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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Dann schwieg sie. Er glaubte, sie zu verstehen; er glaubte in ihrem Lächeln, in dem Ton ihrer Stimme, ja selbst in ihren Worten eine Art Aufforderung zu finden. Er hatte sich zwar vorgenommen, die Sache nicht zu überstürzen, aber dann konnte er nicht mehr an sich halten und stammelte:
»Nun ja … warum … warum wollen Sie denn nicht diese Tätigkeit unter … dem Namen Duroy wieder aufnehmen?«
Sie wurde plötzlich ernst, legte die Hand auf seinen Arm und sagte:
»Reden wir nicht darüber.«
Doch er verstand, dass sie »ja« sagte; er sank auf die Knie, küsste leidenschaftlich ihre Hände und stotterte immerfort:
»Oh, danke, danke, wie ich Sie liebe.«
Sie stand auf. Er tat das gleiche und bemerkte, dass sie sehr bleich war. Da wurde ihm klar, dass er ihr gefallen hatte, und vielleicht schon seit längerer Zeit. Sie standen dicht beieinander; er zog sie an sich und drückte ihr einen langen, zärtlichen Kuss auf die Stirn. Sie machte sich los, lehnte sich an seine Brust und fuhr in ernsthaftem Tone fort:
»Hören Sie mich an, mein lieber Freund, noch bin ich zu gar nichts entschlossen, aber es wäre nicht unmöglich, dass ich ja sagte. Sie müssten mir aber absolute Verschwiegenheit versprechen, bis ich Sie davon entbinde.«
Er schwor es und ging; sein Herz jauchzte vor Freude.
Von da ab besuchte er sie stets mit großer Vorsicht und bat sie auch nicht um eine bestimmte Zusage, denn ihre Art, wie sie über die Zukunft sprach, wie sie »später« sagte und allerlei Pläne entwarf, in denen sie beide eine Rolle spielten, sprach deutlicher und doch zarter als ein formelles Jawort.
Duroy arbeitete fleißig, gab wenig aus, versuchte etwas Geld zurückzulegen, um bei seiner Heirat wenigstens etwas Geld zu besitzen. Er wurde nun ebenso geizig, wie er früher verschwenderisch gewesen war.
Der Sommer ging vorbei und dann der Herbst, ohne dass jemand auf den geringsten Verdacht kam, denn sie sahen sich selten und so unauffällig wie möglich. Eines Abends fragte ihn Madeleine und sah ihm dabei tief in die Augen:
»Sie haben doch Madame de Marelle von unseren Plänen noch nichts mitgeteilt?«
»Nein, Teuerste, ich versprach Ihnen, zu schweigen und habe keiner lebenden Menschenseele ein Wort davon gesagt.«
»Nun gut, es wird jetzt Zeit sein, sie darauf vorzubereiten. Ich werde meinerseits Walters übernehmen. Also es geschieht diese Woche, nicht wahr?«
Er war rot geworden: »Ja, gut, morgen«, sagte er.
Sie senkte ihre Augen, als wolle sie seine Verwirrung nicht bemerken, und sagte:
»Wenn es Ihnen recht ist, können wir Anfang Mai heiraten. Es würde sehr gut passen.«
»Ich füge mich Ihnen mit Freuden in allem.«
»Der zehnte Mai ist ein Sonnabend. Er wäre mir besonders lieb, denn es ist mein Geburtstag.«
»Schön, den zehnten Mai.«
»Ihre Eltern wohnen in der Nähe von Rouen, nicht wahr? So sagten Sie mir wenigstens.«
»Ja, dicht bei Rouen, in Canteleu.«
»Was tun sie dort?«
»Sie sind … sie sind kleine Rentner.«
»Ach, ich freue mich sehr darauf, sie kennenzulernen.«
Erschrocken verstummte er.
»Ja … aber … es sind …«
Dann nahm er sich zusammen und sagte:
»Meine teuerste Freundin, es sind Bauern, die ein Wirtshaus besitzen, die sich Hände und Füße blutig gearbeitet haben, damit ich studieren konnte. Ich schäme mich ihrer nicht, aber ihre bäuerliche Einfachheit … könnte Ihnen vielleicht doch peinlich sein.«
Sie lächelte zärtlich. Ihr Gesicht strahlte von sanfter Güte.
»Nein, ich werde sie sehr gern haben. Wir werden sie besuchen. Ich will es. Wir sprechen nachher darüber. Auch meine Eltern waren kleine Leute. Doch sie sind schon beide tot. Ich habe keinen Menschen mehr auf Erden …« Sie reichte ihm die Hand und fügte hinzu: » … außer Ihnen!«
Er fühlte sich gerührt und ergriffen. Noch nie hatte eine Frau ihn so bezaubert.
»Mir ist noch etwas eingefallen,« fuhr sie fort, »aber es ist recht schwer zu erklären.«
»Was denn?«
»Nun ja, mein Lieber, ich bin nämlich wie alle Frauen. Ich habe meine kleinen Schwächen. Ich liebe alles, was schön glänzt und gut klingt. Ich würde so gern einen adligen Namen tragen. Könnten Sie sich gelegentlich unserer Heirat nicht etwas … etwas adeln?«
Diesmal errötete sie, als hätte sie ihm einen unpassenden Vorschlag gemacht.
Er antwortete einfach:
»Ich habe schon oft darüber nachgedacht, aber es scheint wohl nicht so einfach zu sein.«
»Weshalb denn?«
Er lachte.
»Weil ich nicht lächerlich erscheinen will.«
Sie zuckte die Achseln.
»Aber gar nicht, nicht im Geringsten. Alle Welt tut das und niemand lacht darüber. Zerlegen Sie Ihren Namen einfach in zwei Teile und nennen Sie sich Du Roy! Das geht doch sehr gut.«
Er antwortete schnell, wie jemand, der sich in solchen Dingen gut auskennt:
»Nein, das geht nicht. Das Verfahren ist zu einfach, zu gewöhnlich und zu bekannt. Wohl habe ich schon daran gedacht, den Namen meiner Heimat anzunehmen; zunächst als literarischen Decknamen, ihn dann allmählich dem meinigen hinzuzufügen. Später könnte ich, wie Sie vorschlagen, meinen Namen teilen.«
»Canteleu ist Ihre Heimat?«
»Ja.«
Sie überlegte.
»Nein, die Endung gefällt mir nicht. Könnten wir vielleicht das Wort etwas ändern … Canteleu?«
Sie nahm eine Feder vom Tisch und schrieb verschiedene Namen hin und prüfte ihr Aussehen. Plötzlich rief sie:
»Halt! Halt! Ich habe es!«
Sie reichte ihm ein Stück Papier, auf dem er las:
»Madame Duroy de Cantel.«
Einige Sekunden überlegte er, dann erklärte er ernst:
»Ja, so ist es ausgezeichnet.«