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war Robert etwas außer Sichtweite und er konnte ein paar unauffällige Schwimmbewegungen machen, um sich dem Ufer zur Rechten zu nähern. Von David war noch immer weit und breit nichts zu sehen. Nach ihm zu rufen hätte nichts gebracht, dazu waren die Stromschnellen zu tosend. Außerdem hätte er damit nur die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich gezogen. Ausschau halten war alles, was er tun konnte. Doch immer wieder drückten ihn die Wellen nach oben und wieder nach unten. Ab und zu, wenn er für einen kurzem Moment auf einem Wellenkamm trieb, konnte er bruchstückhaft Treibgut erkennen. Aber einen Augenblick später war er schon wieder im Tal und sah nichts als Wasser, um ihn herum. Und gerade, als er sich etwas nach hinten drehen wollte, raubte ihm ein Brocken vom abgerissenen Floßgerüst jegliches Gefühl. Taubheit machte sich in seinem Kopf breit. Mit großer Wucht war ihm ein großer Holzklotz in sein Gesicht gerammt worden und eine kleine Gestalt, die sich grinsend daran festhielt, schien es auch noch anzuschieben.

      Robert schaute David an. Er rührte keinen Finger. Ohne Willen wurde er vom Fluss durch das Tal geschoben. Robert blieb zunächst nichts anderes übrig, als sich ebenfalls an das Holz zu klammern und zu versuchen, mit David im Gepäck, ans Ufer zu gelangen. Seine Nase blutete und seine Muskeln waren kalt und müde. Er trieb mehr, als dass er schwamm, und trotzdem kämpfte er sich Stück für Stück näher heran. Doch auch der Fluss kämpfte gegen ihn und schien kein Erbarmen mit ihm haben zu wollen. Obwohl es nur noch einige Meter bis zum Ufer waren, kam es Robert so vor, als wären es mehrere hundert und es schien Stunden zu dauern. Erst als die beiden eine weitere Flussbiegung erreichten, kam unverhofft Hilfe. Mit aller Kraft, die er noch besaß, versuchte er sich und David in die Nähe eines umgestürzten Baumes zu bringen, der etwa hundert Meter vor ihnen halb im Wasser lag und dessen Krone ihnen entgegen zeigte. Kurz entschlossen nutze Robert die angebotene Möglichkeit und setzte alle noch willigen Körperteile ein, um den rettenden Baumstamm zu erreichen. Er zog David, der noch immer still auf dem Holzbrett lag, an seinem eigenen Körper vorbei und versuchte - ihn vor sich herschiebend - in die Nähe des Baumes zu kommen. Immer wieder verpasste er dem Holz einen Schubser und schwamm dann selbst keuchend hinterher. Der Baum war jetzt nur noch zwanzig Meter entfernt. »Bei der Geschwindigkeit vielleicht noch ein paar Sekunden« schoss es ihm durch den Kopf und ohne weitere Überlegung stieß er David auf dem Baumstamm mit aller Kraft, die er aufbieten konnte, vorwärts. »Geschafft!!! «

      David und seine schwimmende Unterlage trieben gegen den Baumstamm und er blieb daran hängen, doch Robert verfehlte den Stamm um Haaresbreite. Stattdessen erreichte er nur die Krone des Baumes, an der er sich verzweifelt versuchte, festzuhalten. Mit Händen und Füßen Halt suchend, kämpfte er gegen die Strömung, aber die hatte kein Erbarmen. Sein Körper kämpfte gegen sie an, doch dadurch verhedderten sich die Ketten im Geäst. Unbarmherzig drückte die Strömung jetzt seinen Kopf unter Wasser und er hatte keine Luft mehr zum Atmen. …. Seine Sinne verdunkelten sich und seine Kraft lies nach. Willenlos trieb er mit dem Kopf voraus in der Strömung, festgehalten durch die Ketten an seinen Füßen, angebunden an die Krone des Baumes. Überall waren Blasen- und Schaumwände, aber keine Luft zum Atmen, und er begann zu fantasieren …

      … er sah ein Licht … eine Art Stern. Und sein Licht leuchtete hell und warm und sein Schein überstrahlte alles in der Umgebung. Ein paar Leute standen um das Licht versammelt und diese schienen ebenso zu leuchten. Aber einer leuchtet heller, als die anderen. Robert wusste - das ist er … das ist er … das ist der König. Ein Gefühl von Zufriedenheit überkam ihn, warm und gut. Er fühlte, dass es geschafft war, und die Aufgabe gänzlich erfüllt war und Robert entspannte sich. Aber dann durchfuhr es seinen Körper wie ein Blitz. »Robert« hämmerte es in seinem Kopf. »Robert … wach auf! Du musst aufwachen. Noch ist nichts geschafft. Noch ist er nicht bei mir.« …

      … Robert kam wieder zu Verstand und seine Kräfte sammelten sich und strahlten auf wunderbare Weise in seinen Körper hinein. Er hing offenbar noch immer am Geäst des Baumes und noch immer gaben sie ihn und seine Beine nicht frei. Aber jetzt kam sein Verstand gänzlich zurück. Unbändige Kräfte wurden in ihm frei und er zog sich selbst, gegen die Strömung, an den Ketten entlang, bis zu seinen Füßen, hoch. An den Ästen des Baumes festhaltend, schob er seinen eigenen Körper vorwärts, bis er sich endgültig aus der Umklammerung des Baumes befreit hatte und sein Kopf mit Vehemenz aus dem Wasser schoss und er die gesamte Atemluft im Umkreis von hundert Meilen in sich hinein saugte.

       Kapitel VII - Sarazenen

      Rhônetal, in der Nähe von Avignon

      1456 anno Domini, Sommer

      »Hey, was macht der Kleine denn da?« fragte sich einer der Osmanen auf dem vorderen Floß, aber da war es bereits zu spät für eine verbale Antwort.

      … kawummm …

      … machte es - es krachte und donnerte, es blitzte und Funken stoben auf.

      »Merde« schreckte der Sarazenenhauptmann auf. »Was war das denn?« Durch die Explosion aufgerüttelt, sprang er wie gestochen hoch. Er blickte vom hinteren Floß - auf dem er bis gerade eigentlich noch eine einigermaßen unauffällige Fahrt verbracht hatte - zum nun steuerlos vor sich hintreibenden, vorderen Floß. Qualm breitete sich vor ihm aus und Bretter flogen durch die Luft. Er sah gerade noch, wie einige Körperteile seiner Leute ins Wasser eintauchten, nachdem sie in hohem Bogen durch die Luft geworfen worden waren. »… was ist denn …? wieso …? und woher kam denn …?« Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. »… Schneller fahren. Los, schneller fahren« rief er seinen Leuten zu und die versuchten jetzt das zerborstene Gefährt vor ihnen einzuholen, indem sie das Ruderblatt zusätzlich im Wasser schwenkten und so von hinten zusätzlich beschleunigten. Doch die Rhône schäumte vor Wut, dass sie jemand in ihrem Wasserbett aufgerüttelt hatte und so gab sie alles, was sie an Unbill aufbringen konnte, und schüttelte die Männer auf beiden Flößen gewaltig durch.

      »Da ist der Kleine« rief einer der Soldaten und zeigte auf einen Wellenkamm. Er hatte gerade den Küchenjungen entdeckt, wie er im Fluss - tot oder bewusstlos - umhertrieb. Padong … da wurde er auch schon vom Rand des Floßes erfasst und unter das Holz gedrückt.

      »Lasst ihn - er ist tot. Das überlebt man nicht lange. Schade eigentlich« entgegnete der Hauptmann. »Aber die da vorne sind noch nicht tot … los jetzt … schneller.«

      Der Fluss kochte. Überall waren Felsbrocken im Wasser und sie erzeugten Untiefen, Blasen und weiße Wände aus Schaum. Beide Holzflöße tanzten förmlich auf dem Wasser - sie wurden hochgeworfen und wieder aufgefangen, machten Schlenker, wischen aus und drehten sich im Kreis. Aber langsam kam das hintere dem vorderen Floß näher.

      »Da, noch einer.« Die Beine eines Mannes hingen abgetrennt, aber noch immer gut zu erkennen, an einem Stück vom abgesprengten Teil der mittleren Verankerung des vorderen Floßes. »Allah …« rief einer der Muselmanen, denn er hatte gerade erst bemerkt, dass der Rest des Mannes hinter seinen Beinen hertrieb - leblos.

      Überall kamen jetzt Holzteile und Körperteile angeschwommen. »Da … der lebt noch« bemerkte ein anderer Soldat hektisch. Noch ein Sklave trieb jetzt vor ihnen her und er schien sogar noch etwas schwimmen zu können. »Entweder der Kerl verstellt sich für uns, damit wir ihn schwimmen lassen, oder ihm geht gerade wirklich die Luft aus.«

      »Einfangen … Los, einfangen« rief der Sarazenenhauptmann und sofort rannten zwei Soldaten längsseits und drei weitere nach vorne zum Bug, um den Flüchtling einzusammeln, aber es war bereits zu spät. Das Floß war mittlerweile einfach zu schnell und der Sklave … dong … dong … dongledong … verschwand unter dem Holz.

      »Nach hinten, ihr Idioten.« rief der Sarazene. »Gleich kommt er hinten wieder raus.«

      Die fünf rannten nach achtern, aber da kam keiner. »Der ist sicher irgendwo hängen geblieben, oder hat sich …«

      »Schwachkopf« sprang der Hauptmann ins Wort. »Der will uns nur täuschen. Er versucht nur uns auszu…« … dong … dong … wurde der Sarazene jetzt selbst unterbrochen.

      »Er ist noch immer unter uns« reif einer der Soldaten und versuchte die Position zu orten. Hektisch lief er von einer Stelle zur anderen - immer weiter achtern - Richtung Heck, zur Ruderanlage.

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