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und ihn wegzustoßen, war eine instinktive Reaktion.

      Und ganz ehrlich, mir hatte noch nie jemand gesagt, dass ich ein Genie wäre, wenn es um zwischenmenschliche Fähigkeiten ging. Eigentlich hatten meine eigenen Eltern genau das Gegenteil gesagt.

      Mit der richtigen Ausrüstung an einem abgelegenen Ort konnte ich die Welt beherrschen, zumindest, bis jemand einen Blick hinter die Kulissen warf und sah, wer die Dinge in der Hand hielt. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich zu jemandem wie Danny eine Beziehung aufbauen sollte. Ich wollte ihn – Himmel, wer bei klarem Verstand hätte ihn nicht gewollt? –, aber er war zu jung und süß und voller Leben für jemanden wie mich. Im besten Fall würde ich einen Mitleidsfick bekommen und mich am Ende nach einem Typen sehnen, der mich für ein Arschloch hielt. Im schlimmsten Fall würde ich nicht in der Lage sein, Charlies Mission zu beenden.

      Obwohl ein großer Teil von mir also wusste, dass es das Richtige wäre, Danny nachzulaufen und mich zu entschuldigen, zwang ich mich, auf meinem Stuhl sitzen zu bleiben und meine Gedanken wieder auf den Job zu fokussieren.

      Ein paar Minuten später klingelte mein Handy, als hätten Auntie Ades Spinnensinne in dem Moment angefangen zu kribbeln, als ich die falsche Entscheidung getroffen hatte.

      »Hey, Auntie«, begrüßte ich sie. »Wie läuft’s?«

      »Komm mir nicht mit ›Auntie‹, omo. ›Wie läuft’s?‹, fragt er. Tja, das wüsstest du, nicht wahr, wenn du mich in den letzten drei Wochen angerufen hättest.«

      Ich verzog das Gesicht und lehnte mich zurück. Nichts wies mich so in meine Schranken, wie wenn sie mich in ihrer Muttersprache Yoruba »Junge« nannte.

      »Entschuldige, Auntie. Ich war … beschäftigt. Hast du das Geld bekommen, das ich dir geschickt habe?«

      Sie schnaubte. »Natürlich. Aber du weißt, dass ich nicht deshalb mit dir reden will.«

      Ich wusste es, und die Liebe in ihrer Stimme, als sie schimpfte, brachte mich zum Lächeln. Das tat sie immer.

      Irgendwie hatte diese starke, intelligente Frau, die aus Nigeria immigriert war und noch immer keinen Skype-Anruf starten konnte, ohne dass einer der Jungs aus der Nachbarschaft ihr dabei half, inoffiziell das rothaarige Stiefkind aus der Mittelklassefamilie um die Ecke adoptiert, das immer wieder in Schwierigkeiten geriet, weil es sich ins Sicherheitssystem der Schule einhackte oder die Handys seiner Mitschüler kopierte. Vielleicht war sie der einzige Mensch auf der Welt, der sich die Mühe gemacht hatte, mich verstehen zu wollen, und sie liebte mich seit meiner Kindheit bedingungslos.

      »Ich verspreche, dass ich öfter anrufe«, gelobte ich und meinte es auch so. »Wie geht’s Javier und Mikey?« Zwei andere Kinder aus der Nachbarschaft, die sie inoffiziell adoptiert hatte und die beide noch auf die Highschool gingen.

      »Schlitzohren, wie du eines warst. Und sie bedanken sich für die Xbox.« Sie zögerte. »Will ich wissen, womit du beschäftigt bist?«

      Ich verriet nie Einzelheiten über meine Angelegenheiten, und sie fragte nur selten. Sie zu beschützen, war das Einzige, was mir neben dem Rausch des Gewinnens wichtig war.

      Und Charlie hatte das gewusst, verdammt.

      »Zur Abwechslung mal gute Dinge. Kennst du Senator John Harlan?«

      »Der aus der Zeitung, der den Jungs wehgetan hat?« Sie gab ein nachdenkliches Geräusch von sich. »Das warst du?«

      »Mit viel Hilfe, ja.«

      Auntie Ade schwieg eine Sekunde. »Bin stolz auf dich, Wesley. Weißt du das? Immer, immer. Okay?«

      »Ja, Ma’am«, stimmte ich zu. Meine Stimme war etwas belegt, und ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. »Okay.«

      »Also, dann sag mir, was dich bedrückt.«

      »Ich … was?«

      »Tsk. Erzähl mir alles.«

      Es hätte mich nicht überraschen sollen, dass sie meine Gedanken lesen konnte. Das hatte sie schon immer gekonnt. »Es ist nichts, Auntie. Ich hab nur ein paar Dinge zu jemandem gesagt, auf die ich nicht wirklich stolz bin.«

      »Dann bringst du es wieder in Ordnung«, sagte sie sofort.

      Ich seufzte. »Es ist nicht immer so einfach.«

      »Es ist immer so leicht, Liebling. Das ist nicht dasselbe.«

      Sie hatte recht, und ich wusste es. Es war nicht Dannys Schuld, dass er verdammt heiß war, und er verdiente meine beschissene Einstellung genauso wenig, wie er John Harlans Missbrauch verdient hatte. Leicht, nicht einfach.

      »Ich werde es versuchen«, versprach ich.

      »Wenn du es versuchst, Wesley, wirst du immer Erfolg haben«, sagte sie überzeugt. Ich wünschte, ich hätte so viel Vertrauen in mich selbst. »Ich hab dich lieb.«

      »Ich hab dich auch lieb, Auntie.« Ich legte auf, nachdem ich ihr wie immer versprochen hatte, öfter anzurufen. Ich beneidete sie darum, dass sie diese Worte so einfach sagen konnte, dass sie vertrauen und Menschen lieben konnte, die ihre Liebe und ihr Vertrauen nicht immer erwiderten.

      »Hey.« Breck kam in den Raum geschlendert. Er trug ein blaues T-Shirt mit der Aufschrift »Bitte zwing mich nicht zum Arbeiten« – wahrscheinlich gestohlen – und eine kurze Hose. Er machte es sich auf dem Sofa bequem, als hätte er vor, eine Weile zu bleiben. »Wo ist Danny?«

      »Woher soll ich das wissen?«, fragte ich. »Ich bin nicht sein Aufpasser.«

      Breck hob ergeben die Hände. »Himmel. Mach dir mal nicht gleich ins Hemd, du Geek.«

      Ich klopfte auf mein T-Shirt. »Wenigstens habe ich ein Shirt an. Ich bin nicht derjenige, der ständig vergisst, sich anzuziehen.«

      Breck legte den Kopf schräg und sah mich forschend an. »Du bist heute vieles nicht.«

      »Hey«, sagte Steele, als er ebenfalls hereinkam. Er schaute zwischen Breck und mir hin und her. »Was ist los?«

      »Nichts«, antworteten Breck und ich gleichzeitig.

      Steele setzte sich so nah neben Breck, dass kein einziger Sauerstoffpartikel zwischen ihnen Platz hatte, und weil das offensichtlich immer noch zu weit weg war, zog er den kichernden Breck auf seinen Schoß.

      Widerlich.

      »Ich hab deinem Freund gesagt, dass Danny nicht hier ist, also …«

      »Hey!«, sagte Ridge. Er brachte eine große Schüssel Popcorn und eine Limodose mit, obwohl er wusste, was ich davon hielt, wenn neben meiner Elektronik gegessen wurde. Aber bevor ich ihn daran erinnern konnte, betrat Carson hinter ihm den Raum.

      Carson hatte sich die Haare mit zehn Pfund Gel zurückgestrichen, und an seinem Kiefer waren Reste von Make-up zu erkennen. Mafioso? Lounge-Sänger? Vorsingen für die West Side Story? Ich war so abgelenkt, dass ich vergaß, mit Ridge zu schimpfen, und bevor ich michs versah, stapelten sich vier Körper auf meinem Sofa.

      Territorial? Ich? Oh ja.

      »Jetzt muss nur noch Leo auftauchen, dann haben wir eine Party«, meckerte ich.

      »Du hast gerufen?« Leo tauchte im Türrahmen auf und lächelte mich an. »Hey, weiß jemand, wo Danny ist?«

      Ich sog die Luft ein. Es ging Leo verdammt noch mal nichts an, wo Danny war. Leo war viel, viel zu alt für ihn.

      »Er ist kein Gefangener«, antwortete ich. »Er darf in Frieden spazieren gehen, verdammt.«

      Breck verengte die Augen. »Tut er das? Spazieren gehen?«

      »Woher soll ich das wissen?«, explodierte ich. »Er war hier, und dann ist er … gegangen.«

      »Oh, Mann«, stöhnte Breck. »Was hast du zu ihm gesagt?«

      »Ich?«, fragte ich empört. »Warum denkst du, dass ich etwas … damit zu tun habe?«

      »Weil du nicht mit Danny in einem Raum

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