gewinnen der Großen hinken die Durchschnittsvereine immer weiter hinterher. Anders gesagt: Während sich die Vereine aus dem Tabellenmittelfeld freuen, dass sie statt mit einem klapprigen Kinder- nun mit einem schicken Tourenrad unterwegs sind, haben sich die Topklubs Ferraris und Porsches zugelegt. Es dürfte nicht allzu schwer zu erraten sein, wer die Strecke über 34 Runden schneller zurücklegt.

      Allzu viel Mitleid verbietet sich allerdings, schließlich sorgen die Vereinsvertreter aus der 1. und 2. Liga ja dafür, dass sie mit ihren Rädern auch ganz gut im Rennen sind, zumindest wenn sie statt nach vorne nach hinten schauen. Denn die Vereine von der 3. Liga abwärts sind meist zu Fuß unterwegs. Wie sagte doch der Pirmasenser Manager so schön: »purer Kapitalismus«. Dessen wichtigste Regel gilt im Fußball wie im echten Leben: Immer schön nach unten treten.

       99,999999999999 Prozent

      Der

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