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nicht ein einziger Söldner, der die Brücke bewacht. Niemand der ein Wegegeld haben will« flüsterte Robert und David wurde sichtlich unruhig. Nur langsam setzte er den Wagen wieder in Bewegung und die beiden fuhren sehr umsichtig und bedächtig weiter. Tatsächlich war es völlig normal, dass jemand für das Befahren einer Brücke einen Ausgleich haben wollte. Eine so große Verbindung zwischen den Ufern eines Flusses konnte nur vom König oder einem seiner Verwandten finanziert werden, weshalb man also mit Soldaten oder Zollbeamten rechnen musste, meistens sogar mit beiden. In diesem Fall war aber niemand da, der das Wegegeld eintreiben sollte.

      Als sich die beiden abends gefesselt und mit Kopfschmerzen am Lagerfeuer einer Waldbehausung wiederfanden, war klar, warum keine Zollbeamten an der Brücke gestanden hatten. Sie lagen vermutlich seit einiger Zeit in einem Loch, inmitten des Waldes, beraubt und entkleidet, ermordet und vergessen. Zumindest solange wie der König seine Steuern nicht vermisste. Danach wäre es sicher klug gewesen, den Platz an der Brücke so schnell als möglich zu räumen.

      Indes saßen Robert und David etwas in der Klemme. Als sie das andere Ufer erreicht hatten, waren gleich drei brutale Gesellen von den herunterhängenden Ästen, der umher stehenden Bäume, auf ihren Karren gesprungen, zwei weitere kamen von vorne und drei von hinten aus dem Gebüsch gehüpft. Kaum Zeit nach dem Weg zu fragen, hatten die beiden bereits mehrere Stockhiebe auf den Kopf bekommen und das Licht vor ihren Augen schwand schnell und sie schliefen bis zum Abend.

      »Par les vous francaise?« kam es aus Richtung der Feuerstelle, als Robert langsam seinen Verstand wiedererlangte.

      »Allerdings« antwortete Robert dem Mann in Französisch. Sein Kopf tat weh, seine Kehle brannte und seine Muskeln fühlten sich an, wie das Fleisch von Fallobst.

      »Ihr seid Engländer, nicht wahr?« fragte der Mann am Feuer.

      Robert befühlte seinen Kopf »… ahh …« und seine Hand zuckte zurück. »Auch das stimmt« antworte er und hielt sich jetzt vorsichtiger den Kopf vor Schmerzen.

      »Willst du etwas essen?« fragte der Mann.

      Robert nickte. David schlief offenbar noch immer. »Kann ich auch etwas zu trinken bekommen? Meine Kehle ist etwas staubig« fragte Robert den Mann.

      Als der in den Schein des Feuers trat und ihm einen Becher Wasser reichte, erkannte Robert eine hagere, aber durchaus kräftige und hochgewachsene Gestalt. Wie ein typischer Räuber sah er nicht aus.

      »Entschuldigt bitte den rauen Umgangston meiner Männer. Wir hatten nicht die Absicht, euch zu erschlagen« sagte er. »Aber auf offener Straße kann eine Bande von Räubern keine Fragen bezüglich des Weges beantworten. Das versteht ihr sicher.«

      »Ihr seid aus Paris, nicht wahr?« fragte Robert. »Sehr weit südlich habtihr euch niedergelassen - auf dem Posten der Zöllner … Nicht gerade ein Platz zum Familie gründen, meint ihr nicht auch?«

      Der Mann lachte und nickte gleichzeitig. »Ja, recht habt ihr in allem. Wir haben morgen noch etwas zu erledigen, aber dann werden wir aufbrechen und diese Gegend alsbald verlassen« antwortete der Mann und nahm einen großen Schluck Bier aus seinem Krug. »Wir sind Bauern, Bäcker, Metzger, Schuhmacher und ich bin von Haus aus Wirt. Als unser Herr Prinz die Sperrstunde einführte, konnte ich meinen Laden zumachen. Ich versuchte noch an andere Arbeit zu kommen, aber es wurden immer weniger, die in Paris blieben und so ging auch die Arbeit weg und ich mit ihr. Aber hier draußen auf dem Land ist man nur ein Vagabund, ein Strolch oder Herumtreiber. Es ist kaum an Arbeit heranzukommen. Wir haben uns daher organisiert - zu einer Zunft der Räuber sozusagen.« Der Mann lachte aus vollem Hals. »Und wie ihr seht, geht es uns dabei sehr gut. Besser als je zuvor, würde ich sagen. Ich trinke Bier und esse Fleisch. Das gehörte zwar heute Morgen noch dir, aber du hast sicher nichts dagegen, wenn ich es jetzt für dich verwahre.«

      Robert fühlte sich schon einigermaßen verärgert, wegen des rüden Auftritts von heute Mittag, aber sich auch noch blöde Sprüche von einem aufgeblasenen Möchtegernräuber anhören zu müssen, ging jetzt doch zu weit. Obwohl er sicher nicht in der Position war, versuchte er offenbar den ehemaligen Wirt herauszufordern. Anders konnte man seine direkte Art zu antworten kaum deuten. »Hättest du dir die Zeit für Fragen genommen - auf der Straße, meine ich - ich hätte dir etwas von meinem Proviant abgegeben. Dazu bedurfte es keiner Prügel.« erwiderte Robert ärgerlich. »Und wenn du uns nicht wieder laufen lassen willst, kannst du deine Erklärungsversuche auch für dich behalten« wurde er heftig bei so viel Heuchelei. »Wirt hin oder her, ein Räuber bleibt ein Räuber, auch wenn er vom Prinzen dazu gemacht wurde.« Außerdem tat sein Kopf wieder weh.

      »Ha …« rief der Räuber. »… ich habe mir bereits alles genommen, was ich benötige. Und wenn ich es für richtig halte, dann werde ich auch dein und deines Freundes Leben nehmen, also red’ nicht mit mir, wie mit einem Knecht. Hier im Wald bin ich der König und ich mache, was mir gefällt« rief er wütend. Das hatte er nun wirklich nicht nötig, sich von einem dahergelaufenen Wandersmann zurecht weisen zu lassen. »Zu essen bekommst du vielleicht morgen, wenn deine Zunge wieder etwas mehr Vorsicht walten lässt« sagte er und trat Robert den Becher aus der Hand. »Fesselt ihn wieder an den anderen« rief er einem anderen Mann zu, der in der Gegend herumstand und die kurze Unterredung belauscht hatte.

      Offenbar hatte es Robert ein wenig übertrieben mit seiner Beschwerde, dem Anführer gegenüber. Und dieser selbstzufriedene Wirt war wohl auch schon etwas zu lange ein freier Mann. Das Gefühl der Unbesiegbarkeit hatte sich schon über seine Sinne gelegt. Er war blind vor Stolz und überzeugt von sich und seiner auf Rache sinnenden Bande. Und die Wut über den König, der dem Prinzen so viel Freiraum ließ, dass er tun und lassen konnte, was er wollte, saß so tief in seinem Herzen, wie kein anderes Gefühl. Beides zusammen machten ihn zu einem sehr gefährlichen Mann, und Robert bereute schon, dass er den Wirt so unverblümt angegangen hatte. »Dummkopf« dachte er. »Auf die Art lässt er uns sicher nicht frei.«

      Am nächsten Morgen war David als erster wach. Sein Kopf hämmerte wie ein Tambourmajor und seine Gelenke taten weh, als hätte er schon seit hundert Jahren Rheuma. Vorsichtig öffnete er seine Augen und wagte einen Blick. Er war sich nicht sicher, was gestern Nachmittag passiert war. Zwar hatte er noch gesehen, dass ein paar Leute auf den Karren gesprungen waren, aber danach gingen bei ihm gleich die Lichter aus. Jetzt lag er gefesselt auf dem Boden und vor ihm standen etwa zehn magere Gesellen, die aussahen, wie eine wartende Gesellschaft von Reisenden. Einer saß etwas weiter weg und machte den Eindruck des Nachdenkens. Die anderen standen im Kreis und unterhielten sich. Keiner von ihnen sah aus wie ein Dieb oder ein Gewalttäter. Nur ihre dreckige Kleidung und ihr unsauberes Aussehen deuteten auf ein Leben im Freien. Robert hatte ihm von Prinz Ludwig dem XI. und seinen Pariser Untertanen erzählt. Diese Leute benahmen sich genauso, wie er sich die Freibeuter vorgestellt hatte.

      David blickte zu Robert, doch der schien abwesend zu sein. Insgeheim hatte Robert die Unterhaltung der umherstehenden Männer belauscht. Er fragte sich, was wohl der Grund dafür sei, dass sie noch am Leben waren. Was hatte diese merkwürdige Räuberbande vor? Es sah ganz so aus, als würden sie auf etwas warteten. Einige gingen auf und ab, andere schauten ungeduldig in Richtung Sonne und schätzten die Zeit. Hinter einem umgefallenen Baumstamm sah er noch weitere Leute, die ebenfalls gefesselt auf dem Boden lagen. »Wir sind also nicht die einzigen« dachte er und verspürte jetzt, neben seinen Kopfschmerzen, zu allem Überfluss auch noch großen Hunger. Als er sah, dass David wach war, warf er ihm einen fragenden Blick zu, und der beantwortete dies mit einem Nicken. Es geht ihm also einigermaßen gut» dachte Robert. Na wenigstens etwas.«

      Ein paar Stunden nach Sonnenaufgang hörte man ein leichtes Gemurmel in der Ferne. Dann wurde es lauter und lauter. Rufe ertönten, die nicht zu verstehen waren und Pferdegetrampel kam immer näher. Ab und zu gab es ein Klatschen, danach wurde es wieder etwas stiller. Und erst nach einer ganzen Weile, als das Getöse fast aus dem eigenen Kopf zu kommen schien, stand der Anführer der Bande auf und ging zum Waldrand. Jetzt konnte Robert sehen, dass dort etwa hundert Menschen in einer Dreierreihe hintereinanderstanden. Sie waren mit großen Ketten aneinandergefesselt und bekamen einer nach dem anderen ein Schluck Wasser. »Sklaven …« fuhr es Robert durch seine sämtlichen Gelenke. »… deshalb leben wir noch.«

       Kapitel

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