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Der Physicus. Volker Schmidt, Prof. Dr.
Читать онлайн.Название Der Physicus
Год выпуска 0
isbn 9783347066137
Автор произведения Volker Schmidt, Prof. Dr.
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
»Schnauze halten, ihr Beiden« schrie einer und für seine Aufsässigkeit bekam Robert noch einen Hieb, diesmal ans Bein.
»Merkwürdig« dachte Robert, »die sprechen anscheinend alle Französisch.«
Dann wurden sie abgeführt und zusammen mit den anderen führte man sie zu den Sklaventreibern. Und genauso wie ihre Leidensgenossen, mussten auch sie sich jetzt mit den Ketten vertraut machen. Wie sich kurz vor dem Aufbruch herausstellte, war auch ihr Pferd samt Karren verkauft worden. Allerdings hatte Robert gesehen, dass sich kein Proviant mehr auf der Ladefläche befand. Stattdessen saßen dort jetzt dunkelhäutige Osmanen mit riesigen Schwertern, die sie auf dem Rücken trugen und denen es sehr gelegen kam, dass sie ihren vom Sattel geplagten Hintern etwas Ruhe gönnen durften. Hinter Robert’s Einachsers waren die Pferde der neuen Fahrgäste festgebunden worden und die konnten jetzt gemächlich und entlastet hinter der Menschentraube her traben. Es hatte den Anschein, dass es den Rössern sichtlich bekam, denn merkwürdigerweise waren diese Muselmanen alle samt etwas rundlich um die Mitte herum, was man von Soldaten eigentlich nicht erwarten würde.
Robert und David wurden jetzt verankert und neben den Ketten mussten sie auch noch eine kleine Eisenstange tragen. Je drei Mann in einer Reihe hatten eine solche Stange. Sie war verbunden mit den Ketten für die Arme. Zwischen den drei Männern einer Reihe liefen in der Mitte zwei weitere lange Riemen von vorne nach hinten, die ebenfalls mit jeder einzelnen Stange verbunden waren, so dass die gesamte Karawane aneinander gekettet war. Auf diese Weise konnten die Osmanen größere Mengen an Menschen sehr beweglich übers Land führen, ohne dabei Gefahr laufen zu müssen, dass jemand das Weite suchen würde. Nur die Beine konnten sich frei bewegen, und das war auch gut so, wie sich bald herausstellte.
Kaum waren alle neuen Sklaven mit den anderen verbunden, setzte sich die Karawane in Bewegung. »Nun, du Großmaul« rief der raubende Wirt Robert noch schnell hinterher. »Wie gefällt dir das? Bist du noch mutig genug, auch diese Herren zu verhöhnen? Versuche es nur« rief er, lachte und drehte sich um, während er den Beutel voll Gold mehrmals in seiner Hand freudig hochwarf.
Robert hatte versuchte das Geschrei des Wirtes zu überhören doch gelungen war es ihm nicht. Er war sauer und etwas verunsichert zugleich, entschlossen zu allem, aber dennoch vorsichtig. Er hatte schon einiges erlebt, aber Sklave war er noch nie. Das war eine ungewohnte Situation und brauchte Zeit zur Gewöhnung oder zur rechten Gelegenheit. Erst benötigte man mehr Informationen, musste mehr wissen über Schwäche und Gewohnheit der Muselmanen, erst dann konnte Robert zuschlagen. Zuschlagen würde er, das war klar. Er musste nur etwas Geduldig sein, dann würde ihm schon etwas einfallen. Robert beschloss mitzuspielen und erst mal abzuwarten, nicht aus der Rolle zu fallen und einfach nur weiter zu laufen. Es war ein recht strammes Tempo, das die Sklaventreiber ihnen abforderten, und wenn der Weg gut zu begehen war, schafften sie am Tag etwa zwanzig Meilen.
David hatte es bei diesem Tempo von allen am schwersten. Er war, vier Reihen vor Robert, in die Mitte einer Dreierreihe gepackt worden und da er noch nicht voll ausgewachsen war, hing er mehr wie ein Stück grobe Wurst am Haken. Seine Kettenringe schnitten ihm nach einiger Zeit bereits ins Fleisch und seine Handgelenke bluteten schon nach zwei Tagen. Robert dagegen, gut genährt und durchaus strapazierfähig, hatte - bis auf die kaum treffenden Peitschenhiebe - keine größeren Probleme.
Dass die Hiebe nicht trafen machte Sinn, denn die Muselmanen waren überhaupt nicht daran interessiert, die Sklaven zu verletzen. Schließlich brachten sie nur dann einen satten Gewinn ein, wenn sie die Reise ins Land der Morgenröte in einwandfreiem Zustand überstanden. Daher durften die designierten Sklaven, im Gegensatz zu den Osmanen, morgens, mittags und abends, ein recht üppiges Mahl zu sich nehmen, wenn Robert auch eigentlich nicht beurteilen konnte, was man normalerweise als Unfreier zu essen bekam. Aber eins war klar. Jeder Sträfling in den Kerkern von London hätte sich für dieses Essen die Hand abhacken lassen. Auch das wusste Robert nur allzu genau, denn er war selbst einmal ein Gefangener der britischen Krone gewesen. Wenn auch nur für kurz, denn nach nur zwei Tagen war er bereits entkommen. Aber das war lange schon in Vergessenheit geraten. Doch diese zwei Tage hatten ausgereicht, um ihm die Folgen seines Tuns ins Gehirn einzubrennen. »Nie wieder in einen Kerker. Lieber tot sein« waren seinen Gedanken noch Jahre danach, und an diesen Vorsatz hatte er sich bisher auch immer gehalten. Jetzt war er wieder angekettet, zwar nicht eingekerkert, aber besser war das hier auch nicht. »Ich werde uns hier herausholen, und wenn’s mein Leben kostet« beschwor er sich. »Außerdem habe ich noch eine Aufgabe, deren Erfüllung oberste Priorität hat. Ja genau, unsere Aufgabe … und deshalb wird sie mir sicher auch helfen. Giovanni hat es genau so beschrieben in seinem Brief. Sie wird uns nicht im Stich lassen - hat er geschrieben - denn sie braucht uns noch. Da war sich Giovanni ganz sicher.«
Es dauerte nicht lange, da bemerkte auch der Anführer der Osmanen, dass David an den Handgelenken blutete. Wie sehr ihm das Wohl seiner Ware am Herzen lag, erkannte jedermann daran, dass er gleich darauf seinen Aufseher antreten ließ, ihn mit einer Tracht Prügel bestrafte, die fahrenden Osmanen vom Karren warf und stattdessen David Platz nehmen ließ. Dann versorgte er die Wunden eigenhändig mit einem seltsamen Aufstrich, der sehr schnell zu wirken begann und die Verletzungen binnen drei Tagen abklingen ließ. Das Zeug stank erbärmlich, aber immerhin half es. Aber David musste sich nach seiner schnellen Genesung merkwürdigerweise nicht wieder einreihen und durfte auf dem Kutschbock sitzen bleiben. Gelegentlich half er sogar beim Vorbereiten der Mahlzeiten. Um sicher zu gehen, dass er nicht weglaufen würde, waren seine Beine allerdings, über eine Kette, mit der Wagenachse verbunden, dem einzig robusten Gegenstand an diesem Fahrzeug. Seit jenem Tag hatte er keine Gelegenheit mehr, mit Robert zu kommunizieren. Auch die zuvor so gut funktionierenden und verstandenen Blickkontakte waren nicht mehr möglich, so dass es für beide bald eine sehr einsame Wanderung wurde.
David hatte keine Ahnung, wohin es ging. Nur der Stand der Sonne verriet ihm, dass sie immer weiter nach Süden liefen. Grundsätzlich stimmte das ja mit ihrer früheren, eigenen Richtung überein. »Und vielleicht …« dachte er. »… vielleicht kommen wir ja auch in Ales vorbei.«
Wenn abends das Lager aufgeschlagen wurde und die Feuer schon brannten, versuchte er immer mal wieder mit Robert zu kommunizieren, doch das war nicht so einfach, weil er als Kochgehilfe meist mit Gemüse putzen, oder Kartoffel schälen, beschäftigt war, während Robert hundert Meter weiter auf dem Boden lag und seine Füße kurierte. David ahnte nichts davon, aber Robert dachte den ganzen Tag lang nur darüber nach, wie sie flüchten könnten. Außerdem ließ er soweit das möglich war, David keinen Augenblick lang aus den Augen. Zum einen fühlte er sich für ihn verantwortlich, schließlich hatte Robert ihn in diese Miesere gebracht und zweitens durfte keine Möglichkeit unversucht gelassen werden. Das bedeutete, wenn es soweit sein würde, und man sich davon machen könnte, musste auch David dafür bereit sein. Ihre Flucht durfte auf keinen Fall an etwaiger Unaufmerksamkeit scheitern.
Hin und wieder konnte Robert sogar mit seinen Leidensgenossen reden. Es war zwar nicht erlaubt, aber die Wächter konnten ihre Ohren nicht überall haben. Und selbst wenn jemand beim Reden erwischt wurde, hatte das eigentlich keinerlei ernste Folgen. Zu sehr waren die Muselmanen auf ihren Warenzustand bedacht.
»Wo kommt ihr her?« fragte Robert seinen Nachbarn, der sich danach hin und her drehte, um zu schauen, wo der nächste Wächter stand. Er hatte furchtbare Angst und man sah seinen Schweiß bereits fließen, obwohl er noch gar nichts gesagt hatte.
»Aus Paris« antwortete er dann eilig und machte dabei unauffällige Handbewegungen vor seinem Mund. Die sollten wohl verhüllen, dass die gesprochen Worte aus seinem Mund gekommen waren.
»Hat euch der Prinz zu Sklaven gemacht?« fragte Robert neugierig, ohne dabei weiter auf die Nervosität seines Nachbarn zu achten.
»Ja doch« antwortete der nur kurz und drehte sich abermals um seine eigene Achse.
»Was war der Grund?«
»Meuterei« sagte der Mann aufgeregt.
»Gegen den Prinzen?«
»Gegen wen sonst.«
»Und warum habt ihr gemeutert?« fragte Robert nach.
»Schnauze