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wird heu­te kei­ne Lam­pe ge­bracht? Das nennt man einen Kran­ken pfle­gen.«

      Der Schat­ten des Kör­pers ver­schwand vom Fens­ter und der lau­te Ton ei­ner elek­tri­schen Klin­gel klang durch das Haus.

      Als­bald er­schi­en der Die­ner und stell­te eine Lam­pe auf den Ka­min.

      Frau Fo­res­tier frag­te ih­ren Mann:

      »Willst du zu Bett ge­hen oder kommst du zum Es­sen hin­un­ter?«

      »Ich gehe hin­un­ter«, mur­mel­te er.

      Sie muss­ten fast eine gan­ze Stun­de bis zum Be­ginn des Es­sens war­ten und blie­ben alle drei un­be­weg­lich sit­zen. Sie spra­chen nur hin und wie­der ir­gend­ein gleich­gül­ti­ges, ba­na­les Wort, als bräch­te es eine schau­der­haf­te Ge­fahr, wenn das Schwei­gen zu lan­ge dau­er­te, da­mit nicht die stum­me Luft, in der der Tod schon lau­er­te, er­starr­te. Schließ­lich mel­de­te der Die­ner, dass es an­ge­rich­tet sei. Das Es­sen kam Du­roy ent­setz­lich lang vor. Sie spra­chen kein Wort, aßen laut­los und zer­krü­mel­ten wäh­rend der Pau­sen das Brot. Auch der Die­ner kam und ging, ohne dass man sei­ne Schrit­te hör­te, da Charles das Knar­ren der Stie­felsoh­len nicht ver­tra­gen konn­te und der Mann des­halb Filz­pan­tof­fel trug. Nur das Tick­tack der höl­zer­nen Wand­uhr un­ter­brach mit re­gel­mä­ßi­gem, me­cha­ni­schem Ton die schwei­gen­de Ruhe.

      So­bald das Es­sen zu Ende war, be­gab sich Du­roy, un­ter dem Vor­wand, müde zu sein, in sein Zim­mer und schau­te, ge­lehnt an das Fens­ter­brett, den Voll­mond an, der wie ein rie­si­ger Lam­pi­on mit­ten am Him­mel stand, sei­nen hel­len Schein auf die wei­ßen Wän­de der Häu­ser warf und sein sanf­tes Licht wie Sil­ber­f­lit­ter über das Meer streu­te. Du­roy such­te nach ei­nem Aus­weg, der ihm eine mög­lichst schnel­le Abrei­se ge­stat­te­te. Er er­fand Lis­ten; er dach­te an ein Te­le­gramm, das er sich schi­cken las­sen woll­te, eine Rück­be­ru­fung durch Herrn Wal­ter.

      Als er am nächs­ten Mor­gen er­wach­te, schie­nen ihm alle sei­ne Flucht­plä­ne sehr schwer zu ver­wirk­li­chen. Frau Fo­res­tier ließ sich si­cher­lich nicht durch sei­ne Vor­wän­de hin­ters Licht füh­ren, und durch sei­ne Feig­heit wür­de er al­les wie­der ver­der­ben, was er durch sei­ne Er­ge­ben­heit ge­win­nen könn­te. Er sag­te sich: »Ja, es ist halt lang­wei­lig; aber das lässt sich nicht än­dern, es gibt nun ein­mal im Le­ben un­an­ge­neh­me Zei­ten. Und hof­fent­lich dau­ert die Ge­schich­te nicht all­zu lan­ge.«

      Der Him­mel war blau, von je­nem tie­fen, süd­li­chen Blau, das das Herz bei sei­nem An­blick mit Freu­de er­füllt. Du­roy ging zum Meer hin­un­ter, in der Mei­nung, dass es früh ge­nug wäre, mit Fo­res­tier am Tage zu­sam­men zu sein.

      Als er zum Früh­stück zu­rück­kam, sag­te der Die­ner:

      »Herr Fo­res­tier hat schon zwei-, drei­mal nach dem gnä­di­gen Herrn ge­fragt. Vi­el­leicht möch­te der Herr zu Herrn Fo­res­tier hin­auf­ge­hen …«

      Er ging hin­auf. Fo­res­tier schi­en in ei­nem Ses­sel zu schla­fen. Sei­ne Frau lag aus­ge­streckt auf dem Sofa und las.

      Der Kran­ke hob den Kopf. Du­roy frag­te:

      »Nun, wie geht es dir? Du siehst heu­te früh ganz mun­ter aus.«

      »Ja, es geht bes­ser, ich füh­le mich kräf­ti­ger«, mur­mel­te der an­de­re. »Früh­stücke schnell mit Ma­de­lei­ne, dann wol­len wir eine Wa­gen­fahrt ma­chen.«

      So­bald die jun­ge Frau mit Du­roy al­lein war, sag­te sie zu ihm:

      »Se­hen Sie, heu­te fühlt er sich ge­ret­tet. Seit dem frü­hen Mor­gen trägt er sich mit al­ler­lei Plä­nen. Wir fah­ren nach­her nach dem Golf Juan, um Fayencen für un­se­re Woh­nung in Pa­ris ein­zu­kau­fen. Er will mit al­ler Ge­walt hin­aus, aber ich habe eine To­des­angst, dass ihm et­was pas­siert, er kann das Sto­ßen des Wa­gens nicht ver­tra­gen.«

      Als der Lan­dau­er vor­ge­fah­ren war, stieg Fo­res­tier Schritt für Schritt die Trep­pe hin­un­ter, ge­stützt von sei­nem Die­ner. So­bald er aber den Wa­gen er­blick­te, woll­te er, dass das Ver­deck zu­rück­ge­schla­gen wür­de.

      Sei­ne Frau wi­der­sprach ihm:

      »Du wirst dich er­käl­ten. Sei nicht tö­richt.«

      Er blieb hart­nä­ckig:

      »Nein, nein, es geht mir viel bes­ser. Ich fühl’ es ja.«

      Sie fuh­ren zu­erst auf den schat­ti­gen We­gen, die sich im­mer zwi­schen zwei Gär­ten durch­zie­hen und die Can­nes wie eine Art eng­li­schen Park er­schei­nen lie­ßen. Dann ging es auf der Stra­ße von An­ti­bes am Meer ent­lang. Fo­res­tier er­klär­te dem Freun­de die Ge­gend, er zeig­te die Vil­la des Gra­fen von Pa­ris, dann, nann­te er noch ver­schie­de­ne an­de­re. Er war lus­tig, aber sei­ne Fröh­lich­keit war er­zwun­gen und ge­macht wie die ei­nes zum Tode Ver­ur­teil­ten. Er hob den Fin­ger, da er nicht mehr die Kraft hat­te, den Arm zu he­ben.

      »Sieh her, dort drü­ben ist die In­sel Sain­te-Mar­gue­ri­te, und das ist das Schloss, aus dem Ba­zai­ne ent­flo­hen ist.«

      Dann fie­len ihm Erin­ne­run­gen aus sei­ner Mi­li­tär­zeit ein, er nann­te die Na­men meh­re­rer Of­fi­zie­re, von de­nen ihm noch klei­ne An­ek­do­ten er­in­ner­lich wa­ren. Doch plötz­lich bei ei­ner Stra­ßen­bie­gung tat sich der gan­ze Golf Juan auf mit sei­nem wei­ßen Dörf­chen im Hin­ter­grün­de und der Landen­ge von An­ti­bes am an­de­ren Ende.

      Fo­res­tier wur­de plötz­lich von kind­li­cher Freu­de er­grif­fen und stam­mel­te:

      »Ach, das Ge­schwa­der, du kannst von hier aus das Ge­schwa­der se­hen!«

      Und tat­säch­lich er­blick­te man mit­ten in der wei­ten Bucht ein hal­b­es Dut­zend großer Schif­fe; sie gli­chen Fel­sen, die mit Äs­ten be­deckt wa­ren. Sie wa­ren von rie­si­ger, un­ge­heu­er­li­cher Ge­stalt mit Aus­wüch­sen, Tür­men und Schnä­beln, die sich ins Was­ser senk­ten, als woll­ten sie sich in den Mee­res­grund ein­boh­ren. Man be­griff gar nicht, wie so et­was sich von der Stel­le rüh­ren und be­we­gen konn­te, so schwer und im Grun­de ein­ge­wur­zelt er­schie­nen die­se Rie­sen­lei­ber. Eine run­de, hohe, schwim­men­de Bat­te­rie in Ge­stalt ei­ner Stern­war­te er­in­ner­te an die auf Fel­sen­klip­pen ge­bau­ten Leucht­tür­me.

      Ein großer Drei­mas­ter fuhr mit vol­len Se­geln, die schnee­weiß und hei­ter leuch­te­ten, an den Kriegs­schif­fen vor­über, in die hohe See hin­aus. Ne­ben die­sen häss­li­chen, ei­ser­nen Kriegs­un­ge­tü­men sah er hübsch und gra­zi­ös aus.

      Fo­res­tier be­müh­te sich, je­des ein­zel­ne Kriegs­schiff zu er­ken­nen. Er nann­te die Na­men:

      »Das ist der Col­bert, der Suf­fren, der Ad­mi­ral Duperré, der Re­dou­ta­ble, die Déva­sta­ti­on, nein, ich irre mich, da drü­ben ist die Déva­sta­ti­on.«

      Sie ge­lang­ten zu ei­ner großen Aus­s­tel­lungs­hal­le, auf der die In­schrift stand: »Kunst­fa­yencen vom Golf Juan«. Der Wa­gen fuhr um einen Ra­sen­platz her­um und hielt dann vor der Tür.

      Fo­res­tier woll­te zwei Va­sen kau­fen, um sie in sei­ner Biblio­thek auf­zu­stel­len. Da er nicht aus dem Wa­gen her­aus­stei­gen konn­te, wur­den ihm die Mus­ter ei­nes nach dem an­de­ren ge­bracht. Er wähl­te lan­ge und frag­te bald

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