Скачать книгу

die von einem großen Namen und dem Standort in einer der reichsten Städte Europas profitieren. Zwischen diesen beiden Polen würden kleinere Vereine, die solide wirtschaften, zerrieben werden, weil die Schere zwischen Arm und Reich dann in deutlich schnellerem Tempo auseinanderreißen würde. Daimler steigt eben beim VfB Stuttgart mit 40 Mio. Euro ein – und nicht beim SC Freiburg, der den VfB nach dessen Abstieg zumindest sportlich überflügelt hatte.

      Das alles wissen auch SC-Sportdirektor Jochen Saier und Christian Streich, der beim Wort »Investor« allerdings noch aus ganz anderen Gründen Beklemmungen bekommt. Denn eines ist klar: Der Tag, an dem der Vertreter einer örtlichen Brauerei oder eines Versicherungskonzerns es so handhabt wie die Herren Kühne, Ismaik oder Duchâtelet und einfach mal öffentlich seine Meinung über Trainer oder Sportdirektor kundtut, wird der letzte Arbeitstag von Christian Streich als Bundesligatrainer sein. Bei der Aussicht, dass irgendwann die eingetragenen Vereine verschwunden sein werden und nur noch das Geschäftsmodell von RB Leipzig in der Liga vertreten ist, wird ihm schon jetzt ganz anders, auch wenn er hofft, das nicht mehr miterleben zu müssen: »Es kann schon sein, dass ich das Zeitliche gesegnet habe, wenn gar kein eingetragener Verein mehr dabei ist.«

      Insofern ist es im wohlverstandenen Eigeninteresse des SC Freiburg, aktiv zu werden, solange man noch Pflöcke einhauen kann. So sieht es zumindest eine Gruppe von SC-Mitgliedern, die sich im Winter des Jahres 2016 zum ersten Mal traf und sich – einen Namen braucht man eben – »Mitgliederinitiative Einzigartiger Sport-Club Freiburg e.V.« genannt hat. Fast 200 Mitglieder hatte man bereits nach wenigen Wochen. Und die beratschlagten gleich beim ersten Treffen, was sie tun könnten, damit sie ihren Verein auch in ein paar Jahren noch wiedererkennen.

      Sie haben sich auch Gedanken darüber gemacht, wie das, was für sie so selbstverständlich ist, nämlich dass der SC Freiburg ein ganz besonderer Verein ist, wohl überregional wahrgenommen wird. Klar, die Klischees von den freundlichen Menschen, der gelben Sonne und den grünen Tannen, die findet man auch in Flensburg oder Schweinfurt ganz sympathisch. Aber bei den Auswärtsspielen sind halt doch nur die immergleichen Südbadener im Gästeblock. So richtig Strahlkraft hat der nette SC Freiburg überregional nicht entfaltet, seit er 1993 erstmals die 1. Liga enterte. Daran hat sich nichts geändert, trotz des vage positiven Images des gesamten Klubs. Und trotz des Trainers, der auch nach dem tausendsten Interview noch wie ein Mensch wirkt und nicht wie ein Sprachcomputer, mit all seinen Stimmungsschwankungen und seiner für Hannoveraner sicher gewöhnungsbedürftigen Wortwahl. Doch selbst Hannoveraner würden wohl recht schnell Christian Streich nennen, wenn man sie fragen würde, welcher Trainer in der Branche wirklich eine Meinung zu den Themen inner- und außerhalb des Fußballkosmos hat, die Menschen eigentlich interessieren sollten.

       Kritische Stimmen fehlen

      Und wenn jetzt einfach mal der ganze Verein offensiv vertreten würde, was in unzähligen informellen Zirkeln – die es nun einmal gibt in einem eingetragenen Verein, der die Menschen in seiner Stadt bewegt – gesprochen und diskutiert wird? Man würde an Profil gewinnen, meinen sie bei der Mitgliederinitiative. »Wir sind überzeugt, dass die starke Positionierung und der Einsatz für einen gesellschaftsfähigen Fußball zu Kernwerten der ›Marke‹ Sport-Club Freiburg werden können«, heißt es in einer Erklärung der Gruppe. Zumal in Zeiten, in denen ein Verein, der auch mal über die Torauslinie hinausdächte, damit fast schon ein Alleinstellungsmerkmal hätte, wie sie finden: »Denn das ist es, was im deutschen Profifußball fehlt: Stimmen, die eine Diskussion über die Grenzen des Wachstums anstoßen. Stimmen, die die bedeutende Rolle des Fußballs in der Gesellschaft anerkennen und die aktuelle Entwicklung kritisch hinterfragen.«

      Tatsächlich würden jedem Sportjournalisten ad hoc ein paar Dutzend Protagonisten einfallen, die man morgens um drei wecken könnte, und sie würden mit tränenverschleiertem Blick berichten, warum der hiesige Fußball so gnadenlos ins Hintertreffen geraten sei gegenüber all den Topligen von England über Japan bis China, die ganz andere wirtschaftliche Möglichkeiten hätten als die Hungerleider hierzulande. In Deutschland, diesem fußballerischen Entwicklungsland, das seinen Spielern nach wie vor Gehälter zahlen müsse, die kaum ein menschenwürdiges Auskommen ermöglichten. Wo ein Bobby Wood, der in seiner ersten Bundesligasaison sensationelle fünf Treffer erzielte, mit jämmerlichen 3 Mio. Euro Jahresgehalt abgespeist wird – ohne Prämien. Diese Litanei erzählen viele, viele Funktionäre, etwas eleganter verpackt, gerne auch in den üblichen Talkshows. Aber wen sollen die armen Redakteure der entsprechenden Formate als Gegenpart einladen?

      Andreas Rettig überlegt sich sehr genau, wem er was sagt; Christian Streich ebenso. Außerdem trainiert der sonntags lieber seine Mannschaft, als in stickigen Fernsehstudios herumzusitzen. Und die anderen 50+1-Verfechter in der Branche (die es ja durchaus gibt), die haben für sich beschlossen, ihre Meinung nicht öffentlich zu äußern. Genau darin, in diesem an sich skandalösen Vakuum, sehen die SC-Mitglieder eine einzigartige Chance für ihren Verein, zumal sich viele Fangruppen damit begnügen, die prominentesten Vertreter der Kommerzialisierung zu benennen und – nicht selten völlig niveaulos – anzufeinden, sich aber nicht die Mühe machen, die Zusammenhänge aufzuzeigen, die die Hopps und Mateschitze erst auf die Bühne brachten.

      »Während die wirtschaftlichen Interessen im Profifußball von vielen Akteuren vorangetrieben werden, ist die Gegenseite schlecht aufgestellt. Viele der deutschen Fußballfans stehen auf dieser Gegenseite und sehen die Entwicklung im Fußball kritisch. So sind beispielsweise 87 Prozent der deutschen Fußballfans für den Erhalt der 50+1-Regel. Einige aktive Fangruppierungen äußern deutlich ihren Unmut gegen die zunehmende Kommerzialisierung. Häufig verrennen sie sich dabei jedoch einseitig in Feindbilder wie Red Bull oder Dietmar Hopp. Durch unschöne Kritikformen und nicht konstruktive Herangehensweise wird einer ernsthaften Debatte mehr geschadet als genützt. Die Kritik an den Feindbildern geht oft an der eigentlichen Problematik vorbei«, heißt es seitens der Breisgauer Mitgliederinitiative weiter.

       Träge sind auch die Fanszenen

      Auch deshalb, wegen der Trägheit vieler Fanszenen, die der ihrer Lieblingsvereine kaum nachsteht, haben die Freiburger die Hoffnung fast schon aufgegeben, dass 50+1 bundesweit gerettet werden kann. Grund genug, finden sie, dass man zumindest beim eigenen Verein agiert, ehe man nur noch Rückzugsgefechte austragen kann, die von vorneherein zum Scheitern verurteilt sind. Deswegen haben sie sich beim Sport-Club mal ihre eigene Satzung genau durchgelesen und dann noch ein paar Dutzend andere, um abwägen zu können, wie eine Satzung aussehen müsste, die sicherstellt, dass ihr Lieblingstrainer auch künftig allein über die Aufstellung fürs nächste Heimspiel entscheidet. »Manu hat sich da ziemlich reingefuchst«, schreibt ein Mitglied der Ultragruppe »Corillo« über ein anderes. »Der kennt jetzt die Satzungen aller Profivereine auswendig.« Klingt lapidar, heißt aber: viele hundert Stunden Arbeit.

      Bei der kommenden Jahreshauptversammlung im Herbst 2017 wollen sie ihren Entwurf zur Abstimmung stellen – noch sind es schließlich die Mitglieder des SC Freiburg e.V., die ein Wörtchen mitzureden haben, wie es mit dem Verein weitergeht. Außerdem zeige das Beispiel des VfB Stuttgart, »dass langfristige Gedanken schnell zu Gunsten des kurzfristig verfügbaren zusätzlichen Kapitals zurückgestellt werden, wenn ein möglicher Investor mit einem Millionenbetrag vor der Tür steht«. Die von den Mitgliedern vorgeschlagene Satzungsänderung, so sie denn beschlossen wird, hätte zur Folge, dass selbst bei einer Ausgliederung keine Investoren einsteigen könnten. Nicht mehr, vor allem aber nicht weniger. Denn weniger als der Fortbestand der 50+1-Regel wäre nichts, wie auch der Freiburger Trainer findet. »Ein Verein gehört nicht einem Menschen, sondern den Menschen und Mitgliedern, die sich mit ihm identifizieren. Ein Verein ist kein Ort, um möglichst viel abzuschöpfen und zu werben, sondern ein Gemeinschaftsort. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, ohne Gemeinschaft ist er nicht überlebensfähig. Das Gemeinschaftserlebnis auf dem Fußballplatz steht über der vollständigen Kommerzialisierung. Bis jetzt muss man die DFL und den DFB loben, ihre Maßnahmen führten dazu, dass Deutschland so gut dasteht.«

      Doch inzwischen wird 50+1 zu vehement bedroht, als dass man sich auf der Vergangenheit ausruhen könnte. Genau deshalb ziehen sie in Freiburg gerade die Visiere hoch. Fans und Verein haben dabei exakt das gleiche Ziel.

      Конец ознакомительного

Скачать книгу