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än­dern und un­se­ren Freun­den sa­gen, Sie hät­ten aus Be­schei­den­heit das ›du‹ nicht her­vor­ge­ho­ben in An­be­tracht Ih­rer Stel­lung, oder wir brau­chen auch gar nichts zu sa­gen. Wie heißt Ihr Va­ter mit Vor­na­men?«

      »Alex­an­der.«

      Sie mur­mel­te zwei-, drei­mal hin­ter­ein­an­der:

      »Alex­an­der, Alex­an­der«, und lausch­te auf den Wohl­klang der Sil­ben; dann schrieb sie auf ein lee­res Blatt Pa­pier:

      »Herr und Frau Alex­an­der Du Roy de Can­tel beeh­ren sich, die Hoch­zeit ih­res Soh­nes, Herrn Ge­or­ges Du Roy de Can­tel mit Frau Ma­de­lei­ne Fo­res­tier an­zu­zei­gen.«

      Sie hielt die Schrift et­was von sich ab und er­klär­te, ent­zückt über die Wir­kung:

      »Mit et­was Kon­se­quenz er­reicht man al­les, was man will.«

      Als er sich auf der Stra­ße be­fand, war er fest ent­schlos­sen, sich in Zu­kunft nur noch Du Roy oder selbst Du Roy de Can­tel zu nen­nen. Und er fühl­te sich, als wäre ihm eine ganz neue Wür­de über­tra­gen wor­den. Er ging for­scher, trug den Kopf hö­her und den Schnurr­bart stolz ge­wir­belt, wie es ei­nem Edel­mann ge­ziemt. Er hat­te die größ­te Lust, al­len Vor­über­ge­hen­den zu­zu­ru­fen: »Ich hei­ße jetzt Du Roy de Can­tel.«

      Aber kaum war er in sei­ner Woh­nung an­ge­langt, da be­gann ihn der Ge­dan­ke an Ma­da­me de Ma­rel­le zu be­un­ru­hi­gen. Er schrieb ihr so­fort und bat sie für mor­gen um eine Zu­sam­men­kunft. »Es wird eine schwe­re Stun­de wer­den,« dach­te er, »ich wer­de einen schreck­li­chen Sturm her­auf­be­schwö­ren.«

      In sei­ner ge­wohn­ten Sorg­lo­sig­keit, die ihn alle un­an­ge­neh­men Din­ge des Le­bens ein­fach bei­sei­te schie­ben ließ, wuss­te er sich sehr leicht zu trös­ten und be­gann einen fan­tas­ti­schen Ar­ti­kel über die neu­en Steu­ern zu schrei­ben, durch die das Bud­get ge­deckt wer­den soll­te.

      Er for­der­te für die Adelsprä­di­ka­te »de« (von) hun­dert Fran­cs Jahres­steu­er, und für die Ti­tel vom Baron bis zum Fürs­ten fünf­hun­dert bis fünf­tau­send Fran­cs. Und er zeich­ne­te mit: D. de Can­tel.

      Am fol­gen­den Tage er­hielt er von sei­ner Ge­lieb­ten ein blau­es Brief­chen, das ih­ren Be­such um ein Uhr an­kün­dig­te.

      Er er­war­te­te sie in et­was fie­ber­haf­tem Zu­stan­de. Üb­ri­gens war er fest ent­schlos­sen, die Sa­che schnell und ener­gisch zu er­le­di­gen, gleich al­les her­aus­zu­sa­gen und ihr dann nach der ers­ten Er­re­gung mit al­len mög­li­chen Grün­den zu be­wei­sen, dass er nicht ewig Jung­ge­sel­le blei­ben könn­te; und da Herr de Ma­rel­le durch­aus nicht ster­ben woll­te, so blie­be ihm eben nichts an­de­res üb­rig, als sich nach ei­ner an­de­ren recht­mä­ßi­gen Le­bens­ge­fähr­tin um­zu­se­hen. Trotz­dem fühl­te er sich in­ner­lich er­regt, und als die Klin­gel er­tön­te, be­gann sein Herz laut zu klop­fen.

      Sie warf sich ihm in die Arme:

      »Gu­ten Tag, Bel-Ami!« rief sie.

      Doch sie merk­te so­fort, wie kühl er ihre Be­grü­ßung er­wi­der­te, blick­te ihn an und frag­te:

      »Was hast du denn?«

      »Set­ze dich,« sag­te er, »wir müs­sen ernst mit­ein­an­der re­den.«

      Sie setz­te sich, ohne den Hut ab­zu­neh­men, lüf­te­te nur ih­ren Schlei­er und sah ihn er­war­tungs­voll an.

      Er hat­te den Blick ge­senkt und be­gann nun mit lang­sa­mer Stim­me:

      »Mei­ne Liebs­te, du siehst, wie schmerz­lich und pein­lich mich das er­regt, was ich dir jetzt sa­gen muss. Ich lie­be dich sehr, ich lie­be dich wirk­lich aus tiefs­tem Her­zen, und der Ge­dan­ke, dir Schmer­zen be­rei­ten zu müs­sen, be­trübt mich mehr als die Nach­richt selbst, die ich dir mit­tei­le.«

      Sie wur­de sehr bleich und stam­mel­te zit­ternd:

      »Was ist es? Sag’ es schnell.«

      Er ver­setz­te in trau­ri­gem, aber ent­schlos­se­nem Tone mit je­ner ge­heu­chel­ten Nie­der­ge­schla­gen­heit, mit der man an­ge­neh­me Un­glücks­nach­rich­ten zu er­zäh­len pflegt:

      »Ich will hei­ra­ten.«

      Sie stieß einen Seuf­zer aus wie eine Frau, die ohn­mäch­tig wird, einen schmerz­er­füll­ten Seuf­zer, der aus der Tie­fe ih­rer Brust kam. Dann be­gann sie so stark zu schluch­zen, dass sie kein Wort her­vor­brin­gen konn­te.

      Als er sah, dass sie nichts er­wi­der­te, be­gann er von. neu­em:

      »Du kannst dir nicht vor­stel­len, was ich ge­lit­ten habe, ehe ich zu die­sem Ent­schluss kam. Aber ich habe we­der eine ge­si­cher­te Stel­lung noch Geld. Al­lein bin ich in Pa­ris ver­lo­ren. Ich muss je­man­den ne­ben mir ha­ben, der mir ra­ten, mich trös­ten und mich stüt­zen kann. Ich such­te eine Ge­fähr­tin, eine Ver­bün­de­te, und ich habe sie ge­fun­den!«

      Da­rauf­hin schwieg er, in der Hoff­nung, dass sie et­was ant­wor­ten wür­de; er er­war­te­te einen Wu­t­an­fall, hef­ti­ge Be­lei­di­gun­gen und Schimpf­wor­te.

      Sie press­te die eine Hand auf ihr Herz, als müss­te sie es hal­ten; sie at­me­te müh­sam und schluchz­te un­un­ter­bro­chen, so­dass ihre Brust wog­te und der Kopf zit­ter­te.

      Er er­griff ihre an­de­re Hand, die auf der Leh­ne des Ses­sels lag, doch sie zog sie hef­tig zu­rück. Und wie ge­lähmt mur­mel­te sie:

      »Oh … Mein Gott! …«

      Er knie­te vor ihr nie­der, wag­te aber nicht, sie zu be­rüh­ren. Ihr Schwei­gen er­reg­te ihn mehr als ein Zorn­aus­bruch es ver­mocht hät­te, und er stam­mel­te:

      »Clo, mei­ne lie­be, klei­ne Clo, du musst nur be­den­ken, in wel­cher Lage ich bin. Oh, wenn ich dich hät­te hei­ra­ten kön­nen, wel­ches Glück! Doch du bist ja ver­hei­ra­tet. Was konn­te ich tun? Über­le­ge es dir nur! Ich muss mir eine Stel­lung in der Ge­sell­schaft schaf­fen, und das kann ich nicht, so­lan­ge ich kein Heim ha­be… Es gab Tage, wo ich dei­nen Mann hät­te tö­ten kön­nen …«

      Sei­ne Stim­me klang sanft ver­schlei­ert und ver­füh­re­risch, als ob ihr Mu­sik ins Ohr drang.

      Er sah zwei große Trä­nen lang­sam in den star­ren Au­gen sei­ner Ge­lieb­ten wach­sen und dann über ihre Wan­gen rin­nen, wäh­rend sich schon wie­der zwei neue zwi­schen den Au­gen­li­dern bil­de­ten.

      Er mur­mel­te:

      »Oh, wei­ne nicht, Clo, wei­ne nicht, ich bit­te dich dar­um. Du zer­reißt mir das Herz.«

      Mit ei­ner star­ken An­stren­gung zwang sie sich zu ei­ner stol­zen und wür­di­gen Hal­tung. Und mit ei­ner zit­tern­den Stim­me, die die Frau­en beim Schluch­zen ha­ben, frag­te sie:

      »Wer ist es?«

      Er zau­der­te einen Au­gen­blick; dann sah er ein, dass er es sa­gen müss­te:

      »Ma­de­lei­ne Fo­res­tier.«

      Ma­da­me de Ma­rel­le er­beb­te am gan­zen Lei­be, dann blick­te sie stumm vor sich hin; sie ver­sank in ein tie­fes Nach­den­ken, so­dass sie an­schei­nend ver­ges­sen hat­te, dass er ihr zu Fü­ßen knie­te.

      Und in ih­ren Au­gen bil­de­ten sich wie­der große, durch­sich­ti­ge Trä­nen,

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