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zuck­te zu­sam­men.

      »Hö­ren Sie doch nun end­lich auf!«

      Er schob sei­ne rech­te Hand um ih­ren Kopf, pack­te und dreh­te ihn zu sich. Dann warf er sich auf ih­ren Mund, wie ein Raub­vo­gel auf sei­ne Beu­te. Sie wehr­te sich, stieß ihn zu­rück; end­lich ge­lang es ihr, sich von ihm los­zu­ma­chen.

      »Las­sen Sie es doch!« rief sie im­mer wie­der.

      Aber er hör­te nicht zu, er press­te sie in sei­ne Arme, küss­te sie mit be­ben­den, be­gie­ri­gen Lip­pen und ver­such­te, sie auf die Pols­ter­bank zu­rück­zu­wer­fen.

      Sie riss sich mit al­ler Ge­walt von ihm los und sprang hef­tig auf:

      »Aber wirk­lich, Ge­or­ges, las­sen Sie das doch! Wir sind doch kei­ne Kin­der, dass wir nicht bis Rou­en war­ten kön­nen.«

      Mit ro­tem Kopf blieb er sit­zen; die­se ver­nünf­ti­gen Wor­te hat­ten ihn sehr er­nüch­tert; er nahm sich zu­sam­men und sag­te in hei­te­rem Tone:

      »Gut, ich wer­de war­ten, aber bis Rou­en spre­che ich kei­ne zwan­zig Wor­te mehr, und be­den­ken Sie, wir fah­ren eben erst an Pois­sy vor­bei.«

      »Dann wer­de ich re­den«, sag­te sie.

      Und sie setz­te sich ru­hig wie­der ne­ben ihn hin.

      Dann be­gann sie klar und deut­lich dar­über zu spre­chen, was sie nach ih­rer Rück­kehr tun wür­den. Sie wür­den die Woh­nung be­hal­ten, die sie mit ih­rem ers­ten Gat­ten ge­teilt hat­te; au­ßer­dem soll­te Du­roy die Stel­lung und das Ge­halt Fo­res­tiers bei der Vie Françai­se er­ben. Üb­ri­gens hat­te sie alle fi­nan­zi­el­len Ein­zel­hei­ten des Haus­halts mit der Si­cher­heit ei­nes er­fah­re­nen Ge­schäfts­man­nes noch vor der Ehe­schlie­ßung ge­re­gelt. Es soll­te Gü­ter­tren­nung herr­schen, und es war für alle mög­li­chen Fäl­le Vor­sor­ge ge­trof­fen, für den Tod oder eine Schei­dung, eben­so wie für die Ge­burt ei­nes oder meh­re­rer Kin­der. Der jun­ge Mann brach­te nach sei­ner Aus­sa­ge vier­tau­send Fran­cs in die Ehe; von die­ser Sum­me hat­te er sich fünf­zehn­hun­dert aus­ge­lie­hen, den Rest hat­te er sich wäh­rend des letz­ten Jah­res er­spart. Die jun­ge Frau brach­te vier­zig­tau­send Fran­cs in die Ehe mit, die ihr, wie sie be­haup­te­te, Fo­res­tier hin­ter­las­sen hat­te. Sie kam wie­der auf ihn zu spre­chen und stell­te ihn als Vor­bild hin: er war ein sehr spar­sa­mer, sehr or­dent­li­cher und flei­ßi­ger Mensch. Er hät­te in kur­z­er Zeit ein Ver­mö­gen er­wor­ben.

      Du­roy hör­te gar nicht hin, denn er war zu sehr mit an­de­ren Ge­dan­ken be­schäf­tigt.

      Sie hielt bis­wei­len inne, um ir­gend­wel­chen ge­hei­men Ge­dan­ken nach­zu­sin­nen und fuhr dann fort:

      »In drei bis vier Jah­ren wer­den Sie wohl im­stan­de sein, jähr­lich drei­ßig­tau­send bis vier­zig­tau­send Fran­cs zu ver­die­nen. So viel hät­te auch Charles ver­die­nen kön­nen, wenn er am Le­ben ge­blie­ben, wäre.«

      Ge­or­ges be­gann die Lek­ti­on lang­wei­lig zu fin­den:

      »Ich den­ke,« er­wi­der­te er, »wir sind nicht nach Rou­en ge­fah­ren, um da­von zu re­den.«

      Sie gab ihm einen leich­ten Klaps auf die Ba­cke und sag­te la­chend:

      »Es ist wahr, ich war im Un­recht.«

      Er hielt zum Scherz sei­ne Hän­de auf den Kni­en, wie ein klei­ner, ar­ti­ger Jun­ge.

      »So se­hen Sie recht kin­disch aus!« sag­te sie.

      »Das ist mei­ne Rol­le,« ant­wor­te­te er, »in die Sie mich eben zu­recht­ge­wie­sen ha­ben. Ich wer­de nicht mehr aus ihr her­aus­fal­len.«

      »Wie­so?« frag­te sie.

      »Weil Sie die Ober­lei­tung über den gan­zen Haus­halt und auch über mei­ne Per­son über­nom­men ha­ben; Sie sind Wit­we und es wird sich auch so ge­hö­ren.«

      »Was mei­nen Sie ei­gent­lich da­mit?« frag­te sie er­staunt.

      »Dass Sie Er­fah­rung ge­nug be­sit­zen, um mei­ne Un­wis­sen­heit wettz­u­ma­chen, und eine Pra­xis in der Ehe, um mir mei­ne Jung­ge­sel­le­nun­schuld ab­zu­ge­wöh­nen. Das soll es hei­ßen, ja!«

      Sie lach­te vor Ver­gnü­gen laut auf und rief:

      »Das geht schon zu weit!«

      »So liegt die Sa­che. Ich ken­ne die Frau­en nicht … Und Sie ken­nen si­cher die Män­ner, da Sie Wit­we wa­ren … Sie wer­den mei­ne Er­zie­he­rin sein … heu­te Abend schon. Sie kön­nen, wenn Sie wol­len, gleich schon da­mit an­fan­gen!«

      Hei­ter und lus­tig rief sie aus:

      »Oh! Wenn Sie dar­auf rech­nen …«

      »Ge­wiss,« er­wi­der­te er in dem Ton ei­nes Schü­lers, der sei­ne Schul­auf­ga­be wie­der­holt, »dar­auf rech­ne ich. Ich rech­ne so­gar dar­auf, dass Sie mir einen gründ­li­chen Un­ter­richt er­tei­len … in zwan­zig Stun­den … zehn für die An­fangs­grund­la­gen … Vor­le­sen und Gram­ma­tik … zehn für die Ver­voll­komm­nung und die Rhe­to­rik, Ich weiß doch nichts.«

      Sehr be­lus­tigt rief sie:

      »Du bist zu dumm.«

      »Da du mich end­lich zu du­zen an­fängst, will ich dei­nem Bei­spiel fol­gen und dir sa­gen, mein Lieb­ling, dass ich dich von Se­kun­de zu Se­kun­de mehr lie­be und dass ich den Weg bis Rou­en viel zu weit fin­de.«

      Er sprach jetzt im Tone ei­nes Schau­spie­lers, mit ko­mi­schem Mie­nen­spiel und Ge­bär­den; das mach­te der jun­gen Frau viel Spaß, denn sie war an die tol­len Scher­ze der Schrift­stel­ler­bo­he­me ge­wöhnt.

      Sie sah ihn von der Sei­te an und fand ihn wirk­lich rei­zend. Sie hat­te das Ver­lan­gen, ihm einen Kuss zu ge­ben, als ob sie eine Frucht vom Bau­me es­sen woll­te, wäh­rend der Ver­stand ihr riet, die Mahl­zeit ab­zu­war­ten. Dann sag­te sie, er­rö­tend von den Ge­füh­len, die sie be­stürm­ten:

      »Mein klei­ner Schü­ler, glau­ben Sie mir, glau­ben Sie mei­ner großen Er­fah­rung: Küs­se im Ei­sen­bahn­wa­gen tau­gen nichts. Sie ge­hen auf den Ma­gen.«

      Dann wur­de ihre Ge­sichts­far­be noch rö­ter und sie mur­mel­te:

      »Man muss die Früch­te nie zu früh pflücken.«

      Er grins­te, er­regt durch die Zwei­deu­tig­kei­ten, die die­sem hüb­schen Mund ent­quol­len; dann mach­te er das Zei­chen des Kreu­zes, in­dem er die Lip­pen be­weg­te, als ob er ein Ge­bet mur­mel­te:

      »Ich habe mich un­ter den Schutz des hei­li­gen An­to­ni­us ge­stellt,« er­klär­te er, »dem Schutz­hei­li­gen ge­gen die Ver­su­chung; ich bin jetzt wie eine Bild­säu­le aus Bron­ze.«

      Die Nacht kam her­an und hüll­te die wei­ten Fel­der, die sich rechts der Bahn aus­dehn­ten, in ein durch­sich­ti­ges Dun­kel, ähn­lich ei­nem leich­ten Flor­schlei­er. Der Zug fuhr an der Sei­ne ent­lang, und das jun­ge Paar blick­te in den Fluss, des­sen Ober­flä­che sich wie ge­schlif­fe­nes Me­tall, wie ein lan­ges, glän­zen­des Band ne­ben den Schie­nen hin­zog. Rote Re­fle­xe spie­gel­ten sich fle­cken­wei­se vom Him­mel ab, den die un­ter­ge­hen­de Son­ne mit Pur­pur und Feu­er be­deck­te. Auch die­se leuch­ten­den Stel­len er­lo­schen und wur­den all­mäh­lich dun­kel und düs­ter.

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