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aller Berechtigung einzelner Kritikpunkte auch den richtigen Adressaten hat. Wobei, eine Spitze gegen die reichen Erstligisten kann sich auch Kupka nicht verkneifen. »Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass die da oben so viel verdienen können, wie sie wollen, aber irgendwann unten nichts mehr da ist. Was die Vereine an der Basis leisten, ist Sozialpolitik mit anderen Mitteln.«

       Elfmeterpunkt falsch gekreidet: 25 Euro

      Bei der ersten Versammlung von Kupkas Initiative, die am 29. Januar 2017 in Garching abgehalten wurde, erschienen tatsächlich nur ein paar Dutzend Vereinsvertreter, darunter vor allem solche aus dem Münchner Umland, aber nur wenige aus anderen Bundesländern. Und trotz eines eher großen Medienechos blieb auch die Zahl der Facebook-Likes überschaubar. Mit mangelnder inhaltlicher Unterstützung sollte man das allerdings nicht verwechseln. Wer sich bei den Amateurvereinen umhört, vernimmt viel Sympathie für Kupkas Anliegen. Doch die Angst, sich offensiv gegen den Verband zu positionieren, hält viele davon ab, sich Initiativen wie der des Hachinger Rechtsanwalts anzuschließen, so feige (und grundlos?) das zuweilen sein mag.

      Kupka jedenfalls versteht die Zurückhaltung vieler Vereine, auch wenn er sich mehr Rückhalt wünschen würde. Denn seiner Meinung nach läuft derzeit vieles ganz grundsätzlich falsch. »Die Landesverbände finanzieren sich immer ungenierter über Gebührenerhöhungen und Strafzahlungen«, klagt er beispielsweise. »Schon kleinste Verstöße kosten da 200 Euro.« Damit spricht er einen Punkt an, der tatsächlich für viel Unmut bei den Amateurvereinen sorgt. Über Wochen ist der Kicker voll mit Leserbriefen von der Basis, die den Tenor der Artikel aus der »Riss«-Reihe unterstützen.

      Dabei ist nicht alles, was unter Beschuss gerät, bei näherem Hinsehen uneinsichtig. Denn natürlich ist es fair, wenn ein Verein, der mit großer Mühe Schiedsrichter ausbildet, bessergestellt wird als einer, der das unterlässt. Dass Letzterer eine Strafe zahlen muss, ist also nachvollziehbar. Auch dass die Verbände es honorieren, wenn Vereine möglichst viele Nachwuchsmannschaften unterhalten, ist logisch. Doch wenn die Schätzung des Kicker zutrifft, dass in der Saison 2015/16 insgesamt 30 Mio. Euro bundesweit an Buß-, Verfahrens- und Ordnungsgeldern, an Spielabgaben, Melde- und Genehmigungsgebühren zusammenkommen – dann liegt der Verdacht schon nahe, dass die Landesverbände mit diesem Bürokratieungetüm einfach Geld verdienen wollen.

      Dass die Debatte, die vielerorten den Tenor »Wir da unten gegen die da oben« hat, zuletzt Fahrt aufnahm, ist da eigentlich nicht weiter verwunderlich. Zumal in den Landesverbänden mancher »Ehrenamtliche« de facto im Jahr auf sechsstellige Summen an Sitzungsgeldern, Aufwandsentschädigungen etc. kommen soll. Das ärgert die Basisvertreter ebenso wie die Tatsache, dass sie selbst mit Vertröstungen abgespeist werden, während der Verband in Frankfurt eine neue Fußballakademie für 140 Mio. Euro bauen will. Während die einen »Ehrenämtler« reich werden, werden die anderen bei den kleinen Vereinen durch eine kleinliche Gebührenordnung sowohl finanziell als auch logistisch an den Rand ihrer Kapazitäten gebracht. Wer sich ehrenamtlich im Fußball engagiert, macht das ja meist nicht, um zentimeterdicke Gebührenordnungen zu wälzen.

      Ein paar Beispiele für vieles an Skurrilem, das sich darin findet: Die Amateurklubs müssen anteilig Trikot-Sponsoreneinnahmen an Landesverbände abgeben – unvorstellbar, dass sich ein Bundesligist solch eine Regelung gefallen lassen würde. Das gilt auch im DFB-Pokal, dem Festtag schlechthin für jeden Amateurverein, der es vielleicht einmal in seiner Geschichte dorthin schafft, wo endlich mal Geld zu verdienen ist. In der ersten Hauptrunde erhalten alle Klubs 155.000 Euro. Doch da die Banden zentralvermarktet werden, bleibt dem Verein nur der Erlös aus dem Trikotsponsoring. Und auch da kassiert der DFB wieder: 15 Prozent des Umsatzes für das einheitliche Sponsoren-Logo gehen hier ebenfalls an den Verband.

      Während die Verbände ansonsten kleinlich sind – ein falsch gekreideter Elfmeterpunkt kostet 25 Euro, ein fehlendes Foto im Spielerpass eines Jugendspielers 10 Euro –, empfinden viele Vereine die Staffelung der Schiedsrichterkosten als unfair. In der Kreisliga ist es offenbar eher die Regel als die Ausnahme, dass die Kosten, die die Vereine an den Landesverband für die Schiedsrichterabstellung bezahlen müssen, höher sind als die gesamten Ticketeinnahmen. Der Kicker hat errechnet, dass allein in Hessen in der Spielzeit 2015/16 397 Vereine einen Punktabzug bekommen haben, weil sie nicht genügend Schiedsrichter stellten.

      Und als ob das alles nicht schon skurril genug wäre, sind die Gebühren dort besonders hoch, wo Frauenmannschaften vergleichsweise erfolgreich sind, wie ein Vertreter des Kreisligisten BV Borussia Bocholt dem Kicker im März 2017 berichtete: »Unsere Schiedsrichterkosten liegen monatlich bei etwa 500 Euro …, an Zuschauereinnahmen haben wir zeitgleich nur etwa 200 Euro. Die Strafe bemisst sich nach der Klassenzugehörigkeit der am höchsten spielenden Mannschaft, das ist bei uns das Damenteam in der Regionalliga. Der Verband macht dabei keinen Unterschied zwischen Damen- und Herrenregionalliga. Eine absolute Frechheit, weil der DFB ansonsten bei den Schiedsrichterkosten selbst schon zwischen Damen- und Herrenteams unterscheidet.« Während die Schiedsrichteraufwendungen gestaffelt werden – wer Regionalliga Herren pfeift, bekommt 200 Euro, bei den Frauen sind es nur 25 Euro –, sind die Strafen gleich hoch.

      Dass alle Vereine, die am regulären Spielbetrieb teilnehmen, Passgebühren für jeden Spieler zahlen müssen, versteht sich von selbst. Beispiel Bayern. Hier müssen die Vereine folgende Gebühren entrichten: Regionalliga 2.030 Euro (plus die IT-Gebühr von 203 Euro), Bayernliga 1.674,75 Euro (IT 203), Landesliga 710,50 Euro (IT 203), Bezirksliga 365,40 Euro (IT 182,70), Kreisliga 233,45 Euro (IT 152,25), Kreisklasse 182,70 Euro (IT 131,95), A-Klasse 142,10 Euro (IT 101,50), B-/C-Klasse 101,50 Euro (IT 101,50). Zudem müssen die Vereine von der fünften bis zur siebten Spielklasse bei den Männern (und bis zur fünften bei den Frauen) den BFV-Liveticker bedienen – ansonsten müssen pro Partie 30 Euro Strafgebühr gezahlt werden.

      Rainer Koch hat recht: Vieles, was im Fußball durchschlägt und dem DFB angelastet wird, ist die Folge gesellschaftlicher Entwicklungen. Eine auf Individualismus getrimmte Gesellschaft tut sich nun mal schwer, sich in etwas einzubringen, das den ziemlich wenig individualistischen Namen »Verein« trägt. Aber muss man die Menschen, die auch heute noch lieber zusammen mit anderen Menschen ihrem Hobby nachgehen als vorm eigenen Fernseher zu versauern, muss man die wirklich mit einer zerfaserten Gebührenordnung quälen, die sie von dem abhält, worum es doch eigentlich gehen sollte: dem Fußball?

       Echte Amateure

      Diese Frage stellt sich auch Andreas Beune, Jugendleiter bei TuS Eintracht Bielefeld. Die erste Mannschaft der Eintracht spielt in der Kreisliga, in 21 Jugendmannschaften sind fast 500 Kinder und Jugendliche aktiv. »Echte Amateure« also, wie sie der DFB so schätzt. Die Fülle der Jugendmannschaften bedeutet für einen ehrenamtlichen Jugendleiter sowieso schon jede Menge Arbeit. Doch der Formalkram, der Wust an Verordnungen, Bögen und Formularen, der hält die wenigen Ehrenamtlichen im Bielefelder Osten erst so richtig auf Trab, seufzt Beune. Und geht ein wenig ins Detail. Eine verpflichtende Tagung verpasst: 30 Euro. Den (de facto natürlich unnötigen) Sicherheitsbeauftragten fürs Kreisligaspiel nicht benannt: 10 Euro. Eines von vielen weitgehend sinnlosen Häkchen nicht gesetzt: 5 Euro. »Das kostet enorm viel Zeit«. Zeit, die Beune sich nimmt. »Denn sonst geht das alles richtig ins Geld, und wir haben schon das Problem, dass wir für die Größe unseres Vereins zu wenige Schiedsrichter stellen. Und das tut uns finanziell echt weh.« Viele hundert Euro im Jahr zahlen die Bielefelder an den Westfälischen Fußball-Verband, weil sie statt der fünf Referees, die sie bei ihrer Vereinsgröße stellen müssten, nur zwei zusammenbekommen.

      Nun ist der Journalist und Radsportexperte Beune niemand, dem einseitige Schuldzuweisungen besonders schlüssig vorkämen. Das mit den Schiedsrichtern, sagt er, habe man auch selbst verdummbeutelt. Schließlich wäre der eine oder andere A-Jugendliche, der den Sprung in den Herrenbereich nicht schafft, vielleicht doch zu überreden gewesen, einen Kurs als Schiedsrichter zu belegen. »Das Themenfeld haben wir brachliegen lassen«, sagt Beune selbstkritisch. »Hier arbeiten aber auch alle am Anschlag, da muss man einzelne Punkte vernachlässigen, leider auch manchmal wichtige.«

      Viele Verbandsregeln findet er gut und sinnvoll. Dass auch Bambini schon eine Trainingsfreigabe brauchen, um bei einem anderen Verein vorzuspielen, sei beispielsweise richtig. Weil es der unseligen Praxis ein Ende macht, dass höherklassige Vereine

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