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trank ein Glas Was­ser und ging zu Bett. Er lösch­te das Licht und schloss die Au­gen.

      Er konn­te nicht ein­schla­fen, es war ihm heiß un­ter sei­ner De­cke, ob­wohl es im Zim­mer sehr kalt war.

      Er hat­te Durst.

      »Soll­te ich mich etwa fürch­ten?« dach­te er, in­dem er auf­stand, um Was­ser zu trin­ken.

      Wa­rum klopf­te sein Herz so wild bei je­dem be­kann­ten Geräusch in sei­nem Zim­mer? Wenn sei­ne Kuckucks­uhr schlug, fuhr er beim lei­sen Knar­ren der Fe­der je­des Mal zu­sam­men; er fühl­te sich be­engt und muss­te ein paar Au­gen­bli­cke den Mund öff­nen, um Luft zu be­kom­men.

      »Soll­te ich Angst ha­ben?« be­gann er zu phi­lo­so­phie­ren.

      Nein, si­cher hat­te er kei­ne Angst, denn er war ent­schlos­sen, bis zum Ende zu ge­hen, da er den fes­ten Wil­len hat­te, zu kämp­fen ohne zu zit­tern. Aber er fühl­te sich so tief er­regt, dass er sich frag­te: »Kann man trotz sei­nes Wil­lens Angst ha­ben?« Und die­ser Zwei­fel, die­se schreck­li­che Be­fürch­tung er­griff ihn. Wenn die­se Macht stär­ker als sein Wil­le war, ihn ge­wal­tig und un­wi­der­steh­lich lähm­te, was wür­de dann ge­sche­hen? Ja, was konn­te dann pas­sie­ren?

      Si­cher wür­de er auf den Kampf­platz ge­hen, weil er das woll­te. Aber wenn er zit­tern wür­de? Wenn er be­sin­nungs­los wür­de?

      Und er dach­te über sei­ne Stel­lung, über sei­nen Ruf, über sei­ne Zu­kunft nach.

      Und ein merk­wür­di­ges Ver­lan­gen, auf­zu­ste­hen und in den Spie­gel zu schau­en, über­kam ihn. Er zün­de­te das Licht an. Als er sich in dem Spie­gel be­ob­ach­te­te, kam er sich ganz fremd vor, und es war ihm, als hät­te er sich nie ge­se­hen. Sei­ne Au­gen ka­men ihm rie­sig vor und er war blass, blass, si­cher sehr blass.

      Blitz­schnell ging ihm ein Ge­dan­ke durch den Kopf: »Mor­gen um die­se Zeit bin ich viel­leicht schon eine Lei­che!« Und sein Herz be­gann ra­send zu klop­fen.

      Er ging zu sei­nem Bett und sah sich, auf dem Rücken lie­gend, un­ter der­sel­ben De­cke, die er eben ver­las­sen hat­te. Er hat­te das hoh­le Ge­sicht ei­nes To­ten und sei­ne Hän­de la­gen weiß und un­be­weg­lich da.

      Eine Furcht vor sei­nem Bett er­griff ihn und, um es nicht mehr zu se­hen, öff­ne­te er das Fens­ter und guck­te hin­aus. Die kal­te Nacht­luft ließ sei­nen gan­zen Kör­per zit­tern und schwer at­mend wich er vom Fens­ter zu­rück.

      Es fiel ihm ein, Feu­er zu ma­chen. Er schür­te es lang­sam an, ohne sich um­zu­dre­hen. Sei­ne Hän­de zit­ter­ten ner­vös, wenn er einen Ge­gen­stand an­fass­te. Sein Kopf brann­te, sei­ne Ge­dan­ken wa­ren schmerz­haft und ver­wor­ren. Er fühl­te sich be­rauscht, als ob er Wein ge­trun­ken hät­te, und im­mer­fort frag­te er sich: »Was soll ich tun? Was soll aus mir wer­den?«

      Er be­gann wie­der auf und ab zu ge­hen, un­un­ter­bro­chen, me­cha­nisch.

      »Ich muss ener­gisch sein, sehr ener­gisch.«

      Dann sag­te er sich: »Ich muss an mei­ne El­tern schrei­ben, für den Fall, dass mir et­was pas­siert.«

      Er setz­te sich wie­der hin, nahm einen Bo­gen Pa­pier und schrieb. »Lie­ber Papa, lie­be Mama …«

      Aber die­se ein­fa­che An­re­de fand er zu ver­trau­lich, bei ei­nem so tra­gi­schen Vor­fall. Er zer­riss das ers­te Blatt und be­gann von Neu­em:

      »Mein lie­ber Va­ter, mei­ne lie­be Mut­ter. Mit Ta­ge­s­an­bruch habe ich ein Duell, und da es ge­sche­hen kann, dass …«

      Has­tig stand er auf und trau­te sich nicht wei­ter zu schrei­ben.

      Die­ser Ge­dan­ke zer­schmet­ter­te ihn: »Ich wer­de ein Duell ha­ben.« Es war un­ver­meid­lich. Was ging nun in ihm vor? Er woll­te sich schla­gen; die­se Ab­sicht war fest; und trotz­dem schi­en es ihm, als hät­te er nicht ein­mal so viel Wil­lens­kraft, um zum Kampf­platz zu ge­hen. Von Zeit zu Zeit klap­per­ten sei­ne Zäh­ne mit lei­sem, har­tem Geräusch und er frag­te sich: »Ob mein Geg­ner schon ein Duell ge­habt hat? Ist er ein gu­ter Schüt­ze? Ist er als sol­cher be­kannt und ge­schätzt?« Er hat­te nie sei­nen Na­men ge­hört. Aber wenn die­ser Mann kein gu­ter Pis­to­len­schüt­ze wäre, wür­de er kaum ohne wei­te­res, so ohne je­des Zau­dern die­se ge­fähr­li­che Waf­fe an­neh­men.

      Dann mal­te sich Du­roy ihr Zu­sam­men­tref­fen aus, die Hal­tung sei­nes Geg­ners und sei­ne ei­ge­ne. Er zer­mar­ter­te sich das Ge­hirn mit den ge­rings­ten Ein­zel­hei­ten des Kamp­fes, und plötz­lich sah er vor sei­nem Ge­sicht das klei­ne schwar­ze Loch des Pis­to­len­lau­fes, aus dem die Ku­gel kom­men wür­de.

      Und plötz­lich er­griff ihn eine furcht­ba­re Angst, er be­kam einen An­fall wil­der Verzweif­lung. Sein gan­zer Kör­per zit­ter­te und beb­te. Er press­te die Zäh­ne zu­sam­men, um nicht zu schrei­en. Er hat­te ein Be­dürf­nis, sich auf der Erde zu wäl­zen, et­was zu bei­ßen, zu ver­nich­ten.

      Er be­merk­te plötz­lich ein Glas auf sei­nem Ka­min, und es fiel ihm ein, dass er in sei­nem Schran­ke eine fast vol­le Fla­sche Schnaps ste­hen hat­te, denn noch von sei­ner Sol­da­ten­zeit her hat­te er die Ge­wohn­heit, je­den Mor­gen ein Gläs­chen zu trin­ken.

      Er er­griff die Fla­sche, setz­te sie an den Mund und trank gie­rig, in lan­gen Zü­gen. Er stell­te sie erst hin, als ihm der Atem aus­blieb. Sie war zum Drit­tel leer. Eine glü­hen­de Hit­ze ver­brann­te ihm plötz­lich den Ma­gen, er­goss sich durch sei­ne Glie­der, und durch die Be­täu­bung be­kam er neu­en Mut.

      »Das ist das rich­ti­ge Mit­tel«, sag­te er sich. Und da ihm sehr warm wur­de, öff­ne­te er das Fens­ter.

      Der Tag grau­te still und kalt. Die Ster­ne schie­nen zu ster­ben und in dem tie­fen Ei­sen­bahn­ein­schnitt ver­bli­chen die grü­nen, ro­ten und wei­ßen Si­gnal­lich­ter. Die ers­ten Lo­ko­mo­ti­ven ver­lie­ßen den Schup­pen und fuh­ren pfei­fend da­von, um die ers­ten Züge zu ho­len. Die an­de­ren pfif­fen grell in der Fer­ne, wie­der­hol­ten ih­ren Mor­gen­ruf, wie die Häh­ne auf dem Lan­de.

      »Ich wer­de viel­leicht das al­les nicht mehr se­hen«, dach­te Du­roy. Nun fühl­te er, dass er von Neu­em weich wur­de. Da nahm er sich mit Ge­walt zu­sam­men. »Ich darf an nichts den­ken bis zum Mo­ment der Be­geg­nung. Das ist das ein­zi­ge Mit­tel, um den Mut nicht zu ver­lie­ren.«

      Er be­gann sich an­zu­klei­den. Beim Ra­sie­ren guck­te er in den Spie­gel, und es über­kam ihn noch­mals eine Schwä­che, als er dar­an dach­te, dass er viel­leicht zum letz­ten Male sein Ge­sicht sähe.

      Da trank er einen Schluck aus der Fla­sche und zog sich schnell an.

      Es fiel ihm sehr schwer, über die nächs­te Stun­de hin­weg­zu­kom­men. Er ging auf und ab durch das Zim­mer und zwang sich mit Ge­walt zur äu­ße­ren Ruhe und Kalt­blü­tig­keit. Als er an sei­ner Tür klop­fen hör­te, wäre er fast auf den Rücken ge­fal­len, so hef­tig fuhr er vor Schreck zu­sam­men. Das wa­ren sei­ne Zeu­gen. Also, es war Zeit.

      Sie wa­ren in Pel­ze gehüllt. Ri­val drück­te sei­nem Kli­en­ten die Hand und er­klär­te:

      »Es ist eine si­bi­ri­sche Käl­te. Geht es gut?« frag­te er.

      »Ja, sehr gut.«

      »Sind Sie ru­hig?«

      »Ja, sehr ru­hig.«

      »Also,

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